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schiedener Handlung ruhig dastehend gebildet sind. Einige
sind mit der Ordnung ihres Gewandes beschäftigt, so auch die
hier abgebildete, in deren einfacher, feiner, anmutiger Erscheinung
wir das Bild der Frauenschönheit recht deutlich vor
Augen sehen, wie es die ältere griechische Kunst, alle Aufdringlichkeit
scheuend, gesucht und ausgebildet hat.
70. Pettenkofen: Rastende Zigeuner. August von Petten-
kofen ist von den älteren Wiener Malern der einzige, der in
das neue Oesterreich vormärzliche Eigenschaften mit hinübergenommen
hat. Im alten Wien war Dichtern und Künstlern
die feine Kunst des Erzählens geläufig. Pettenkofen ist einer
der lockendsten österreichischen Erzähler, er aber, und er allein
unter den malenden Landsleuten, erzählt nur mit malerischen
Mitteln. Unvermittelt kommt er auf, man kann nicht sagen,
dass er der Wiener Schule viel verdankt. So selbständig
blieb er Zeit seines Lebens. Auch ein längerer Aufenthalt in
Paris im Anfang der 5oer Jahre vermochte ihn nicht zu ändern,
hat ihm nur wenig zugegeben. — Die ruhenden Zigeuner
können als gute Probe seiner Bilder gelten, in denen er gern
das einfache Leben der ungarischen Ebene zur Darstellung
bringt. Die Erzählung der einzelnen Vorgänge ist mit traulicher
Wahrhaftigkeit gegeben. Sie bleibt von allem Pathos
und aller aufdringlichen Charakterisierung erfreulich fern. Die
Figuren sind, wie immer auf seinen Bildern dieser Art, im
besten Sinn Staffage. ' Auch die Färbung ist auf dem kleinen
Bilde bemerkenswert einfach, graue und braune Töne herrschen
vor. Bei anderen, bewegteren Darstellungen ist er weit bunter.
71/72. Giov. da Bologna: Der Raub der Sabinerinnen. Die
Gruppe stellt den bekannten Vorgang aus der römischen Geschichte
so dar: ein Römer hat' die hilflos sich sträubende
Sabinerin geraubt und setzt mit seiner wehrlosen Beute kühn
über den zu Boden geworfenen Sabiner hinweg. — Auf Befehl
des Grossherzogs von Toskana, Franz I. Medici, wurde der
Marmor unter den ersten der 3 grossen Frontbogen der Loggia
dei Lanzi in Florenz aufgestellt, nachdem Donatello's Judith,
die seit i5o4 diesen Platz eingenommen hatte, unter einen seitlichen
Bogen verwiesen worden war. Am 14. Januar 1583
wurde das Werk enthüllt und fand selbst bei den kritischen,
immer spottlustigen Florentinern uneingeschränktes Lob. Noch
in demselben Jahr erschien ein Sammelband all der Lobsprüche,
mit denen versgewandte Federhelden das Werk bedacht hatten.
In neuester Zeit ist es gelungen, den ersten Gedanken für die
Komposition in einer Bronze in Neapel nachzuweisen. In dieser
Bronze fehlt der zu Boden geworfene Sabiner, der im Marmor
vornehmlich die Last zu stützen hat, wodurch das Motiv an
Eindringlichkeit nicht wenig gewinnt.
73. Raftael: Bildnis des Papstes Leo X. Als die Verkörperung
vornehmster Repräsentation und edler, aufs höchste gesteigerter
Genussfähigkeit schildert Raffael den ersten Medici
auf dem päpstlichen Thron, jenen Papst, mit dessen Namen „die
Nachwelt ein Jahrhundert und eine grosse Entwicklung der
Menschheit bezeichnet" hat. Zwei mächtige Vertreter der
römischen Kirche stehen ihm zur Seite, seine Neffen, die Kardinäle
Lodovico de' Rossi und Giulio de' Medici, der spätere
Clemens VII. Mit grosser Kunst ist die Pracht des Beiwerks
zur Charakteristik herangezogen. Durch die feintönige Vereinigung
des vierfachen Rot in Kleidern und Decke und die
grosse Architektur des Hintergrundes, die heute nicht mehr
ganz zur Geltung kommt, wurde eine prunkvolle Wirkung
erreicht, die mit der Bedeutung des Dargestellten harmoniert.
