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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0016
Graff durchgesetzt und er ist es denn auch, der
dem französischen Arrangement endlich ganz aus
dem Wege geht und auf möglichst einfachem Hintergrunde
, womöglich nur als Bruststück, ein natürliches
, plastisch hervortretendes, gesund gefärbtes
Bildnis zu schaffen sucht. Graff malte neben bürgerlichen
auch fürstliche Personen in Menge, aber alle
seine guten Porträts sind frei von höfischer Galanterie,
sie bringen das fest erfasste Menschliche einer jeden
Person, welchen Standes sie auch sei, zu glücklichem
Ausdruck.

Neben ihnen verblassen die weichlichen, frauenzimmerlichen
Bildnisse der Angelica Kaufmann, die,
als sie Goethe malen wollte, stets nur einen hübschen
jungen Mann herausbrachte und immer bloss mit
Nymphen und Vestalinnen, also idealisierten, mythologischen
Porträts, einiges Aufsehen erregte. Auch
die kleinlichen, durch Betonung gleichgiltiger Nebendinge
uns unerfreulichen Porträtköpfe von Balthasar
Denner erscheinen neben den mannhaften Arbeiten
Graffs als unbedeutend und für den Fortschritt der
Kunst ganz entbehrlich; sie sind pseudorealistische
Kunststücke, geschmacklose Vergrösserungen holländischer
Kleinmalerei des siebzehnten Jahrhunderts.
Dagegen würde der akademisch und italienisch geschulte
Raphael Mengs als Vertreter eines auch
neben dem Realismus berechtigten soliden Klassizismus
mit Ehren unter den deutschen Bildnismalern
zu nennen sein, hätte er nicht fast ausschliesslich
im Auslande und für dasselbe geschaffen.

Immerhin besitzen wir von ihm einige nobel auf-
gefasste Selbstporträts [in Pastell, die uns daran erinnern
, wie weit sich diese Technik im vorigen
Jahrhundert neben der Oelmalerei verbreitete und
wie gern sie gerade für das Bildnis benutzt wurde.
Sie war leicht zu handhaben und erzielte mit ihren
zarten Farben ganz ansprechende Wirkungen, die
natürlich vor allem der Darstellung von Damen zu
gute kamen. Das Pastell wurde in mehreren Manieren
verwendet, allen gemeinsam ist aber eine gewisse
Vergänglichkeit, so dass wir diese meist mittelgrossen
Porträtköpfe kaum anders als gedämpft und wie mit
einem elegischen weissen Schleier bedeckt zu sehen
bekommen.

Dauerhafter waren dierZeichnungen in schwarzer,
weisser und roter Kreide, die dem gröberen Material
entsprechend kräftiger schraffiert werden konnten.
Auf diese Art hergestellte Bildnisse sind als Skizzen,
als Studien oder in voller Ausführung natürlich

schon viel früher angefertigt worden; im achtzehnten
Jahrhundert aber kam die Liebhaberei auf, im An-
schluss an das Aufzeichnen und Ausschneiden der
Profile nach dem Schattenriss, also im Anschluss
an die schwarze Silhouette, solche Profilköpfe in
Lebensgrösse oder nachträglich verkleinert auf
weissem Papier zu entwerfen und mit Röthel weiter
auszuführen. Das Profil, das der geschickt aufgefangene
Schatten mit leidlicher Treue angab, diente
als vorteihafte Grundlage; die Ausfüllung der Flächen
u. s. w. konnte dann schon ziemlich schwach und
konventionell sein und zog doch ihren Nutzen von
dem realistischen Umriss.

Daniel Chodowiecki, der übrigens auch kleine
Bildnisse in Oel gemalt hat, zeichnete sich mit solchen
roten Profilköpfen aus; zugleich aber muss er als
einer der Künstler genannt werden, die das Miniaturbildnis
in Aquarell und in Email, zwar wiederum
in Abhängigkeit von den Franzosen, aber doch als
Deutsche unter Deutschen, zu pflegen wussten. Viel
Rühmens ist von dieser eine Zeit lang ungemein beliebten
Marktware nicht zu machen: die Porträts,
die man auf Tabaksdosen, in Medaillons, in Ringen,
auf Dosen und auf Armbändern trug, sind nur selten
wirklich künstlerisch ausgeführt worden und die
Köpfe allgemein bekannter Personen wurden geradezu
fabrikmässig, zu Dutzenden hergestellt.

Etwas Fabrikmässiges erhielt gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts auch das Porträt in Kupferstich
. Jeder Kupferstich ist ja nur ein Exemplar
des mechanisch vervielfältigten Kunstwerkes, an sich
also ein Kunstwerk bloss, sofern er vorzüglich ausgedruckt
ist. Mit der masslos zunehmenden Litte-
ratur und der Sitte, die Bücher mit Kupfern, speziell
auch mit Bildnissen in Kupferstich zu schmücken,
kam aber der Gebrauch auf, die Originale solcher
Blätter nicht immer in der alten französischen Weise
durchzubilden und zu stechen, sondern sie möglichst
rasch und einfach, nach dem verkleinerten Schattenriss
oder nach der Ueberarbeitung einer Studie, herzustellen
. Das war jedoch auch ein Streben zu
demselben Realismus, der der deutschen Kunst
allmählich einen Ausweg aus ihrem Elend im
achtzehnten Jahrhundert eröffnen sollte, und wenn
dieser Aufschwung auch nicht durch den Kupferstich
allein erfolgte, so trug doch gerade er
nicht wenig dazu bei, das Publikum, in das er
am tiefsten eindrang, zur Teilnahme an der Kunst
zu erziehen.

Wolfgang von Oettingen.

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