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man Wasser zum Wein zu giessen habe. Die beigesetzte
Inschrift Temperantia hebt jeden Zweifel.
Kanne und Schüssel enthalten, durchweg in
leichtem Relief dargestellt, eine Art von geistigem
Universum, auf der Kanne die drei Kardinaltugenden,
auf dem Boden die vier Elemente, auf dem Rande
die sieben freien Künste mit Minerva als Leiterin,
alle diese idealen Grundbegriffe ausgestattet mit
einer Fülle mythologischer, allegorischer, symbolischer
Beziehungen, die hinreichen würden, jede
Kunstfreude zu ersticken, die aber hier mit ausgezeichnetem
Geschmack den Hauptformen untergeordnet
sind.
Die meisten Beschauer, selbst wenn sie Nachbildungen
im eignen Besitz haben, bemerken kaum,
wie hier jedes Detail seine Bedeutung hat, und doch
ist alles so geistreich und anmutig erfunden, dass
es wohl lohnt, mit liebender Aufmerksamkeit dabei
zu verweilen.
Den eigentlichen Grundton geben auf der
Schüssel die vier Elemente in dengrossen ovalen
Feldern des Grundes. Jedes ist mit Inschrift bezeichnet
. Da haben wir zuerst TERRA, die Erde,
eine Art von Ceres, zwischen Blumen und Früchten
hingelagert, mit weitem Ausblick auf Felder mit
Schnittern und auf jagdreiche Gründe. Auch AQUA,
das Wasser, ist ein stolzes nacktes Weib in der Art
antiker Quellgöttinnen, sie sitzt vor rauschendem
Schilf, den Arm auf die strömende Urne gelegt, mit
dem Ruder in der Rechten, ein Delphin ihr zu Füssen,
hinten weite Aussicht auf das Meer mit Schiffen
und fernen Küsten, vom Himmel strömt Regen hernieder
. AER, die Luft, hat als Symbol den fliegenden
Merkur, Wandervögel ziehen mit ihm dahin, die
hüglige Landschaft wird von einer Windmühle gekrönt
. IGNIS, das Feuer, ist ein antiker Kriegsgott
mit Schwert und Blitzen, ein Salamander — das
Tier, das in den Flammen lebt — windet sich zu
seinen Füssen, in der Landschaft flammen Tempel
und Altäre.
In den acht kleinen Feldern sind die freien
Künste als Frauen in leichter antiker Tracht dargestellt
, auch hier mit einer Fülle von Beiwerk, das
aber von den schönen, frei hingestreckten Gestalten
völlig beherrscht wird. In diesem Beiwerk lebt die
spielende Symbolik der Zeit, die Rhetorica trägt
das Herz auf der Hand, die Dialectica führt ein
Bund Schlüssel, die alles erschliessen, die Arith-
metica hat Zahlentafeln, Uhren und Messband und
so weiter die Astrologie, Musica, Grammatica,
Geometria und schliesslich Minerva mit Buch und
Eule.
In der Gestaltung dieser Figuren war der erfindenden
Kunst nur ein mässiger Spielraum gegeben
, aber die Astrologie, die lang hingestreckt
schwärmerisch nach oben schaut, die jugendlich
zarte Musica, die vor dem Notenblatte kniet, die
Rhetorica in ergreifender Bewegung, das sind doch
keine leeren Schemen.
Völlig frei und ganz besonders reizvoll ist nun
die Erfindung des Ornaments, das sich zwischen
die ovalen Felder legt. Man glaubt die herkömmlichen
Masken, Hermen u. s. w. zu sehen, aber bei
näherer Betrachtung erweist sich alles voll zierlichster
Bedeutsamkeit. Die Herme neben der Erde
ist eine volle Frauengestalt, die sich mit bezeichnender
Bewegung an die Alles nährenden Brüste greift, ihr
Kopfschmuck sind Aehren, ihr Sockel Wurzelwerk.
Die Herme neben dem Wasser hat den Kopf eines
Meerungetüms, Krebse und Fische dienen als Behang
, aus dem Sockel ringeln sich Fischschwänze.
Die Herme neben der Luft hat Flügel und Vogelkrallen
und ein Blasebalggesicht, die neben dem
Feuer ist eine jugendliche Allegorie des Lichtes
mit Kerzen, denen Mücken zufliegen.
Diese Formensprache setzt sich nun weiter fort
in den äusseren Rand zwischen den Feldern der
Wissenschaften. Ueber dem Schild jedes Elements
ist eine bezügliche Maske und rechts in dem an-
stossenden Intervall bezügliches Ornament. Ueber
der Erde ein Matronenkopf mit Aehren und daneben
Garben, Früchte und Waldestiere. Ueber
dem Wasser ein Ungetüm mit Schilfkolben als
Haaren, daneben Schilf- und Wasserschlangen.
Ueber der Luft ein pausbäckiger Kinderkopf, wie
man die Winde darstellt, und Vögel. Ueber dem
Feuer ein Gorgonenhaupt und geflügelte Pferde.
Welch' eine Fülle sinnreichster Bezüge und
liebevollster Arbeit, aber dabei alles in festem
Rhythmus den Hauptlinien untergeordnet.
Die Kanne ist vortrefflich in Form und
Modellirung, bleibt aber in der Erfindung hinter
der Schüssel weit zurück. Die Masken unter dem'
Ausguss und am Henkel, die Hermenfigur, die sich
über den Henkel hinstreckt, sind ausgezeichnet.
Am Bauch sind drei ovale Felder mit weiblichen
allegorischen Figuren: „Glaube" sitzend auf
einem Kreuz, in der Rechten das Buch haltend,
im Hintergrund eine voll strahlende Sonne und
Tempel mit Flammen und Kränzen; die „Hoffnung"
knieend, mit dem Blick nach oben, auf einem grossen
Anker am Rande des Meeres; die „Liebe" als junge
Mutter mit Kindern, in den Händen Herz und Füllhorn
. Das dazwischen liegende Ornamentenwerk,
ebenso die Ornamente am obern und untern Teil,
sind sehr elegant, aber herkömmlich, Arabeskenwerk
"mit Halbfiguren und Masken, die sich je dreimal
wiederholen, ohne irgend welchen Bezug auf
die bildlichen Darstellungen. Wäre die Kanne nicht
mit dem F. B. bezeichnet, würde man kaum glauben,
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