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126. 127. Giov. Pisano: Kanzel zu Pistoja. (Vollendet
i3oi.) Die Kanzel ist sechseckig und ruht auf sieben Säulen,
von denen sechs an der Peripherie und eine in der Mitte stehen.
Drei von den äussern Säulen werden von zwei Löwen und einem
knieenden Mann getragen; die drei andern stehen mit der Basis
auf dem Boden der Kirche fest auf, um das Gefühl der
Stabilität zu erwecken. Die Basis der Mittelsäule ist von Adlern
und Greifen umgeben. Diese Figuren bedeuten das Böse,
welches durch das an den oberen Teilen der Kanzel verherrlichte
Christentum besiegt ist. Über die oberen Teile
vergl. Text S. 57 ff. Die Kanzel ist mit Ausnahme der farbigen
Säulen aus weissem Marmor gearbeitet, der ursprünglich bemalt
war.
128. Richter: Die Überfahrt am Schreckenstein. Der
Schreckenstein in der Nähe von Aussig bezeichnet eine der
schönsten Stellen der böhmischen Elbufer. Nicht weit von dem
Berge führt noch heute eine Fähre über den Strom. Als
Ludwig Richter vor mehr als sechzig Jahren auf einer Fussreise
hierher kam, fesselte ihn das Schauspiel des breiten Kahnes,
der mit seinen wechselnden Menschenlasten hin und wieder
fuhr, namentlich, als einmal ein blinder Harfenspieler unter den
Fahrgästen erschien. Er prägte sich das Bild ein, machte wohl
auch eine flüchtige Skizze davon, um es später künstlerisch
auszugestalten. Bald darauf mag diese Zeichnung entstanden
sein, die sich als eine Vorarbeit zu dem Ölgemälde der
Dresdener Galerie darstellt, das Richter 1837 vollendete.
129. Bordone : Die Überreichung des Markusringes. Die
Legende berichtet, wie in einer stürmischen Nacht des Jahres
1340 die Heiligen Markus, Niccolö und Georg von einer Barke
aus ein von Dämonen besetztes Schiff bekämpften, welches
verderbenbringend sich der Lagunenstadt nahte. Dem Schiffer,
der jene Barke führte und die Heiligen' nicht kannte, gab
Markus einen Ring mit der Weisung, ihn dem Dogen zu überreichen
und zu berichten, was er erlebt hätte. Diese Szene,
die Ueberreichung des Ringes an den Dogen Bartolommeo Gra-
denigo, bildet den Stoff eines Bildes, welches einst zum Schmuck
der Scuola di San Marco gedient hat. Mit dem vollen Namen
Bordones gezeichnet, aber ohne Jahreszahl — es wurde wahrscheinlich
Anfangs der 3oer Jahre des 16. Jahrh. gemalt — zeigt
dies Bild nicht nur den Künstler, sondern das venezianische
Historienbild überhaupt auf der Höhe angelangt. Indem der
Maler die Szene willkürlich in eine offene Halle verlegt, schaffte
er sich für die prunkvolle Versammlung des venezianischen
Senats die herrlichste Bühne. Die Leuchtkraft der Farben fesselt
in dem Masse den Beschauer, dass er gern vergisst, wie wenig
Bordone die Gabe tiefer Charakteristik oder lebendiger Gruppierung
besass.
130/131. Frans Hals: Die Offiziere der Georgsgilde.
Langsam begreift die Grösse des Frans Hals, wer in den öffentlichen
Galerien und in den Privatsammlungen, hier eines, dort
mehrere seiner Bildnisse und Genrefiguren, nach und nach eine
lange Reihe gleich lebenskräftiger Gestalten kennen lernt. Es
giebt aber einen Saal, eine Wand in der Vaterstadt des Meisters,
in Haarlem, wo die Herrlichkeit dieses Malers auch dem
stumpferen Auge mit einem Blicke offenbar wird. Da hängen
nebeneinander acht der sogenannten Doelen- oder Regentenstücke
, da leben an hundert holländische Männer, die Frans
Hals vor dem Tode bewahrt hat. Die älteste dieser Porträtgruppen
stammt aus dem Jahre 1616, die jüngste von 1664. D'e
Tracht und das Gebahren der Haarlemer Bürger wandelt sich ;
die Malweise und die Färbung wandelt sich mit der Stimmung
des Meisters. Das hier abgebildete Stück stammt aus dem
Jahre 1627, aus der Zeit, da Frans Hals auf der Höhe seines
Glückes und seines Erfolges stand. Die Tönung ist hell,
leuchtend und reich, im Einklang mit der heiteren und bewegten
Siegerstimmung der schmausenden Herren. Von der
schwärzlichen Einheit der Färbung, die Hals später liebte, ist
noch nichts zu bemerken.
