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typischer Bildung geschaffen hat: in seinem Georg,
im hl. Ludwig, im Johannes dem Täufer und der
hl. Magdalena, in seinen Madonnen und seinen Putten,
so geht andererseits Luca mit derselben Gewissenhaftigkeit
wie Donatello in allen seinen Werken auf
die Natur zurück, gerade wie die grossen Meister
der griechischen Kunst: jede Form, jede Bewegung,
jede Falte beruht auf reichster, feinster Beobachtung,
aber diese ist mit jenem eigenen, echt antiken
Schönheitsgefühl gepaart, das die Form zu adeln,
das Detail dem Ganzen unterzuordnen und vom Zufälligen
abzusehen versteht, das in der schönen Form
nur den Ausdruck edler Empfindung, gesammelter
Stimmung giebt. Nur selten werden wir daher
bestimmte Modelle in seinen Gestalten erkennen,
aber zu Grunde liegen sie doch fast allen seinen
Arbeiten, wie eine Zusammenstellung derselben (soweit
sie ihm wirklich angehören) nach den gleichen
Darstellungen überzeugend darthut. In den Marien
sind eine Reihe schöner Jungfrauengestalten, in
den Christkindern und Engeln eine Fülle der köstlichsten
Kindergestalten in ihren Eigenheiten, ihren
Empfindungen, wie nach Form und Bewegung gleich
fein und scharf beobachtet; die Figuren der Heiligen,
der Frauen wie der Männer, sind kaum weniger
mannigfach und edel in Charakteristik und Bildung.
Ausnahmsweise giebt Luca auch einmal das Modell
mit seinen kleinen zufälligen Eigenheiten. So in
dem grossen bemalten Thonrelief der Madonna mit
dem Kinde im Berliner Museum. Dass sich der
Christusknabe durch seine sprechende Aehnlichkeit
als Kind des Modells zu erkennen giebt, welches
der Künstler für die Maria benutzte, beobachten
wir fast an allen seinen Madonnen; aber hier erkennen
wir an der Bildung von Nase, Oberlippe
und Mund und an der Art, wie der Mund leicht
geöffnet ist, dass Mutter und Kind an dem gleichen
Uebel, an Stockschnupfen leiden. So charakteristisch
und schön die ganze Anordnung, Gewandung und
die Bildung der Gestalten ist, so wenig hat hier der
Künstler diese zufällige Eigentümlichkeit seiner Modelle
verleugnet, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit
.
Von porträtartiger Individualität sind unter
Lucas Werken die Köpfe der beiden knieenden
Chorknaben mit Kandelabern in den Händen, die
in der neuen Sakristei des Doms zu Florenz aufbewahrt
werden. Gradezu Porträt ist der Kopf des
hl. Dominicus an dem Lünettenrelief über dem Eingang
zu S. Domenico in Urbino, einer mit jenen
Kandelabern fast gleichzeitig entstandenen Arbeit;
inmitten der übrigen Mönchsheiligen erscheint hier
der Porträtcharakter besonders auffällig. Der edle
Kopf ist noch frischer und individueller gehalten
als in der liegenden Grabfigur des Bischofs Fede-
righi, in welcher Luca nach einer beim Tode hergestellten
Maske arbeiten musste. Porträtartigen
Charakter, freilich bei genreartiger Auffassuug, tragen
auch die Köpfe, welche an den Ecken des Reliefs
der Bronzethür im Dom zu Florenz angebracht sind;
eine Reihe derselben sind lebensvolle Bildnisse
scharf ausgeprägter Persönlichkeiten.
Wenn wir so innerhalb der bekannten Werke
Lucas das Hervortreten stärkerer Individualität und
selbst die Wiedergabe reiner Porträts verfolgen
können, so liegt die Frage nahe, ob nicht auch
Porträts von seiner Hand erhalten sind. Es sind ja
verschiedene Büsten vorhanden, die schon als glasierte
Thonarbeiten von einem der Mitglieder der Familie
della Robbia herrühren müssen; diese lassen sich in
der That gerade als Werke des Luca bestimmen.
Eine dieser Büsten ist erst seit kurzem bekannt:
das Brustbild eines Jünglings in Hochrelief, der
Kopf beinahe frei, auf blauem Grunde und rund abschliessend
, statt des ursprünglichen Fruchtkranzes
jetzt eingelassen in einen Holzrahmen von sehr
pikanten Uebergangsformen aus der Gotik zur Renaissance
(Taf. 138). Das Relief wurde erst bekannt,
als es vor etwa fünf Jahren in Paris zum Verkauf
ausgeboten wurde, damals gleich unter dem Namen
des Luca della Robbia. Diese Bezeichnung scheint
mir durchaus zutreffend, wenn auch auf den ersten
Blick die Verwandtschaft mit Verrocchios und Leonardos
Jünglingsköpfen an eine frühe Arbeit von
dem durch Verrocchio beeinflussten Andrea della
Robbia denken lässt. Gegen diesen würde aber schon
die farbige Bemalung sprechen: der Mantel ist rötlich
violett mit grünem Futter, der Panzer darunter
ist stahlblau; diese Farben wie die Art der Bemalung
der braunen Augen und Augenbrauen finden wir bei
Lucas Evangelisten in der Cappella Pazzi und an
andern farbigen Arbeiten von seiner Hand. Lucas Art
verrät sich vor allem in der feinen Modellierung dieses
herrlichen Jünglingskopfes, in der Zeichnung aller
Details von dem schöngeschvvungenen Mund mit
vollen Lippen, dem kräftigen Kinn, den fein bewegten
Nasenflügeln und den hoch gewölbten Augenbrauen
über den mandelförmigen schönen Augen bis
zu den mit grösstem Geschmack und mit so feiner
Selbstverleugnung geordneten Locken des dichten
Haares, dass nur die Zufälligkeit üppiger Natur
darin zur Erscheinung zu kommen scheint. In
allen diesen Zügen stimmt diese Büste mit den
Köpfen der beiden leuchterhaltenden Chorknaben
im Dom vollständig überein. Neben einer so grossen
freien Aulfassung der Natur erscheinen die
ähnlichen jugendlichen Köpfe Andreas in seinen
besten Werken, wie beim Engel der Verkündigung
in Verna und im Hospital der Innocenti zu Florenz,
bei der Statue des Engels Gabriel in der Osservanza
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