74. Giov. Bellini : Venus. In der venezianischen Akademie
werden fünf kleine Täfelchen bewahrt, welche, heisst es, zu einem
Möbelstück —■ vermutlich einer Truhe (Cassone) — gehörten.
Die fünf Bildchen, welche der Spätzeit Bellinis angehören, behandeln
Allegorien, deren Sinn uns nicht durchaus verständlich
ist : eine könnte man als Glück deuten, eine andere als Wahrheit
. Wie sie gegenständlich uns den Meister von einer neuen
Seite kennen lehren, so überraschen sie auch durch die Darstellung
als solche; auch wer Bellini wohl kennt, hätte ihm
diese Leistungen nicht zugetraut. Unser Bild ist unstreitbar
das schönste der Serie; so klein der Raum ist, den es umfasst,
so wirkt es gross in der Conception. Als Göttin der Liebe
mag man am ehesten die Frauengestalt verstehen, die auf dem
Nachen, den kein äusseres Werkzeug vorwärtstreibt, dahinfährt:
der Wind, der das Wasser leicht kräuselt, bläht ihr Gewand,
dass es wie ein Segel sich weitet. Sinnend legt sie ihre Rechte
auf die Kugel, welche, trotz ihrer Grösse, ein Putto allein zu
tragen vermag, mit der Linken umfasst sie Putten, deren einer
sich in ihrem Schoss birgt. Ein geflügelter Putto vorn bläst
auf der Doppelflöte, ihren Ruhm verkündend, und wieder
andere umspielen schwimmend das Boot. Die Natur selbst
zeigt sich in der lieblichsten Stunde. Es ist wohl die Allgewalt
der Liebe, die hier verstanden werden darf.
75176. Rubens: Die Kreuzabnahme. Im Querschiffe der Frauenkirche
, der Kathedrale, zu Antwerpen hängen als Gegenstücke
die viel bewunderten Meisterwerke aus Rubens' erster Blütezeit,
die beiden gewaltigen Flügelaltäre, deren Mittelbilder die Aufrichtung
des Kreuzes und die Kreuzabnahme darstellen. Die
Flügel der Kreuzabnahme zeigen auf der Innenseite die Heimsuchung
und die Darreichung im Tempel, auf der Aussenseite
den hl. Christopherus. (Der diesen vier Darstellungen gemeinsame
Gegenstand ist: „Christus getragen", eine recht äusserliche
und frostige Beziehung.) Zwischen 1610 und 1615 entstanden
— 1608 erst war der Meister aus Italien zurückgekehrt —
zeigen jene Werke einige Eigenschaften der Rubensschen Kunst
auf der Höhe, auf einer nicht wieder erreichten Höhe, nämlich
die dramatische Energie und den grossen Stil in der Anordnung
. Die heute freilich höher geschätzten, oder doch
mehr geliebten Eigenschaften des vlämischen Grossmeisters, der
Zauber des Lichtes, der Reiz der Färbung und die kühne
Freiheit der Pinselführung, kamen erst im letzten Jahrzehnt
seiner Wirksamkeit zur vollen Entwickelung. Als Rubens auf
der Kreuzabnahme die Figuren so gewaltig und so glücklich um
den herabgleitenden Leib Christi gruppierte, lebte in ihm vielleicht
eine römische Erinnerung, die Erinnerung an Daniele da
Volterras' Kreuzabnahme in Sta. Trinita de' Monti. Jedenfalls
war der Geist der italienischen Hochrenaissance ihm noch
nahe. — Da die photographische Aufnalime des Gemäldes in
der Kathedrale für unsere Reproduktion keine geeignete
Grundlage bot, haben wir die sehr genaue eigenhändige
Wiederholung der Kreuzabnahme, die sich im Museum \u
Antwerpen befindet (auf Hol$, h. 1.25, br. o.gzj, abgebildet.
77. Reliefs vom Ludovisischen Thron. Die beiden Reliefs
bilden zusammen mit einem dritten grösseren, aber leider nicht
unversehrt erhaltenen die Lehne eines Marmorthrones. Die Rückseite
der Lehne schmückt das schwer zu erklärende Bild einer
nur bis zu den Hüften sichtbaren, wie aus dem Boden aufsteigenden
Frau, der zwei Genossinnen helfend zur Seite stehen.
