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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0072
Ludwig Richter, Studie zur „Ueberfahrt am
Schreckenstein" (verkleinert).
Dresden, Königliches Kupferstichkabinet.

in der Handhabung der Radiernadel erzogen; das
war aber auch alles. Das wenige Gute und Wahre,
was er entstehen sah, die Landschaften des Norwegers
Johann Dahl oder des Kaspar David Friedrich
, zeigte ihm nur die Oede seiner Umgebung,
ohne ihm doch die künstlerische Erziehung ersetzen
zu können. Die .,malerischen Ansichten" aus Dresdens
Umgebung, die er damals im Verein mit seinem
Vater radierte, zeichnen sich durch gar nichts aus
und sind genau so gräulich maniriert wie alles
andere, was aus der Schule des ehrenfesten Adrian
Zingg, des Gönners von Richters Vater, hervorging.

Man fragt sich unwillkürlich, was wäre wohl
aus Ludwig Richter geworden, wenn man ihn damals
sich selbst überlassen hätte? — Vielleicht wäre
er doch mit all seinen Gaben verkümmert und vertrocknet
, denn ein Wagehals war er nicht, der kurz
entschlossen der dumpfen Werkstatt entlaufen wäre,
um sich draussen auf eigne Faust sein Glück zu
zimmern. Gottlob hat sich in jener Zeit ein vermögender
Freund des armen Jungen erbarmt und
ihm für ein paar Jahre ein Reisestipendium gegeben
und damit den Laufpass. Dem wackeren Mann,
dem Kunsthändler Arnold, gebührt der Dank aller
Deutschen dafür. — Die Reise ging nach Rom.

Warum denn nach Rom? — Was hatte er, der
weichherzige deutsche Jüngling, der sich in jede
Blume am Wege, in jeden Vogel auf dem Zweig verliebte
, in Italien zu suchen, wo man die kleinen Vögel

totschiesst und durch die schönste Landschaft nur
reist und nicht spaziert? — Was wollte er in Italien,
wo die Künstler überall den grossen Stil suchen
und das Einzelne verachten? — Zunächst waren
es wohl Gründe äusserer Art, die ihn dahin
trieben. Er hoffte Kameraden wiederzusehen, und
dann war Rom dazumal die anerkannte Hochschule
aller wahren Kunst, einerlei wess Landes. Es ist
dies ein ungemein charakteristisches Zeichen jener
Zeit. Die Romantiker liebten es zwar, sich in den
entschiedensten Gegensatz zu ihren Vorgängern, den
Klassikern, zu stellen, doch aber hatten sie einen
wesentlichen Zug mit jenen gemeinsam: sie sahen
ihre Ideale nicht vor sich, sondern hinter sich. Sie
alle, Künstler, Denker und Dichter, sehnten sich
aus der Gegenwart und oft auch aus der Heimat
fort, wo politische und wirtschaftliche Verkümmerung
der Zeit der grossen Kriege gefolgt war. Für
die Künstler war Rom der ersehnte Zufluchtsort.
Früher hatten sie sich an die vatikanischen Marmorbilder
gehalten, jetzt hielten sie sich an Perugin, an
Pinturicchio und Fra Angelico. Das war nun allerdings
nichts für Ludwig Richter. Doch aber wurde
ihm der römische Aufenthalt zum köstlichsten Gewinn
. Er atmete auf und genoss sein Leben, seine
Bildung rundete sich in Gemeinschaft höherer
Menschen, echter Künstler und feinsinniger Gelehrten
. Wie weiland Albrecht Dürer fühlte er sich
als Herr, der daheim ein Schmarotzer gewesen war.
Sodann lernte er, — das Wort ist mir schon vorhin
entschlüpft — was jeder in Italien leichter lernen
kann, als anderswo: Stilgefühl. Genauer als mit
diesem allgemeinen Worte dürfte sich der dauernde
Gewinn, den Ludwig Richter von seinem beinahe
fünfjährigen Aufenthalt in Italien heimbrachte, kaum
umschreiben lassen. Das eigentliche Wesen italienischer
Kunst scheint er so wenig erfasst zu haben,
wie den Charakter der südlichen Landschaft in ihrer
hohen Einfachheit und warmen, weichen Färbung.
Seine Bilder aus den Albaner- und Sabiner-Bergen
schmecken alle ein bischen nach Loschwitz — ge-
wiss ganz gegen des Künstlers Absicht. Denn an-
gethan hatte es ihm Italien doch. Und als er, heimgekehrt
, sich von der alten Misere wieder umgeben
sah, da schwoll seine Sehnsucht nach dem schönen
Welschland immer mächtiger.

Er hatte an der Kunstschule zu Meissen ein bescheidenes
Aemtchen erhalten und die Geliebte seiner
Jugend heimgeführt. Aber seine Künstlerseele konnte
des häuslichen Glückes nicht recht froh werden. Das
Burglehnhaus, in dem er wohnte, das ganze reizende
altfränkische Meissen, eine Umgebung, wie man sie
sich für einen Ludwig Richter nicht passender
denken kann, blieb ohne Widerhall in seiner Kunst.
Immer wieder komponierte er aus den alten Studien-

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