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von der Südseite, die in Einzelgruppen eine Schilderung des
Kampfes der Kentauren und Lapithen bei der Hochzeit des
Peirithoos geben. Stilistisch erscheinen die Metopen etwas altertümlicher
als die Sculpturen der Giebel und die Friesreliefs des
Tempels (vergl. die Abb. S. 2 ff. und Taf. 5), sie sind früher
gearbeitet als diese. (Die zu der abgeb. Metope gehörigen
Köpfe befinden sich in .der Kopenhagener Antikensammlung.)
94j95. Velazquez: Die Übergabe von Breda. Die Belagerung
von Breda, während welcher nach Justi „die Augen der Welt
auf diesen Punkt gerichtet waren", endete mit der Kapitulation
der brabantischen Festung. Der holländischen Besatzung wurde
der ehrenvollste Abzug zugestanden. Am 5. Juni 1625 erfolgte
die Übergabe der Schlüssel. Diesen Moment hat Velazquez in
dem Bilde festgehalten, das er allem Anschein nach schon in
den dreissiger Jahren für das Kgl. Lustschloss Buen Retiro
malte. Links stehen die Holländer. Aus ihrer Mitte tritt der
Kommandant der Festung Justus von Nassau und reicht mit
leichter Beugung des Oberkörpers dem spanischen Feldherrn
den Schlüssel dar. Die feinen und vornehmen Züge des genuesischen
Condottiere Marquis von Spinola sind uns aus den
Bildnissen von Miereveldt, Rubens und Van Dyck bekannt. Velazquez
aber hat ihnen eine psychologische Beredsamkeit verliehen
, dass man die zart gewählten Worte der Anerkennung zu
hören meint, mit denen der humane Italiener seinen besiegten
Gegner zu trösten sucht. Die Bewegung des rechten Armes,
die Haltung des schlanken Körpers, das leicht geneigte entblösste
Haupt bringen das Wesen des Mannes und den Inhalt des Momentes
zu unmittelbarstem Ausdruck. Im Gefolge Spinolas
sieht man die Charakterköpfe spanischer Granden. Hinter ihnen
starrt als Wahrzeichen der spanischen Macht ein Wald von
Lanzenschäften, der dem Bilde seinen populären Namen „las
lanzas" eintrug. Voll beleuchtet marschiert im Mittelgrund die
abziehende Besatzung vorüber. Weiterhin dehnt sich im Pulverdampf
die bläulichgrüne Landschaft mit den Erdwerken der
Belagerer. . Man braucht nicht an die Puppenkomödien der
modernen offiziellen Malerei zu denken, um in diesem einzigen
Historienbild des Velazquez das Meisterwerk der ganzen Gattung
zu bewundern.
96. Donatello: David, Marmorstatue. Der Marmor-David, wie
die Figur zum Unterschiede von dem Bronzebildwerk des gleichen
Gegenstandes (Taf. 102) kurzweg genannt wird, gehört zu Donatellos
Erstlingen. Seit 1408 von der Signoria bestellt und in der
Dombauhütte entstanden, wurde das Werk durch Dekret vom 2. Juli
1416 in das Florentiner Stadthaus überführt, für das es von Anfang
an bestimmt war. Erst in neuerer Zeit wanderte der David
von dort in den Bargello, wo er im Donatellosaale des Meisters
Jugendstil vornehmlich kennzeichnet. In der hohen Kopfform,
mit der kleinen Nase und dem kleinen Munde, dem noch etwas
blöden Blick, mit dem starken Knick in der Hüfte, den gestreckten
Verhältnissen und der gewundenen Körperlinie erinnert
die Arbeit noch an das gotische Kunstideal. Die Schärfe der
Marmorbehandlung weist auf Donatellos Lehrzeit in der Werkstatt
des Bronzebildners Ghiberti. Von äusserster Wichtigkeit
für die Komposition ist der heute fehlende Metallriemen, der
von der Hand zur Schleudertasche reichte: er durchschnitt die
jetzt ziemlich eintönig über das rechte Bein herabhängende
grosse Mantelfalte.
