http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0066
auf, welche statt dessen vollen Figurenschmuck erhielten
: über der Traumdeutung die symbolische
Darstellung der „fetten Jahre" (von Veit) und über
der Wiedererkennung Josephs durch seine Brüder
die „mageren Jahre" (von Overbeck). So geistvoll
diese beiden Compositionen sind, so wirken sie doch
etwas schwer, zumal ihre Figurengrösse die der
Hauptbilder übertrifft. Bei der Anordnung der
Fresken in der National-Galerie sind die Hauptbilder
in die Mitte der Wand gestellt worden, so dass die
in der Grundlinie breiteren Lünetten an beiden
Seiten gleichmässig übergreifen.
Wenn Cornelius in der „Traumdeutung" durch
die Klarheit und Einfachheit der Geberdensprache
und die Abgemessenheit der Gruppierung als Meister
des hohen Stiles hervortritt, so erhebt er sich in
dem zweiten Hauptbilde, der „Wiedererkennung",
zugleich zu dramatischer Grösse. Die Skala der
Empfindungen, welche diese Brüderschar erfüllen, und
der Gegensatz des vor der Missethat der Anderen zu
Benjamin niederblickenden Joseph ist überwältigend.
Hier hat Cornelius auch dem Auftraggeber ein
Denkmal gesetzt, indem er in der Gestalt des der
rührenden Scene zuschauenden würdevollen Mannes
Bartholdys Bildnis anbrachte.
Die Verkaufung Joseph's, welche Overbeck
ausser der Lünette mit den „Mageren Jahren" darstellte
, ist ein Bild, das sinnigen Ernst und ein an
die Umbrier erinnerndes Schönheitsgefühl offenbart,
aber auch Schwächen zeigt, welche durch den Adel
der Auffassung und die Zartheit der Durchführung
nicht völlig aufgehoben werden. Sehr anziehend ist
der landschaftliche Hintergrund mit den nach
Art der Präraphaeliten in Gold gehöhten feingefiederten
Bäumen.
Geringeres Verdienst hat Veit. Seine Darstellung
der „sieben fetten Jahre" kann sich mit Overbecks
Seitenstück nicht messen und die „Versuchung Josephs
durch Potiphars Weib", die er ausserdem in einem
kleineren Bilde gemalt hat, ist dadurch verdorben,
dass man das Stück vor längeren Jahren mit ungenügenden
Mitteln von der Wand abgelöst hat.
W. Schadow endlich hat Jakobs Klage beim
Anblick der blutigen Kleider Josephs und die Deutung
der Träume des Mundschenks und des Bäckers im
Kerker dargestellt, aber mit weit geringerem Erfolge
als seine Genossen, weil er von Haus aus mehr zur
genrehaften Auffassung neigte. Er ist auch der
einzige von den Freunden, welcher später nicht
mehr in Fresko gemalt hat."
Zur Vervollständigung des Cyclus lieferte Catel
ein Paar Darstellungen, die das Lokal der Geschichte
Joseph's in Aegypten anschaulich machen sollten.
Es sind aber schwache Leistungen, auf welche bei'
Abnahme der Fresken verzichtet wurde.
Trotz der Einwendungen, die sich gegen Einzelnes
erheben lassen, ist der Cylcus der Bartholdy-
Fresken eine Künstlerthat, der niemals die Anerkennung
versagt worden ist. (Zusammenfassend
hat L. von Donop bei Gelegenheit der Erwerbung
unserer Bilder deren Entstehung und Uebertragung
sachkundig geschildert.)
Und mit Recht hat man zu aller Zeit rühmend
hervorgehoben, wie wertvoll diese Werke in technischer
Hinsicht sind. „Von allen Malweisen" —
so sagt Vasari — „ist die Fresko-Malerei die
meisterhafteste und schönste, denn während alleandere
Manieren allmählige Durchführung und
mancherlei Nachbesserungen gestatten, verlangt sie
Vollendung in Einem Zug. Man arbeitet auf dem
Kalke, so lange er frisch ist, ohne Unterbrechung;
sonst entsteht durch Einfluss der Luft eine Kruste
auf der Kalkschicht und verdirbt die ganze Arbeit.
Die Farben dürfen nur erdige, nie metallische sein.
Zur Ausführung aber gehört eine geschickte, sichere
und schnelle Hand, zuvor aber reifes Urteil und
Beherrschung der Mittel; denn die Farben erscheinen
auf dem nassen Kalk ganz anders als nachmals im
trockenen Zustande. Alle Fertigkeit im Durchführen,
welche bei anderen Malweisen den Reiz hervorruft,
nützt dem Künstler herzlich wenig; dafür ist diese
Technik aber auch die männlichste, wirksamste und
dauerhafteste und sie gewinnt mit der Zeit an Schönheit
und Einheit der Wirkung, denn sie reinigt sich
durch Berührung mit der Luft und widersteht dem
Einflüsse des Wassers." Allerdings haben die jungen
Meister, welche in der Casa Bartholdy arbeiteten,,
hier und da Nachhilfen, sogenannte Secco-Retouchen
nötig gehabt, um die Farbenwirkung zu steigern
(was übrigens auch erfahrene Techniker älterer und
neuerer Zeit nicht unterliessen), und dadurch wurde
die Arbeit der Ablösung der Bilder von der Wand
sehr erschwert, weil die Anwendung von Nässe
ausgeschlossen war, aber Dank der ausserordentlichen
Sorgfalt und Findigkeit, womit der Prozess
unter Leitung Stefano Bardinis vorgenommen worden
ist, gelang es, jeden Schaden zu vermeiden.
Die Wiederaufnahme der Fresko-Malerei aber
war mit nichten nur eine Angelegenheit des Handwerks
, sondern diese Malweise ist deshalb von
viel tieferer Bedeutung, weil sie ganz von selbst
den Stil bedingt. Wie sie sich an den grossen
Italienern bewährt, so bildete sie damals und bildet
für alle Zeit ein Zuchtmittel der Kunst, denn ihr
Wesen verlangt Einfachheit und Grösse.
Max Jordan.
- 56 -
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0066