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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0074
Ueberfahrt zu besorgen hatte. Das Boot, mit
Menschen und Tieren beladen, durchschnitt den
ruhigen Strom, in welchem sich der goldene Abendhimmel
spiegelte. So kam unter andern auch
einmal der Kahn herüber, mit Leuten bunt angefüllt,
unter denen ein alter Harfner sass, welcher statt des
Ueberfahrtskreuzers etwas auf der Harfe zum besten
gab." — Freilich dauerte es noch ein paar Jahre,
bis der Eindruck vollendete künstlerische Gestalt
gewonnen hatte. Das Gemälde, das mit der Jahrzahl
1837 bezeichnet ist, fand grossen Beifall und
wurde sogleich von Herrn von Quandt, dem Dresdner
Mäcen jener Zeit, erworben. Auch wir werden
heute seinen echten künstlerischen Gehalt nicht in
Frage ziehen. Anders steht es um seine rein
malerischen Qualitäten. Es wirkt für unser Empfinden
hart und bunt und enthält eigentlich nichts, was die
kleine Kompositionsstudie (vgl.Taf. 128) nicht ebensogut
oder besser sagte. Diese ist eine anspruchslose
Bleistiftzeichnung, mit Wasserfarben leicht getönt.
Die zarte Behandlung scheint am besten zu dem
sinnigen Inhalt des Bildes zu passen. In dem Kahn
sehen wir ein glückliches junges Paar, daneben steht ein
rüstiger Wandersmann, der, an seinen Stab gelehnt,
frisch hinaufschaut zu der alten Burg, vorn ein
verträumter Jüngling und ein spielendes Kind, ein
rüstiger Alter führt das Ruder, ihm gegenüber sitzt
im Kiel des Schiffes ein blinder Greis, der irgend
eine alte Mär in die Harfe singt. Ist es nicht ein
Abbild des ganzen Menschenlebens, das hier traumhaft
an uns vorübergleitet? — Ein wirkliches Erlebnis
hatte die Anregung abgegeben, bei seiner
künstlerischen Nachschöpfung hat Richter aber so
sehr den idealen Inhalt hervorgehoben, dass sein
Erlebnis sich beinahe als Symbol darstellt.

Einem Künstler, der so schafft, ist die Nachahmung
der Wirklickeit nur ein Mittel, nicht der
Zweck. Er bekennt es selbst, dass er für seine
„Ueberfahrt" nur ein paar flüchtige Skizzen nach
der Natur gezeichnet habe. Und so hat er es
immer gehalten. Das allermeiste von seinen Arbeiten
sind heitere Kinder der Phantasie, die von der Erscheinung
der Wirklichkeit nur die Anregung und
die wesentlichsten Linien entlehnen.

Es ist nur natürlich, dass solch einem Künstler die
Malerei, die in ihrer Farbigkeit von allen Künsten
den höchsten Anspruch auf Augentäuschung erhebt,
besondere Schwierigkeiten bereiten musste. So
vieles und gerade das Anmutigste, was er zu sagen
hatte, liess sich in einem Oelgemälde überhaupt

nicht ausdrücken. Sein eigentliches Gebiet war vielmehr
die Zeichnung. In ihr war im Grunde genommen
immer der Schöpfungsakt der Richterschen
Phantasie beschlossen gewesen. Ein ausgeführtes
Gemälde nahm sich nicht wie eine Ergänzung dazu
aus, sondern wie eine breitere Wiederholung. Es
hat lange gewährt, bis Richter dies selbst eingesehen
hat. Als Maler mochte er sich verpflichtet glauben,
Bilder zu malen. — Unwillkürlich fällt einem dabei
Albrecht Dürer ein, der sich auch an seinen Tafeln
mit saurem Schweiss und viel Verdruss so lange
mühte, bis er schliesslich im Unmut sich verschwor,
fürderhin statt dessen nur noch des Stechens zu
warten. Darin hat er denn auch seine schönsten
Lorberen geerntet. Und auch Ludwig Richter ist es
nicht anders ergangen.

Ein Kupferstecher war er freilich nicht. Diese
Kunst war zu seiner Zeit längst in die Hände der
Routiniers geraten. Auch in der Radierung hat er
die eigentümliche klassische Ausdrucksform dieser
Technik nie gefunden. Um den Holzschnitt erwarb
er sich dagegen ein unsterbliches Verdiest. Ihm ist
es zu danken, wenn die deutsche Buchillustration
nach mehrhundertjährigem Todesschlaf noch einmal
zu kurzer, prächtiger Blüte gedieh. Sein Verfahren
war auch hier meistens so, dass er zunächst in
leicht getönter Beistiftzeichnung das Bild entwarf,
um es dann eigenhändig noch einmal auf den Holzstock
zu zeichnen. Seine Illustrationen sind durchaus
klassisch in der Art, wie sie sich dem Text
äusserlich durch allerlei Rankenwerk verbinden und
seinen Inhalt mehr glossieren, als wiederholen. Er
fand glücklicherweise in Dresden eine ausgezeichnete
Holzschneideschule und den besten Interpreten in
seinem Schwiegersohn Gaber. Freilich wusste er
die Art seiner Zeichnung der Technik des Holzschnittes
aufs glücklichste anzupassen. Auch hier
leitete ihn sein feines Stilgefühl. Darin beruht sein
hoher Vorzug vor unserm andern grossen Illustrationszeichner
, vor Menzel, der mit seinen scharfen Federzeichnungen
dem Holzschneider um keines Haares
Breite entgegenkam.

Die Dresdener Holzschneideschule ist seitdem
längst verschwunden. Ihre Werke sind aus den
Kinderstuben in die Schränke der Sammler übergegangen
. Richters Wirksamkeit ist aber damit
doch nicht zu den Akten gelegt. Ein Zeugnis der
Unsterblichkeit, die sein Volk ihm zuerkennt, soll
das Denkmal sein, das seine Vaterstadt sich anschickt,
ihm zu errichten.

Gustav Pauli.

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