97. Hans Holbein: Anna von Cleve, Königin von England
. Das Gemälde ist im Sommer 153g auf einem der
Schlösser des Herzogs von Cleve entstanden. Holbein war vom
König dahingesandt worden, um die Prinzessin zu malen, weil
sie von dem damals allmächtigen Minister Cromwell zur Königin
auserkoren worden war, und der Sage nach soll der Reiz dieses
Bildes den Herrscher endgiltig bestimmt haben, die Dame zu
heiraten, deren er so bald wieder überdrüssig wurde. In Wirklichkeit
hat aber der Künstler der hier Dargestellten ebenso
wenig wie sonst jemand geschmeichelt; gut gewachsen, gesund
und von regelmässigen Zügen, aber phlegmatisch und reizlos,
wie sie denn auch sehr engherzig erzogen war, erscheint sie
auf dem Bilde. Die Farben sind allerdings auffallend prächtig,
der Hintergrund ist tiefgrün, davon hebt sich ein Gewand
und ein Kopfputz von rotem Sammt ab, der überreich mit
Goldstickerei und Juwelen bedeckt ist, und dies Gold und Rot
rahmt ein blondes Gesicht ein. Trotzdem ist der Gesamtton
kühl wie bei allen Gemälden aus Holbeins letzten Lebensjahren,
und wie oft in dieser Zeit wird auch hier wieder durch die
direkteVorderansicht der Eindruck unerbittlicher Sachlichkeit
erhöht.
98/99. Tizian: Die Himmelfahrt Maria. In diesem Bild hat
Tizian die ganze Kraft seines Könnens bewiesen. Mit feiner
künstlerischer Erwägung — das Werk war bestimmt, aus grosser
Entfernung gesehen zu werden, — hat der Meister die um den
leeren Sarkophag versammelten Apostel überlebensgross dargestellt
. Voll Staunen sehen sie das Wunder sich vollziehen,
mit lebhaften Gesten geben sie ihren Anteil zu erkennen; als
möchten sie der Jungfrau folgen, recken sie die Arme empor.
Auf einer dicht geballten Wolkenschicht, die von Engeln getragen
wird, schwebt Maria empor. Ihr Leib, in prachtvolles Rot und
Blau gehüllt, hebt sich weithin sichtbar ab von dem strahlenden
Farbenglanz des Himmels. Aufs feinste hat C. F. Meyer den
Gesamteindruck des Bildes zusammenfassend geschildert:
„Wo über einem Sturm von Armen sich
Die Jungfrau feurig in den Himmel hebt".
100. Mieris: Der Kavalier bei der Seidenhändlerin.
Frans van Mieris gehört mit seinem Lehrer Dou zu jenen
holländischen Malern, die bei der grossen Umwertung in den
letzten Jahrzehnten an Ansehen verloren haben. Wir bringen
eines seiner besten Gemälde, eine frühe Arbeit, die er als
25 jähriger ausführte. Damals war Mieris der guten Tradition
noch relativ nah. Sein Lehrer Dou war Rembrandts Schüler
gewesen. Die Virtuosität der Durchführung in unserem Bilde
ist erstaunlich, die Auffassung aber erscheint ein wenig vulgär
und ein wenig süsslich. Das Scherzhafte ist gar zu deutlich
gemacht, und denken wir vergleichend an die vornehme Zurückhaltung
, mit der Terborch in derselben Zeit ähnliche Genre-
scenen darstellt, so wird ein Mangel an feinerem Empfinden
offenbar.
101. Botticelli: Die Verlassene. (Rom, Sammlung Palla-
vicini). Vor dem Thoreingang eines mächtigen Palastes, dessen
innere Thürflügel fest verschlossen sind, sitzt auf niederer
Steinbank ■— wie sie die Florentiner Bauten des XV. Jahrhunderts
gewöhnlich umgeben — ein Weib. Ihr Gewand liegt
zerrissen am Boden, und kaum verhüllt ein Leinenhemd ihre
Glieder. Wie von unendlichen Schmerzen bewegt, hat sie die
Hände vors Gesicht geschlagen, ihr Körper, meinen wir, bebt
von heftigem Schluchzen; sie weint bitterlich. Es giebt kaum
ein Bild in der gesamten Kunst des Quattrocento, das so, wie
dieses, unsere Phantasie anregt. Das tragische Ende einer Geschichte
voll Liebe und Leidenschaft, können wir denken, hat
unmittelbar den Künstler inspiriert; dann würden wir in diesem
Bild ein Unikum besitzen. Aus der gleichzeitigen Novellen-
litteratur ist der Stoff des Werkes noch nicht nachgewiesen,
und in der Bibel, die ja meist den Inhalt der Kunstdarstellungen
in jener Zeit bestimmt, findet man nur eine im Buch der
Richter (19, 2 5 und ff.) erzählte Geschichte, welche etwa in
dieser Weise hätte dargestellt werden können. Dann hätten
wir hier eine Illustration der Bibelworte: „Und das Weib fiel
nieder vor der Thür am Hause des Mannes, da ihr Herr innen
war, und lag da, bis es licht ward".