Zu den beiden Seiten schliessen sich die beiden sitzenden Einzelfiguren
an, ein nacktes Mädchen die Doppelflöte blasend und
gegenüber eine züchtig Verhüllte, die aus einer Büchse Weihrauchkörner
nimmt und auf ein vor ihr stehendes Räuchergerät
legt, zwei Figuren, bei deren Betrachtung man über der
natürlichen Unbefangenheit der Auffassung, über der Anmut
und Zartheit und Frische der Darstellung die Frage vergisst,
was sie bedeuten mögen. Die Thronlehne (aus dem Anfang
des V. Jahrh. v. Chr.) gehört zu den feinsten Werken der älteren
griechischen Kunst, die wir kennen. Sie ist im Sommer 1887
in Rom in der Villa Ludovisi gefunden.
78. Schlüter: Der Grosse Kurfürst (Gipsabguss des Kopfes).
Der energische Ausdruck des Antlitzes, das aus der das Haupt
umwallenden Lockenperücke hervorschaut, springt besonders
deutlich in die Augen. Er ist wie der Blick des Feldherrn, der
vor Beginn des Kampfes die Heerschau über die Seinen abhält.
Der Kopf ist mit halber Wendung nach links gekehrt. Willensstärke
, Selbstvertrauen und jene höchste Entschlossenheit, die
das für richtig Befundene unbeirrt verfolgt, malen sich in den
Zügen des Fürsten. Es sind auch die Charakterzüge, die dem
Begründer der Preussischen Monarchie die Wege geebnet haben.
79. Spitzweg : Ein Hypochonder. Ein alter Junggeselle hat
am frühen Morgen vorsichtig sein Dachfenster geöffnet und sieht
nach der Witterung, mehr gegen die Tiefe zu bemerkt man in
dem Dachfenster eines anderen Hauses eine arme Nähterin, die
schon fleissig beim Schein ihrer Lampe arbeitet, während das
Frühlicht über die Dächer fällt, um nun langsam in die engen
Gassen hinunter zu dringen. Zwischen den beiden Menschen
scheint der Maler ein platonisches Verhältnis andeuten zu
wollen, aber das lustige Histörchen ist ihm nicht alles. Die
Morgenstimmung ist mit dem Feingefühl eines modernen Lichtmalers
geschildert und die liebevolle Kunst, mit der das Ein- 1
heimelnde einer kleinstädtischen Umgebung geschildert ist,
hebt das Spiessbürgertum über das Alltägliche hinaus und
lässt es uns poetisch verklärt entgegentreten, wie in den
Holzschnitten von Ludwig Richter oder in Goethe's Hermann und
Dorothea.
80. Bernini: David. Der David ist ein Werk des noch nicht
achtzehnjährigen Künstlers. Der junge Held ist im Begriff, die
Schwungkraft der Schleuder noch durch eine Drehung des
Körpers zu verstärken. Das rechte Bein steht fest, das linke
berührt nur mit der Fussspitze den Boden. Die linke Seite des
Oberkörpers ist herausgedreht, so dass der linke Arm, nach der
Schleuder in der rechten Hand fassend, die Brust überschneidet.
Der Kraftstrom erscheint mit dieser Bewegung geschlossen. An
einer Draperie ist die Hirtentasche aus Fell befestigt. Zwischen
den Beinen erscheint ein Schuppenpanzer und eine liegende
Harfe mit Bandelier. f§|p W*««
81. Raffael: La Velata."" Das" Bildnis^der „Velata" (der Dame
mit dem Schleier) beschäftigt die Phantasie um so mehr, je
seltener Raffaels Werke sonst von Selbsterlebtem erzählen. Hier
ist die ganze Erscheinung erlebt und persönlich empfunden bis
in die Haarsträhne, die über die klare Stirn fällt; einzig vom
Geschmack des Malers bestimmt ist Kleid und Schmuck, aus
deren Glanz die Schönheit nur noch leuchtender strahlt. Es ist
die Frau, deren Züge ihm vorschwebten, als er die Sixtina und
die Magdalena im Cäcilienbilde schuf.
82. 83. Bernini: Grabmal des Papstes Urban VIII. (1646
voll.). Auf einer Stufe des Sockels steht der Sarkophag, dessen
Deckel die Form eines unterbrochenen Segmentgiebels zeigt. Die
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