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vielleicht am geschmackvollsten. Es
giebt keine schönere und zugleich
zweckmässigere Form des Lehnstuhls
, als wie wir sie auf dem
Vasenbilde gezeichnet sehen. Es ist
die typische Form des Stuhls im
fünften und vierten Jahrhundert.
Vorher waren schwerere Formen
in Gebrauch und eine reiche Verzierung
der Möbel mit Metallbeschlägen
und sonstigen Zierraten
Mode, zu der die breiten und
graden Flächen der älteren Möbel
aufforderten. In der späteren, der
hellenistischen und römischen Zeit,
führte die Ausbildung des Drechslerhandwerks
zu komplizierteren
Formen und der gesteigerte Zuschnitt
des Lebens zu der Bevorzugung
kostbarer Stoffe und luxuriöser
Ausstattung.
Die Form der Stühle auf dem
Vasenbilde ist aus der Holztechnik
heraus entwickelt, so rein und vollendet
, wie kaum eine andere Möbelform
antiker und moderner Zeit.
Dieses strenge und vornehme Stilgefühl
giebt allem damaligen Kunstschaffen
den Charakter. Die Giebelskulpturen
und Friese vom Parthenon
sind wie in Marmor erdacht
. Die attischen Grabreliefs,
der Praxitelische Hermes und viele andere Marmor-
Originale des vierten Jahrhunderts zeigen in ähnlicher
Weise, wie das Gefühl für das Material
die Gestaltung leitete. In derselben Zeit war in der
Malerei eine Schule tonangebend — sie wird die
Sikyonische genannt —, die allen Wert auf die Ausbildung
der Technik legte. Die dekorative Kunst
suchte nicht in dem Reichtum der Formen ihre
Wirkung: sie war auf solcher Höhe, dass sie sich
unterordnete. Man vermied es, die Harmonie des
Ganzen durch ein Zuviel ornamentalen Beiwerks zu
stören und hatte sogar gelernt — die bemalten
Thongefässe geben viele Beispiele dafür —, die
Schönheit der leeren Fläche zur Geltung zu bringen.
In dieser Zeit sind die schönsten der Tanagra-
rischen Figuren entstanden. Sie zeigen, dass damals
auch in der Mode ein sehr guter Geschmack herrschte.
Sie sind Abbilder der Wirklichkeit. So sahen die
Mädchen und Frauen wirklich aus, so kleideten,
putzten, frisierten sie sich, wie sie uns in diesen
frohen und anmutigen Bildern erscheinen.
Ein griechischer Schriftsteller Herakleides, der
etwa um die Mitte des dritten Jahrhunderts v. Chr.
Thonfigur aus Tanagra
Berlin, Neues Museum.
Städtebilder geschrieben hat „von
dem Standpunkt eines gebildeten
Reisenden aus, etwa wie ein solcher
jetzt von italienischen Städten und
Landschaften redet," rühmt die
Schönheit der Frauen von Tanagra,
ihren schlanken Wuchs, ihren leichten
Gang, den Rhythmus ihrer Bewegungen
. Sie seien die graziösesten
Frauen Griechenlands. Er
beschreibt die Toilette, wie sie
beim Ausgehen den Mantel über
das Gesicht ziehen, so dass nur
die Augen frei bleiben, wie sie ganz
schmale rote Schuhe tragen, die
den Fuss fast unbedeckt lassen,
wie sie ihr blondes Haar in der
„Flämmchenfrisur" aufbinden.
Die Verfertiger der Terrakottafiguren
haben noch lebendiger geschildert
. Was sie auf der Strasse
beobachteten, was sie im Hause
sahen, haben sie mit leichter Hand
und mit unbeschreiblich feinem
künstlerischen Gefühl zum Bilde
gestaltet, immer wieder vor allem
die Mädchen und Frauen, hunderte,
tausende Male in immer neuen Motiven
, immer von neuem angeregt
durch die Reize ihrer Erscheinung,
durch die Anmut ihres Benehmens,
die eine immerschöner als dieandere.
Da sehen wir eine vornehme stattliche Frau in
langem, hellblauem goldbesäumtem Kleide, wie sie
langsam über die Strasse geht, den Fächer in der
Hand, den Kopf verhüllt und mit dem Hute bedeckt;
ein Bild feiner guter Sitte (Abb. S. 6). Ein frisches
Gegenbild dazu haben wir in dem Mädchen, das
eben auf einen Sprung zur Nachbarin über die Gasse
eilt (Abb. S. 7). Für einen so kurzen Gang lohnt
es nicht, den Mantel über den Kopf zu schlagen.
Aber sie muss das Kleid aufnehmen, denn der Boden
ist schmutzig, und dabei zeigt sie den zierlichen
Fuss und ihre hübschen roten Schuhe.
Das sitzende Mädchen, das auf Tafel 13 abgebildet
ist, ist eine Erscheinung wie Davids
Madame Recamier. Wie gut steht ihr das leichte
Hauskleid und wie sehr wird ihre Schönheit durch
die geschmackvolle Einfachheit der Toilette gehoben.
Ein schmaler goldener Reif, der das rotblonde Haar
zusammenhält, ein Paar kleine Ohrringe, ein
schlichter Goldreif um den Hals ist aller Schmuck,
den sie angelegt hat. Die griechischen Damen im
Altertum sind nicht immer so wenig putzsüchtig
oder so sehr wählerisch in kosmetischen Dingen ge-
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