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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0014
Da sah man denn, übrigens oft von französischen
Meistern ausgeführt, an den Decken der Empfangssäle
und der prunkenden Treppenhäuser der grösseren
und kleineren deutschen Residenzen den ganzen
Olymp aufgeboten, um den zwischen klassischen
Gottheiten in Wolken thronenden Fürsten, gewöhnlich
den Bauherrn des betreffenden Palastes, in irgend
einer Rolle triumphierend vorzuführen. Wie er als
siegreicher Mars auf dem Streitwagen daherfährt,
unter dem reich befederten antiken Helm das modern
behäbige glattrasierte Gesicht; Victorien krönen ihn
und leiten seine Rosse, vor denen wüste Feinde
und greuliche Laster niedergestreckt liegen; die Fama
posaunt in den Lüften, Klio schreibt eifrig in ihre
Tafel, ein ganzes Gefolge von Tugenden, Musen und
Grazien schliesst sich an. Oder der Fürst erscheint
als Apoll der Sonnengott, umgeben von den Hören
und Chariten, auch als Apoll der Musenführer, wenn
er als Förderer der Künste bekannt ist; als Herkules,
wenn er sich durch Ritterlichkeit auszeichnet; als
Jupiter Tonans, wenn die Majestät hervorgehoben
werden soll. Kurz, ein ungeheurer Aufwand wird
getrieben, der das auch noch so geschickt in den
Mittelpunkt gerückte Bildnis, das doch die Hauptsache
bleiben sollte, beeinträchtigt und es zu einem
Stücke der Decoration herunterwürdigt.

Ganz anders wird die Porträtähnlichkeit des
Fürstenbildnisses betont und erstrebt in den Gemälden
, die zu holländischen in Beziehung gebracht
werden können. Das sind solche, die in Anlehnung
an die in Holland entwickelten Schützen- und Regentenstücke
geschaffen wurden. Nicht mehr in
holländischer Mal- und Compositionstechnik, sondern
in dem Grundsatz, den Fürsten mit seiner wirklichen
Umgebung zusammengruppiert und bis auf die
notwendige Schmeichelei so ähnlich wie möglich
darzustellen. Zu solchen Gruppenbildnissen fanden
sich mancherlei Anlässe: eine Begegnung von Fürstlichkeiten
etwa, die sich mit sichtlichem Entzücken
begrüssen, während das beiderseitige Gefolge, dem
Range nach genau geordnet, mit diskretem Lächeln
zuschaut; oder eine Jagd, bei der Serenissimus, die
Gemahlin an der Seite, zu Ross oder zu Fuss erscheint
, nahebei die Hofleute, im Hintergrunde die
jagenden Piqueurs, die gespannten Netze, die fliehenden
Hirsche; oder eine Lustfahrt in Prunkkarossen, denen
man für eine Weile entstiegen ist: alle diese Scenen so
ausgebeutet, dass möglichst viele, porträtähnliche
Figuren auf ihnen zu sehen sind.

Wras die Grossen beginnen und betreiben, wirkt
auf diese oder jene Weise weiter bis in die breitesten
Bürgerkreise. So wurden die mit beträchtlichem
Aufwände abgehaltenen Verkleidungen der Höfe,
ihre Mummereien arkadischen Stiles z. B., mit Vergnügen
, aber an Pracht und Geschmack gradatim

abnehmend, auch von anderen Gesellschaften aufgeführt
; mindestens jedoch gestattete man sich, von
der idyllischen und elegischen Hirtenpoesie gereizt
und mit Ideen versorgt, eine Umsetzung der eigenen
bürgerlichen, ja spiessbürgerlichen Person in eine
ideale vermittelst des mythologischen oder arkadischen
Bildnisses. War es Mode, dass der Landesfürst
sich als Olympier darstellen Hess, so hielt ein fürstlicher
Rat es nicht für geschmacklos, als Schäfer
aufzutreten; er behielt zwar die gepuderte Perücke
bei und mit dem gestickten Rock, der langen Weste
und den Escarpins aucn sein natürlich-verständiges
oder philisterhaftes Gesicht, aber er drapierte sich
darüber mit einem Theatermantel, putzte sich mit
einigen Schleifen und nahm den bebänderten Hirtenstab
zur Hand: so Hess er im Bilde festhalten, was
er bei Gelegenheit dargestellt hatte oder darzustellen
vielleicht nie gesonnen gewTesen wäre. Seine Gemahlin
durfte nicht zurückstehen: die Fürstin, die
Prinzessinnen wurden als Juno, als Venus, als
Nymphen gemalt, mit geschminkten Gesichtern, von
Schönpflästerchen getupft, melancho'isch lächelnd
die Rätin also fuhr ebenfalls in antike Gewandung,
nahm sogar unhäusliche Mienen an und prunkte nicht
ungern mit sichtlichen Reizen, die sie vielleicht nie
besass. Die Gattin des braven Landpredigers von
Wakefleld, die sich auf dem Familienbilde der Primroses
als Göttin mit fabelhaftem Schmucke brüstet,
hatte in Deutschland viele unweise Genossinnen, und
bei weitem nicht alle sitzen so verständig da wie
Goethes Mutter, in Gestalt einer Schäferin, auf dem
Seekatzschen Gemälde.

Ein grosses Stück deutlich redender Kulturgeschichte
steckt in diesen lustigen Bildnissen. Eine
Welt des Scheins suchte sich damals, in der Zeit
des unerquicklichen Ueberganges von der alten zur
neuen Gesellschaft, ergötzend und tröstend ein
prickelndes Leben zu fristen. Wer denkt nicht
hierbei an den Rheinsberger Kreis des Kronprinzen
Friedrich, der seine ernste Vorbereitungszeit selbst
in eine Zeit geistreichen, sorglosen Genusses verkleidete
? Der, während er weit ausgreifend sein
Wissen und seine Erkenntnis vermehrte und seine
Staatsweisheit begründete, anmutig schalkhafte Feste,
ländliche Tänze, anakreontische Gelage mit phantastisch
frohen Pilgerzügen nach der Insel Kytherens
abwechseln Hess! Aber unter der dunklen Pilgerkutte
, hinter Muschelhut, Stab und Sandalen, unter
Maske und Domino spürte man doch immer den
Philosophen, sowohl beim Fest als im Bilde, das
etwa von dem einen oder dem anderen der auserwählten
Teilnehmer dieses Kreises angefertigt
wurde. Und nicht anders erscheint das ausserordentlich
Tüchtige, das aufgeklärt Strebsame des
achtzehnten Jahrhunderts, überhaupt und mit rasch


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