102. Donatello: David, Bronzestatue. Die ganze Figur ist
daraufhin komponiert, das Ideal des Quattrecento, die unbekleidete,
eben zum Jüngling reifende Knabengestalt, in dem scheuen Reiz
ihrer halb entwickelten Formen zu verkörpern. Die bis zu den
Knieen in reich ornamentierte Beinschienen gekleideten Beine, das
behelmte Haupt des erschlagenen Riesen mit dem lustigen Puttentriumph
auf dem Visier, der Lorbeerkranz, der in unaufdringlicher
Symbolik die Plinthe bildet, schliessen sich mit wenigen irrenden
Lichtern zu einem in ein malerisches Halbdunkel gelösten
Durcheinander reicher Details zusammen, das in dem tief verschatteten
, mitherabwallendem Lockenhaar und lorbeerbekränztem
Hute geschmückten Haupte sein künstlerisches Gegengewicht
sucht; zwischen diesen malerischen Zentren entfaltet sich nun,
in klaren Gruppen disponiert, harmonisch in Licht und Schatten
gehalten, die formenstrenge Pracht dieses jugendlichen Leibes.
103. Whistler: Bildnis der Mutter des Künstlers. Den
zweiten Titel des Bildes: Arrangement en gris et noir, unter
dem es in London 1874 zum ersten Mal ausgestellt war, muss
man wissen. Er allein reiht es richtig ein. Denn ein Porträtmaler
im gewöhnlichen und im Sinne der alten Kunst ist Whistler
nicht. Zu eigenwillig, zu vertieft in das eigene Empfinden, zu ,
sehr in Einsamkeit verdüstert, um das stark Persönliche fremden
Lebens im Bild mit Kraft geben zu können. Immer nur ein
malerischer Vorwurf ist ihm das Porträt. Darum aber fand
Whistler für das moderne Bildnis die beste Fassung. Für unsere
an fest umschriebenen Individuen arme Zeit gilt wieder das
Typische im Porträt, sind sanft verschummerte Farben, weich
gelöste Formen der entsprechende künstlerische Ausdruck. Im
Bild der eigenen malte Whistler die Mutter der einsamen und
vergrübelten Menschen unserer Tage. In Trauer sitzt sie da,
in geschlossener Haltung, vergrämt und mit welkem Herzen.
Die stille Gestalt ruht. Hinter der Schwarzgekleideten, die sich
in flimmernder Silhouette abhebt, eine weissgraue Wand mit
Radierungen in schwarzem Rahmen als spärlicher Schmuck.
Der weissgeblümte dunkelblaue Vorhang giebt allein dem Bild
eine Wenigkeit kräftigerer Farbe.
104. Dannecker: Schillerbüste. Zwei Mal hat Dannecker
seinen Freund und Kameraden auf der Karlsschule modelliert.
Einen Abguss der ersten lebensgrossen Büste schickte er am
22. September 1794 an Schiller nach Jena. Als der Künstler
die Nachricht von Schillers Tod bekam, fasste er den Plan einer
Kolossalbüste, in diesem Sinne schreibt er bereits im Mai i8o5
an Wolzogen und sofort auch beginnt er die Arbeit. Bis zu
seinem Tode hat er sich von der Büste nicht getrennt. Als er
geistesschwach zu werden begann und sein Sehvermögen nach-
liess, hat er die prächtigen Locken abgemeisselt, so dass unsere
Aufnahme nicht nach der Marmorausführung, sondern nach dem
daneben stehenden Gipsabguss gemacht ist. — Das liebevolle
Individualisieren in der ersten (Weimaraner) Büste ist in dem
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