http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0093
und Tiere in heller Tönung, mit entschiedener Freude an kräftigen
Lokalfarben, in Massen, die für seine Themata auffällig gross
erscheinen. Oft hat er den Rubensschen Figurenkompositionen
die Tiere und Früchte hinzugefügt und sich mit so grossem
Glück dem Schwünge des Rubensschen Vortrags angeschlossen,
dass in dem Collaborat keine Naht sichtbar erscheint Manchmal
hat Rubens den Markttischen und Küchenstücken des
Snyders Figuren eingefügt. In dem hier abgebildeten Gemälde,
das alle Eigenschaften des Meisters zur Anschauung bringt und
in der Komposition glücklicher ist als die meisten Schöpfungen
dieser Klasse, wurde die prächtige Gestalt des Jägers früher dem
Rubens zugeschrieben, während neuerdings die Autorschaft
Van Dycks vermutet wird.
116. Niccolö Pisano : Die Geburt Christi. (Relief an
der 1260 vollendeten Kanzel zu Pisa.) Links empfängt Maria
erstaunt und erschrocken die Verkündigung. Die Spindel in
ihrer Hand deutet an, dass der Engel sie bei häuslicher Arbeit
überrascht hat. Auf dem rechten Hauptteil der Platte ist Maria
auf ihrem Lager, das Kind in einer Bergeshöhle und die Verkündigung
an die Hirten dargestellt. Links vorn wird das Kind
von zwei Frauen gebadet, und ganz in der Ecke sitzt der verwunderte
Joseph.
117. Giov. Pisano: Die Geburt Christi. (Relief an der
i3oi vollendeten Kanzel zu Pistoja.) Dieselben Szenen wie bei
Taf. 116 in fast gleicher Anordnung, aber von wie viel reicherem
Leben! Nur wenige Andeutungen : Der Verkündungsengel voll
innerem Jubel, Maria erschrocken zusammenfahrend. Als das
Kind geboren ist, blickt Maria nicht mit dem allgemeinen Ausdruck
von Hoheit aus dem Bilde heraus, sondern betrachtet es
liebevoll. Die beim Bade beschäftigten Frauen sind zu schöner
Gruppe zusammengeschlossen, das Kind strampelt in lebendiger
Natürlichkeit auf dem Knie der einen.
118jl 19. Raffael: Die Madonna mit dem Fisch. Die „Madonna
del pesce" (Madonna mit dem Fisch) war als Gnadenbild
für den Altar einer Kapelle in der Dominikanerkirche von
Neapel bestimmt, in der viele um Heilung von Augenübeln gebetet
haben sollen. So erklärt sich die Wahl der eigentümlichen
Zusammenstellung der Personen, des von den Dominikanern
besonders verehrten hl. Hieronymus und des Erzengels
Raffael mit seinem Schützling, dem jungen Tobias, dessen
blinder Vater durch einen Fisch sein Augenlicht wieder erhielt.
Uber den zarten seelischen Beziehungen dieser Gestalten, der
gütigen Hoheit, mit der Maria, dem unbewussten Spiel, mit dem
das Kind der irdischen Scheu des Tobias begegnet, vergisst
man leicht die künstlerische Weisheit, die das Gemälde zu
einem wahren Andachtsbilde macht. Zwischen der in lichten
Tönen vor dunklem Grunde gehaltenen jugendlichen Gruppe
und dem in roter Kardinalstracht gegen das Blau der Luft
stehenden Kirchenvater hebt sich mit ihrem einfachen Kontur
die Gestalt der Madonna leuchtend vom grünen Vorhang ab.
Das Wehen seiner in grossem Zuge schwellenden Falten mildert
glücklich die Strenge der Anordnung.
