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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0073
mappen und Erinnerungen italienische Landschaften.
Ein Zufall, wie er selbst sagt, brachte ihn zur
Umkehr. Ein Sümmchen, das der Verkauf eines
Bildes ihm eingebracht hatte, sollte das Reisegeld
für die heiss ersehnte Italienfahrt abgeben. Schon
war alles vorbereitet. Da erkrankte seine Frau und
die sorgsam gehüteten Thaler wanderten zum Doktor
und Apotheker.

Als die Gattin genesen war, blieb noch gerade
genug übrig zu einer Fussreise elbaufwärts in die
böhmischen Berge. Resigniert genug mag der
ermüdete Mann ausgezogen sein. Aber es ging ihm
wie dem Sohne Kis, der seines Vaters Eselin suchen
wollte und ein Königreich fand. Die Gegenden,
durch die er zog, waren ihm von früher her bekannt.
Manches hatte er einst, fast noch ein Knabe, nach
der väterlichen Schablone radiert. Die Landschaft
war dieselbe geblieben, er aber war ein anderer
geworden. Nun trug ihm erst Italien Früchte. Mit
dem gereiften Blick, mit dem Stilgefühl, das er sich
im römischen Kreise erworben hatte, sah er die alten
Berge und den Elbstrom wieder, und war auf einmal
entzückt davon und bekehrt von allen welschen
Träumen.

Sein Beruf war ihm von Stund an klar. In
den Bildern, die er bald nach seiner Rückkehr
malte, in dem „Herbstlichen Wald", dem „Gewitter
am Schreckenstein", in der „Ueberfahrt am Schreckenstein
", ist er ganz der Ludwig Richter, wie wir ihn
kennen und lieben. Innerlich hat er sich seitdem
kaum mehr verändert, wenn er auch zu anderen
Ausdrucksmitteln seiner Kunst griff, das Oelmalen
allmählich aufgab und sich auf die Zeichnung für
den Holzschnitt beschränkte.

Ludwig Richter ist das letzte schöne Geschenk,
das die deutsche Romantik den nachfolgenden Zeiten
hinterlassen hat. Unter romantischen Einflüssen ist
er zum Meister gereift. Eine gewisse Vorliebe für
den „altdeutschen Jüngling", den wir heute nur noch
belächeln, hat er nie verloren. Die meisten der
damaligen Ideale sind nicht mehr die unseren. Die
Grössen der Kunst und Dichtung, die dafür gekämpft
haben, zu denen auch Richter hinaufschaute, sind
arg zusammengeschrumpft und ihr Ruhm ist verblasst.
Auf Richter trifft das aber nicht zu, denn seine
Kunst enthält etwas, das nicht veralten kann, solange
deutsches Volkstum lebendig bleibt. In die
verschwiegenen Gründe unserer Volksseele hat
Ludwig Richter hineingeschaut und die zartesten
Saiten darin erklingen lassen. Wie ein gemaltes
Volkslied sieht alles aus, was er im glücklichen
Behagen, mit nie versagender Phantasie beinahe ein
Menschenalter hindurch geschaffen hat. Alle jene
Eigentümlichkeiten des deutschen Volksliedes erkennen
Wlr in seinen Zeichnungen wieder: ein reiches und

Ludwig Richter, Studie zur „Ueberfahrt am
Schreckenstein" (verkleinert).
Dresden, Königliches Kupferstichkabinet,

zartes Empfinden für Natur und Menschen, eine
leichte Gedämpftheit im Frohsinn wie im Schmerze.
Das Liebesleben umgiebt er mit einer keuschen
Schwärmerei, die nur ein Deutscher versteht, die
z. B. ein Romane so wenig nachempfinden kann,
dass er sie einfach für abgeschmackt halten muss.

Witzig ist Richter nie, aber voller Humor und
unschuldiger Schelmerei. Boshafte Karikaturen und
Geistreichigkeiten sucht man in seinen Blättern
vergebens, wohl aber liebt er es, eine Menge von
sinnigen Zügen anzubringen, die das Bild, auch
seinem Gedankeninhalt nach, bereichern. Im Aufspüren
von solchen intimen Dingen, über die der
flüchtige Beschauer hinwegsieht, sind die Kinder
unermüdlich, das dankbarste Publikum.

Unter seinen Werken beansprucht ein besonderes
Interesse das Gemälde der Ueberfahrt am Schreckenstein
(in der Dresdener Galerie), weil es den
entscheidenden Wendepunkt bezeichnet in der
inneren Entwickelung des Künstlers. Er selbst
schildert es uns, wie das Bild vor seiner Seele
entstand während jenes denkwürdigen Ausflugs ins
böhmische Mittelgebirge: „Nach Aussig zurückgekehrt,
zeichnete ich mehreres am Schreckenstein. Als ich
nach Sonnenuntergang noch am Ufer der Elbe
stand, dem Treiben der Schiffsleute zusehend, fiel
mir besonders der alte Fährmann auf, welcher die


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