132. De Witte: Inneres einer Kirche. Unter den zumeist
etwas trockenen vlämischen und holländischen Malern der
Innenarchitektur, die mit Vorliebe Kircheninterieurs darstellen,
nimmt de Witte eine besondere und ausgezeichnete Stellung
ein. Die nüchternen, weiss getünchten reformierten Kirchen
belebt er durch das Spiel des Lichtes, den eigentlichen Gegenstand
seiner Beobachtung, und die harten Linien der Baulichkeit
löst er auf zu malerischer Unbestimmtheit. Die Figuren
sind nicht untergeordnete Staffage, sondern eine dem Bauwerke
gleichwertige Aufgabe seiner Darstellung. Das hier nachgebildete,
bezeichnete und vom Jahre 1685 datierte Gemälde wurde 1885
in Paris aus der Sammlung Lissingen um einen relativ sehr hohen
Preis erworben und gehört zu den schönsten Arbeiten des nicht
sehr fruchtbaren Meisters.
133. Polyklet: Diadumenos, aus Vaison (Südfrankreich).
Diadumenos heisst die Statue nach dem Motiv : sie stellt einen
Jüngling dar, der im Wettkampf gesiegt hat und im Begriff ist,
sich die Siegerbinde ums Haupt zu legen. Den künstlerischen
Reiz dieses Motivs, in dem die Formen des Körpers frei und
leicht bewegt in voller Schönheit sich entfalten, haben die
griechischen Bildhauer des fünften Jahrhunderts lebhaft
empfunden. Polyklet war nicht der erste, der es zur Darstellung
gebracht hat. Andere Künstler vor ihm haben es behandelt
, in der einfachen Natürlichkeit, wie es sich in der
einzelnen zufälligen Erscheinung des Lebens dem beobachtenden
Blicke darbietet. Die Statue des Polyklet geht hierüber hinaus.
Die Haltung ist auf das Feinste abgewogen und berechnet, der
Körper in seiner Bewegung wie von Schönheitslinien umschrieben
, das Ganze bis in die kleinsten Teile hinein in festem
Rhythmus kunstmässig zusammengehalten und beschlossen.
Man hat den Eindruck, dass der Jüngling in dieser schönen
Pose, die sehr an das sorgfältig gestellte Modell erinnert,
dauernd verharren, nicht dass er die Bewegung im nächsten
Augenblicke verändern werde. — Von den vorhandenen Kopien
des verlorenen Originals, das in Bronze ausgeführt war, ist die
1862 in den Ruinen des Theaters zu Vaison gefundene die besterhaltene
. Die Binde war in Bronze ausgeführt. Die Hände
hielten ihre Enden gefasst, um den Knoten, in dem sie am
Hinterkopf geschlungen war, fest zu ziehen.
134. Schnorr von Carolsfeld: Bildnis Friedrich Rückerts.
Ende des Jahres 1817 kommt Rückert zu fast einjährigem
Aufenthalt nach Rom. Er lebt mitten in dem grossen Kreise
deutscher Künstler, er ist eine auffallende, für die pathetische
Anschauung jener Zeit besonders sympathische Erscheinung:
eine Reckengestalt, lang wallendes Haar, dunkele blitzende
Augen, männlich-schöne Züge. So entstanden in Rom wiederholt
Bildnisse des damals dreissigjährigen Dichters, das beste
von dem jungen Schnorr. Die Formen sind für unseren Geschmack
zwar etwas zu stilisiert, Haltung und Blick etwas
posierend, aber trotzdem ist noch ein gut Stück Persönliches
geblieben, das dieses des Künstlers und des Dargestellten wegen
wertvolle Werk uns interessant macht.