120. Giorgione : Ein Konzert. Das „Konzert", seit der Mitte
des siebzehnten Jahrhunderts, wo es für die Sammlung des
Grossherzogs von Toskana erworben wurde, als Hauptwerk
Giorgiones gepriesen, wird von einem Teil der modernen Kritiker
als ein Jugendwerk Tizians angesprochen. An der hohen
Wertschätzung, welche seit zwei Jahrhunderten dem Bild entgegengebracht
wird, ändert der Name nichts : denn Geist vom
Geist Giorgiones weht uns daraus entgegen, ob er oder sein
genialer Schüler Tizian es gemalt. — Zwei Geistliche haben ein
Duo gespielt, dessen letzte Töne kaum verhallt sind. Noch
ruhen die Hände des jüngern Mannes auf den Tasten des
Spinetts, mit all' seiner Empfindung ist er noch von der Musik
erfüllt; wie aufgeschreckt durch die leise Berührung des älteren
Mannes wendet er sich nach ihm um. Zur Linken wird der
Kopf eines jungen Edelmannes sichtbar, in reicher Tracht, mit
Federbarett; etwas leer ist der Ausdruck, und die ganze Figur
entbehrlich. Um so tiefer und voller erfasst sind die beiden
Hauptfiguren, die Gestalt in der Mitte vor allem : die Stimmung,
welche die Musik im Menschen erweckt, spricht sich in diesen
tiefen, von innen leuchtenden Augen, in diesen geistig beseelten
Händen aus. Ohne dass irgendwie stark ausgesprochene
Farben verwendet sind, wirkt das Bild gerade durch sein
Kolorit, und voll und sonnig heben sich die Gestalten von dem
dunkeln Grund ab, welcher leider von einem späten Restaurator
oben bedeutend vergrössert worden ist. Um die volle Wirkung,
wie sie der Künstler beabsichtigte, zu haben, muss man sich
das oberste Stück fortdenken, so dass etwa die Linie die Federn
auf dem Barett des Jünglings halb durchschneidet.
121. Hans Holbein: Bildnis der Frau und Kinder des
Künstlers. Holbeins Gattin, schon früher einmal verheiratet
und, wie es scheint, etwas älter als ihr zweiter Gemahl, war eine
biedere Handwerkersfrau; ihr erster Schwiegervater, ein Schwager
und ein Sohn aus erster Ehe waren alle Gerber, und wenn
auch die Sage von Holbeins ehelichem Unfrieden durchaus nicht
gut verbürgt ist, mag doch diese Frau ihrem genialen zweiten
Gemahl nicht ganz gleichgekommen sein. Der Sohn mit dem
feinen Gesicht ist ein Goldschmied in Paris geworden. Das
Bild ist unmittelbar nach der ersten englischen Reise in den
Jahren i528 oder 1529 entstanden, als Holbein erst 3i Jahre
zählte, und wohl nur, weil der Künstler infolge der eben durchgeführten
Reformation zeitweilig ohne Arbeit war. Es trägt
auch den Charakter einer Naturstudie, die Composition ist nicht
sehr durchdacht, die Modellierung des Fleisches aber zum Teil
mit unerhörter Lebenswahrheit durchgeführt, während andere
Stellen, wie die Hand der Mutter und vielleicht auch das Gesicht
des Knaben, unvollendet geblieben sind. Rechts ist schon in
alter Zeit der Rand des Bildes beschnitten worden, vielleicht
weil er stark beschädigt war.
122. Botticelli: Die Geburt der Venus. Zwei Zephyrwind-
götter treiben mit ihrem Hauche die Muschel, die die schaumgeborene
Venus trägt, ans Cyprische Ufer, wo ihr bereits die
Frühlingsgöttin den blumengeschmückten Mantel entgegenbreitet.
Botticelli giebt, auch hier Polizian bis ins kleinste folgend, ein
Gegenstück zum Reiche der Venus (dem „Frühling", Taf. 2),
wo das auf die Geburt der Liebesgöttin folgende Erscheinen
derselben unter ihren Getreuen dargestellt ist.
123. Potter: Die Weide. Die durch einen frühen Tod abgeschlossene
Laufbahn Potters ging rasch aufwärts. Sein berühmtestes
Bild, der lebensgrosse Stier im Haag, der aus dem
Jahre 1648 stammt, zeigt sein Vermögen weit weniger günstig
als die mittleren und kleinen Darstellungen des weidenden
Viehes aus den Jahren 1648—1653. Das hier abgebildete Gemälde
ist i652 datiert. Ausserhalb seines eigentlichen Feldes
strauchelt Potter leicht; in der Darstellung menschlicher Figuren,
im Landschaftlichen und in der lebhaften Aktion der Jagdbilder
ist er öfters wenig glücklich. Mit nahezu wissenschaftlichem
Interesse hat der strebsame Meister den Organismus, den stofflichen
Charakter des Felles und die Psyche des Weideviehes
studiert; schwer wurde es ihm, die Tiere dem landschaftlichen
Ganzen, dem bildmässigen Gesamteffekt einzuordnen, und darin
blieb er hinter einem viel schwächeren Tierzeichner wie Aelbert
Cuyp weit zurück.
