http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0013
Joh. Heinr. Wilh. Tischbein, Goethe in Italien.
Frankfurt a. M., Städelsches Kunstinstitut. Auf Leinw., h. i.65, br. 2.10.
Photographie von Kühl & Comp., Frankfurt a. M.
Die deutsche Bildnismalerei im achtzehnten Jahrhundert.
DAS achtzehnte Jahrhundert kann sich in Deutschland
keiner besonderen Blüte der Malerei rühmen
, aber als eine Epoche der bedeutendsten
Uebergänge und Vorbereitungen begünstigte es das
Bildnis in eigentümlicher Weise. Gewiss ist nicht
bloss die Kriegsnot und die Armut des siebzehnten
Jahrhunderts daran schuld, dass wir verhältnismässig
weniger deutsche Bildnisse aus dieser Zeit besitzen
als aus dem folgenden Jahrhundert. Vielmehr hat
der schon in der ersten Hälfte des achtzehnten stark
entwickelte Kultus der Persönlichkeit, die Entdeckung
der Menschenseele im Bürgerstande, eine Steigerung
des Bedürfnisses nach Bildnissen verursacht, und
während früher ausser den Hochgeborenen aller
Rangstufen in der Regel nur noch Geistliche, berühmte
Gelehrte, populäre Offiziere und sonst merkwürdige
Personen sich malen oder im Kupferstich
abbilden Hessen, entstehen nunmehr auch unzählige
mehr oder minder intime Bildnisse, die nicht für
die Öffentlichkeit, sondern zunächst für die Familienkreise
bestimmt sind.
Die deutsche Historienmalerei dieser Zeit stand
bekanntlich ganz unter dem Zeichen des Auslandes,
d. h. in erster Linie unter französischen und indirekt
unter niederländischen und italienischen Einflüssen
. Letztere machten sich hauptsächlich für die
Auffassung religiöser Gegenstände noch immer
geltend; was aber das Bildnis, im Zusammenhang
mit der Historienmalerei natürlich zunächst das anspruchsvolle
, repräsentierende, idealisierte Fürstenbildnis
, betrifft, so erscheint es bald mehr auf fran-
zösisch-vlämische, bald, in gewissem Sinne, auf
holländische Art.
Rubens hatte ja mit der ihm eigenen Gewaltsamkeit
in seinen Bildercyklen über Heinrich den
Vierten und Maria von Medici dem absurden Gedanken
, die fürstlichen Personen seien in stetem
Verkehr mit allegorischen Wesen, so kräftigen Ausdruck
verliehen, dass man ihn wohl als den eigentlichen
Begründer des allegorischen Fürstenbildes bezeichnen
darf, und die Regierung Ludwigs des
Vierzehnten Hess es wahrlich nicht an Gelegenheiten
fehlen, das Porträt des Königs in immer neuen pompösen
Verkleidungen und Umgebungen zu zeigen.
Die Blüte dieser Prachtdarstellungen mit Opern-
decoration fällt in den Anfang des achtzehnten Jahrhunderts
, und nur wenig später übertrug sie sich
auch nach Deutschland, wo die nach dem Muster
von Versailles gebauten Schlösser den Raum und
den Anlass für dergleichen darboten.
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