135. Briot: Die sog. Temperantiaschüssel. Vgl. Text
S. 65 ff.
136. Bartholome : Monument für einen Pariser Kirchhof.
Durch ein schmerzliches Lebensschicksal wurde der Künstler
für lange Zeit in einen bestimmten Gedankenkreis gebannt: er
wusste seiner Seele Ruhe zu verschaffen, dadurch dass er danach
rang, seinen Gedanken in einem gewaltigen künstlerischen
Werk Ausdruck zu geben, einem Werk, in dem trotz des
Schmerzes der Trennung vom irdischen Leben ein versöhnender
Gedanke triumphiert. — Bereits 1891 war er auf dem Salon im
Marsfelde mit einem Grabmonument vertreten, dann 1892
folgte das Modell zu dem Mittelstücke seines grossen „Monument
aux morts", 1895 erschien das Modell des ganzen Monuments,
1897 endlich die Ausführung eines Teiles in Stein. Im Auftrage
von Stadt und Staat wird das Denkmal jetzt auf dem
Kirchhofe Pere-Lachaise errichtet. Es hat die Gestalt etwa eines
ägyptischen Grabes. Rechts und links von dem Eingang stellen
zwei Reliefs die der Pforte des Todes Zuwankenden dar, die
Einen in wildem Trennungsschmerz, die Anderen in stumpfer
Ergebenheit. Unterhalb des Eingangs, in einer grabartigen Vertiefung
schlummert im Todesschlaf ein Paar. Ein Genius neigt
sich zu ihnen herab, gleichsam sie zu einem anderen Leben
zu erwecken. — Am erhabensten ist der Trostgedanke in dem
Paar ausgedrückt, das in die Todespforte einschreitet, der Mann
in ruhigem festen Schritt, die Frau mit einer unbeschreiblich
ausdrucksvollen Bewegung von Kopf und Oberkörper sich auf
die Schulter des Mannes stützend. Mit einem grossartigen
Können hat der Künstler ohne Banalität seine Empfindung ausgedrückt
: eine schmerzliche Trennung giebt es wohl, aber auch
eine Wiedervereinigung.
137. Luca della Robbia: Knabenbüste. Der knapp lebens-
grosse Kopf dieses frischen pausbackigen Knaben ist völlig rund
gearbeitet und wird daher ursprünglich wohl auf einem Kamin
oder, seiner jetzigen Aufstellung im Bargello entsprechend, in
einer Nische gestanden haben. Das Fehlen des schützenden
Hintergrundes erklärt auch die Verletzung, die, in der Abbildung
kaum wahrnehmbar, glücklicherweise nur die Lockenenden auf
der rechten Seite des Hinterkopfes betroffen hat. In der Gewandung
, dem Brustharnisch mit dem über die linke Schulter
geworfenen Mantel, in der Art der Bemalung und der zarten
Feinheit der Ausführung ist diese Büste dem Berliner Jünglingsbildnisse
ebenbürtig und offenbart wie diese die empfindungsvolle
Hand des grossen Luca della Robbia.
138. Luca della Robbia: Jünglingsbüste. In den vornehmen
Familien der Renaissance galt die Porträtbüste, meist einem
grösseren architektonischen Ganzen eingeordnet, als ein beliebter
Zimmerschmuck, den wir namentlich häufig auf Kaminen, in
Nischen, auch wohl in den Lünettenbogen einer jener niedrigen
Saalthüren der Florentiner Paläste finden. Dem anspruchslosen
Zwecke und dem in den grossen Räumen gedämpften Lichte
gleichmassig Rechnung tragend, wählten die Künstler meist statt
der mühsam zu ciselierenden Bronze den wohlfeilen Marmor.
Für die Wiedergabe der Kinderbildnisse schien nun Luca della
Robbia in dem glasierten Thon ein vorzügliches Material gefunden
zu haben, das die Reinheit und den Schmelz der kindlichen
Farben noch zarter und leuchtender wiedergab als der durchsichtige
, aber in der technischen Behandlung etwas sprödere
Marmor. Eine sonderlich vorzügliche Arbeit dieser Art ist die
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