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Raffael, Bildnis des Agnolo Doni.
Florenz, Palazzo Pitti. - Auf Holz, h. 0.62, br. 0.44-
Raffael, Bildnis der Maddalena Doni.
Florenz, Palazzo Pitti. — Auf Holz, h. 0.62, br. 0.44.
Raffaels Bildnisse.
DAS Cinquecento hat die Aufgabe des Porträts
von Anfang an in einem andern Sinne gefasst
als das vorangehende Jahrhundert. Quattrocehtistische
Bildnisse haben etwas Naiv - Modellmässiges. Sie
geben die Person, ohne einen bestimmten Ausdruck
von ihr zu verlangen. Gleichgiltig, mit einer verblüffenden
Selbstverständlichkeit sehen die Leute
aus dem Bilde heraus. Auf die schlagende Ähnlichkeit
war es abgesehen, nicht auf eine besondere
Stimmung. Ausnahmen kommen vor, im allgemeinen
aber begnügt man sich, den Darzustellenden nach
seinen bleibenden Formen festzunageln, und dem
Eindruck der Lebendigkeit schien es auch keinen
Abbruch zu thun, wenn in der Haltung konventionelle
Anordnungen beibehalten wurden.
Das ändert sich im r6, Jahrhundert. Man sucht
die persönlich bezeichnende Situation, einen bestimmten
Moment des freibewegten Lebens. Man
verlässt sich nicht darauf, dass die Formen des
Kopfes für sich sprächen, in der Bewegung und
Gebärde will man ausdrucksvoll sein. Aus dem
descriptiven Stil ist man übergegangen zum dramatischen
. Man kann sagen, das Porträt sei zum
Historienbild geworden.
Die Köpfe besitzen aber auch eine ganz neue
Energie des Ausdrucks. Man wird bald bemerken,
dass diese Kunst über reichere Mittel der Charakteristik
verfügt. Licht- und Schattengebung, Linienführung
, Massenverteilung im Raum sind in den
Dienst der Charakteristik gestellt. Von allen Seiten
her wird auf einen bestimmten Ausdruck hingearbeitet
. Und in derselben Absicht, das persönliche
Wesen ganz stark wirken zu lassen, werden gewisse
Formen nun besonders herausgehoben, andere zurückgedrängt
, während das Quattrocento jeden Teil ungefähr
gleichwertig durchbildete.
Es ist lehrreich, an einzelnen Fällen diesen
neuen Stil sich klar zu machen, den in Mittelitalien
Raffael vertritt. Man darf die Beispiele nicht in
seinen Jugendwerken suchen — die florentinischen
Bildnisse sind noch befangen und unsicher in der
Wirkung —, sondern erst in seinen römischen
Bildern, unter denen die zwei Papstporträts voranstehen
.
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