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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0071
Ludwig Richter.

AN einem Hause der Johannesstrasse in Dresden
. ist eine Tafel angebracht, die daran erinnert,
dass hier Ludwig Richter in der letzten Zeit seines
Lebens gewohnt hat und am 19. Juni 1884 gestorben
ist. Erst dreizehn Jahre sind seitdem verstrichen.
Noch leben manche seiner Freunde, und auch wir,
die Männer der jungen Generation, haben ihn als
Kinder gut gekannt.

An manchem Wintertage, wenn draussen die
Flocken, die „weissen Müllerburschen", wie wir
sagten, durcheinander wirbelten
, dann sassen wir in
der Kinderstube mit Ludwig
Richter, das heisst
mit seinen Bilderbüchern,
beisammen und haben uns
vortrefflich unterhalten.
Wir haben einander so
gut verstanden, wie späterhin
nur mit wenigen
Freunden. — Merkwürdig
— dennoch gehört unser
alter Spielkamerad schon
der Geschichte an, sogar
schon ziemlich lange,
eigentlich schon ehe er
starb. Wer heutzutage,
von einer Kunstausstellung
heimgekehrt, zu Hause
etwa ein Buch aufschlägt,
wie „Erbauliches und Beschauliches
", der muss es
ohne weiteres empfinden,
dass dieser Künstler nicht
nur sich durch Aeusser-
Hchkeiten von seinen modernen
Genossen unterscheidet
, dass er vielmehr einer ganz anderen
Welt angehört. Bei Velazquez hätte einer unserer
neuen Meister das Malen lernen mögen; dass einer
sich Ludwig Richter zum Zeichenlehrer gewünscht
hätte, habe ich noch nie vernommen. Die Kunstgeschichte
entwickelt sich eben in Gegensätzen, und
der fernsten Ferne fühlen wir uns oft verwandter
als dem jüngst Vergangenen.

Als Ludwig Richter im Jahre 1803 geboren
wurde, da war seine Vaterstadt Dresden aus einem
Tummelplatz galanter Hoffeste ä la Versailles zu
einer stillfriedlichen Residenz geworden, in der das
Philistertum blühte. Im kleinbürgerlichsten Viertel

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Ludwig Richter, Vaterfreuden.
Zeichnung. Dresden, Sammlung Friedrich August II.

der Stadt stand seine Wiege. Sein Grossvater
Richter war ein vielgeschäftiger Phantast, der sich
„in Gesellschaft von Adepten in die schwarze Küche
schloss" und es mit dem Goldmachen probierte.
Eigentlich war er Kupferdrucker, nebenbei aber
reparierte er auch aus Liebhaberei Wanduhren,
von denen eine Menge in der Werkstatt durcheinander
rasselten. In all dem Getöse sass am
Ofen das blinde Grossmütterchen und schwatzte
mit ihrem Freunde, dem Paukenträger des Herrn

Stadtmusikus. Der Grossvater
mütterlicherseits hantierte
den ganzen Tag
zwischen den Tiegeln und
Töpfen eines kleinen
Kramladens, während im
Hinterstübchen seine würdevolle
Gattin thronte,
die „geborene" van der
Berg aus Amsterdam.
Richters Vater hiess zwar
ein Künstler, sogar titulierter
Professor an der
Akademie, aber auch er
war eigentlich nichts anderes
als ein armer Handwerker
wie seine Vorfahren
. Das sind die
Kreise, denen Ludwig
Richter entstammte. Niemand
hat sie uns besser
geschildert, als er selbst
es unendlich oft mit dem
Griffel gethan und einmal
auch mit der Feder, als
er an seinem Lebensabend
die Erinnerungen der
Jugend aufschrieb. Seine Schilderung — die malerische
, wie die litterarische — hat eine Beimischung

von liebenswürdiger Ironie.

Als gereifter Mann betrachtete
er das Spiessbürgertum, dem er durch
Geburt und Erziehung angehört hatte, von seiner
komischen Seite. Als begabter und klar sehender
Jüngling hatte er aber schwer darunter gelitten.
Er empfand es als trostlos, wenn er das Malen von
zwei Malern (dem jüngeren Graff und Schubert)
lernen sollte, die selbst kaum einen Pinsel mehr
anrührten und nur die Rezepte ihrer Kunst weitergaben
. Von seinem Vater wurde er wohl zu
fieissiger Arbeit und zu einer gewissen Fertigkeit


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