124. Polyklet: Doryphoros (Speerträger) aus Pompeji. Im
Altertum hat der Doryphoros des Polyklet als Lehr- und
Musterfigur gegolten, als Kanon, an dem man die Grundzüge
der Formen und ihr Verhältnis zu einander wie an einem Gesetze
lernte. Die griechischen Künstler haben schon von früh
an sich damit beschäftigt, allgemein giltige Regeln über Proportionen
, Rhythmus und Symmetrie festzustellen. Polyklet hat
diese Studien zum ersten Mal zu einem geschlossenen und ausgebildeten
System zusammengefasst. Die Statue des Doryphoros
giebt ein vollendetes Bild des menschlichen Körpers einer bestimmten
, aus der Natur abgeleiteten, aber über sie hinaus verallgemeinerten
Schönheitsform entsprechend, wie er sich entwickeln
müsste oder könnte, wenn die Absichten der Natur
nicht durch Zufälligkeiten und deren Consequenzen gestört
würden. Dass es nicht das Ziel der Kunst sei, das Einzelne in
seiner einfachen Natürlichkeit wiederzugeben, sondern aus der
Fülle der Erscheinungen das Mustergiltige herauszufinden und
aus der Zusammensetzung des Mustergiltigen ein Ganzes als
Musterschönheit zu gestalten, diese nicht einwandsfreie These
ist eben zu der Zeit des Polyklet in Philosophenkreisen ausdrücklich
als Lehrsatz aufgestellt worden. — Die Statue hat —
als ein Werk des fünften Jahrhunderts — noch viel Altertümliches
. Im Vergleich zu der Figur des Apoxyomenos (Bd. I,
Taf. 148), mit der Lysipp gut ein halbes Jahrhundert später
einen neuen Kanon aufstellte, erscheint sie von schweren, gedrungenen
Verhältnissen; „eckig" haben Kunstkritiker des ■
Altertums ihre Formen gefunden. — Sie war, namentlich in
römischer Zeit, ausserordentlich berühmt. Daher sind zahlreiche
Copien von ihr erhalten. Die aus Pompeji war in
der Palaestra aufgestellt als Bild männlicher Tüchtigkeit in
jeder Übung des Körpers. Der Stab in der linken Hand
ist modern angesetzt als Ersatz des verlorenen Speeres, den
der Jüngling geschultert trug; im übrigen ist die Figur in allem
Wesentlichen alt.
125. Fra Bartolommeo: Die Madonna Carondelet. Für
die Kathedrale von Besancon, deren Kapitel er angehörte, hatte
der als Freund des Erasmus und kaiserlicher Gesandter am Hof
Julius II. bekannte Ferri Carondelet die Altartafel gestiftet; seitdem
hat sie nur innerhalb dieser Kirche den Platz verändert. —
Unter den meist architektonisch strengen Gnadenbildern des
Frate ist dieses die freieste Komposition. Auf einem Wolkenthron
, von Engeln gestützt und begleitet, schwebt die Madonna
zwischen den Gestalten der Heiligen hin, die sich ihr wie einer
Vision zuwenden. Ihr Blick trifft voll Güte den vorn knieenden
Stifter, der ihr von Johannes dem Täufer empfohlen wird. Die
einfach strenge Architektur des Raumes, aus dessen Halbdunkel
zu Seiten des leuchtenden Engelkranzes der jugendlich schöne
Leib des hl. Sebastian und die helle Kutte des hl. Bernhard
sich loslösen, öffnet sich im Grunde auf freie Landschaft mit
nackten Figuren. In dieser glücklichen Milderung des überwältigend
heiligen Eindrucks begegnet sich die Besanconer Madonna
mit Raffaels Madonna di Foiigno (Bd. I, Taf. 146, 147),
ein Zeugnis für die Wechselwirkung zwischen beiden Meistern.
Aber das Werk des jüngeren Künstlers ist das frühere.
- 83 -
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0093