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formt und in Eisen gegossen. Eisen lässt sich in
dieser Weise giessen, das Zinn nicht. Das feine
Zinn verlangt eine ganz harte Form, die in Metall
oder Stein graviert sein muss; will Jemand das
Stück kopieren, so muss er danach eine neue Form
schneiden, was sehr mühsam und kostspielig ist.
Dabei stellen sich naturgemäss Abweichungen ein,
die bei einer mechanischen Kopie nicht vorkommen.
Aus der einmal geschaffenen Form lassen sich
viele Ausgüsse entnehmen, bis sie abgenutzt ist,
natürlich sind die frühesten Ausgüsse die schärfsten.
Im allgemeinen hat sich von Zinnarbeiten
des XVI. Jahrhunderts nicht allzu viel erhalten.
Zinn im täglichen Gebrauch nutzte sich bald ab
und verlor die Schönheit der Form, dann gab man
es einem Zinngiesser und Hess es in neue moderne
Formen giessen, solche
Zinngiesser wanderten mit
ihren Modellen im Lande
umher, diese Arbeit
kostete damals wenig im
Verhältnis zum Material.
So ging die alte Ware zu
Grunde. Wenn man sie
aufbewahrte, so musste
sie schon durch ihre Modellierung
besonders imponieren
, wie die erwähnte
Schüssel.
Auf der Rückseite
jeder Schüssel befindet sich
das Medaillonbild des Ver-
fertigers mit der Umschrift
Francois Briot
sculpebat
als Mahnruf, dass man es
nicht mit einem Zinngiesser zu thun hat, sondern
mit einem Bildner, der „sculpebat" sagen durfte.
Als man nun in unserm Jahrhunderte die Werke
der Renaissance zu sammeln begann, fanden sich
unter den Wiederholungen der Schüssel einige,
welche zwar das Bild des Verfertigers an derselben
Stelle zeigten, aber statt des jugendlichen Franzosen
mit dem Knebelbart erschien hier ein ältlicher deutscher
Künstler mit Vollbart und der ausführlichen
Umschrift
Gasbar Enderlein sculpebat.
Dementsprechend auch auf der Vorderseite und auf
der Kanne F. B. und C. E., letzteres mit der Jahreszahl
1611.
Wer war nun der Verfertiger? Einer von
beiden hatte das Werk des andern schlankweg
kopiert, man meinte früher sogar — ohne hinreichende
Prüfung der Technik und der Formen —
einfach nachgegossen. Die Frage wurde von beiden
Mittelbild von Enderleins Taufschüssel
Seiten etwas patriotisch behandelt, Francois Briot
wurde von den Franzosen, Caspar Enderlein von
den Deutschen verteidigt. Schliesslich sind beide
halbwegs Schweizer. Francois Briot gehört nach
Besancon und Montbeliard, dem alten halbschweizerischen
Mümpelgard, Enderlein ist Schweizer von Geburt
, aber in Nürnberg als Meister ansässig. Derjenige
, der nachgebildet hat, ist Enderlein. Ich habe
dies 1889 im Jahrbuch der preussischen Kunstsammlungen
nachgewiesen.
Nach der Komposition allein könnte man weder
auf Frankreich noch Deutschland raten, sie bewegt
sich in den Formen, welche um 1600, von Italien
herstammend, allen Kulturvölkern gemeinsam waren.
Kanne und Schüssel sind ursprünglich als Waschgerät
komponiert. Im sechzehnten Jahrhundert kam
der Gebrauch der Gabel
bei Tische eben erst auf,
man ass bis dahin mit den
Fingern, und es war un-
erlässlich, ehe man vom
Tisch aufstand, die Hände
zu waschen. Dies geschah
durch Uebergiessen, indem
ein Diener mit Kanne
und Schale die Runde
machte. Diese Stücke waren
dem Auge sehr nahe gerückt
und daher in Material
und Form reich gestaltet.
Als im Lauf des siebzehnten
Jahrhunderts die Gabel
allgemein in Gebrauch
kam, verlor das Waschgerät
seine Bedeutung, die
wertvollen silbernenStücke
wanderten nicht selten als Geschenk an die Kirchen,
wo sie sich als Taufgerät bis heute erhalten haben.
Unsere Zeit pflegt solche Kannen und Schalen zunächst
immer als Taufgerät anzusehen. Die Briot-
kanne hat denselben Weg durchzumachen gehabt.
Das Hauptstück ist übrigens die Schüssel, die
man der Mittelfigur zu Liebe als Temperantiaschüssel
bezeichnet. Wir gehen in unserer Zeit davon aus,
dass in der Mitte das Wichtigste sein muss. Hier
stimmt dies nicht. Dieser mittlere Buckel dient zur
Aufnahme der Kanne, ist also gewöhnlich bedeckt
und enthält ein nebensächliches Bild. Wie sich
unmerklich alle Anschauungen, die man für selbstverständlich
hält, verschieben! Die weibliche Figur
des betreffenden Medaillons hält in der rechten Hand
eine Trinkschale, in der linken eine Kanne. Wir
würden hierin eine Aulforderung zum Trinken erblicken
, aber — wieder einmal eine Verschiebung!
— Mittelalter und Renaissance verstanden es, dass
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