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Erhaltung, mit dem der Kunstkritiker selten seinen
Effekt verfehlt, ist vor den Werken keines Malers
so oft und so arg gemissbraucht worden wie vor
Cranachs Gemälden. Namentlich der — sonst übrigens
achtungswerte — Granach-Biograph Schuchardt hat
in diesem Punkte manches Erheiternde geleistet und
mehr als ein intaktes Bild für ruiniert erklärt. Von
einzelnen Ausnahmen abgesehen sind Cranachs Tafeln
in vortrefflichem Zustand auf uns gekommen, was
nicht wunderbar ist, da seine Technik an Solidität mit
der chinesischen Lackmalerei wetteifern kann. Was
die zweite Wendung angeht, so hat sie wenig Berechtigung
, solange eine reinliche Scheidung zwischen den
eigenhändigen Arbeiten und den Werkstattleistungen
nicht gelungen, die Differenz der Qualität nicht deutlich
dargelegt ist. Nun zweifle ich nicht, dassCranach
in späteren Jahren eine grössere Zahl von Schülern
beschäftigte. Da seine Kunst aber einen so un-
persönlichen Charakter angenommen hatte, dass er
ohne Schaden sorgsam belehrte Gehilfen an den
Arbeiten beteiligen konnte, so erscheint jene — bei
anderen Meistern oft wichtige Unterscheidung
bei ihm recht unfruchtbar. Unter den Schöpfungen
aus den 30 er und 40 er Jahren des 16. Jahrhunderts
giebt es freilich bessere und schlechtere, aber der
Qualitätsunterschied ist nicht erheblich und vor
allem: er berührt nicht das Wesentliche. Was
Cranach selbst arbeitete, trug ebendas Gepräge
unkünstlerischen Handwerksbetriebes, das die Produktionen
seiner Gehilfen zeigen, man müsste denn
geradezu annehmen, dass der „celerrimus pictor",
wie die Grabschrift ihn nennt, das Malen überhaupt
in späteren Jahren aufgegeben hätte. Cranach war
sein eigener Nachahmer und Kopist geworden.
In Kronach bei Bamberg, also in fränkischen
Landen, kam Lucas Cranach 1472 zur Welt, von
seinem Vater wurde er in der Kunst unterwiesen.
Erst 1504, da der sächsische Kurfürst ihn in seinen
Dienst zog, tritt seine Gestalt in historische Helle.
Damals schuf er auch sein erstes bekanntes und beglaubigtes
Bild. Bis zu seinem Tod im Jahre 1553
war er dann fast stets in Wittenberg thätig, als
Mensch, als Bürger und als Meister in hohem Ansehen
, den sächsischen Herrschaften ein treuer Diener,
der neuen Lehre ein ergebener Anhänger. Es scheint,
als ob Grünewalds und etwa auch Dürers Vorbild
seinen rauhen Jugendstil mitbestimmt habe.
Wie wenig Cranachs ursprüngliches Wesen
verstanden wurde, zeigt die Verwunderung und Verwirrung
, die sein frühestes bekanntes und zugleich
sein bestes Bild erregte, das aus der römischen
Sammlung Sciarra in den Besitz des Herrn Dr. Fiedler
kam und sich jetzt bei den Erben dieses Kunstforschers
befindet. Das mit den Initialen des Meisters
und der Jahreszahl 1504 bezeichnete Gemälde, „die
heilige Familie auf der Flucht" (Taf. 2. 3), entzückt
mit der tiefen Pracht seiner Färbung, setzt in Erstaunen
durch die gesunde Natur seiner Menschen und
heimelt an mit der würzigen Frische seiner Waldlandschaft
. Hiernach allein dürfte dem Meister ein
besonderer Platz in der Geschichte der Landschaftsdarstellung
angewiesen werden. Altdorfer, der im
Gegensatze zu Dürer das natürliche Verhältnis der
Figuren zur landschaftlichen Umgebung oft sehr
glücklich trifft, ist etwas jünger als Cranach. Seine
Thätigkeit beginnt mit dem Jahre 1506, so weit wir
sehen, während Cranach schon 1504, 32 Jahre alt,
das Fiedlersche Bild ausführt. Altdorfer und der
jugendliche Cranach stellen die Figuren recht in die
Landschaft hinein, wenn Dürer, wenigstens als Maler,
sie eher vor die Landschaft stellt.
Der jugendliche Cranach liebte die Wirrnis des
Waldes und hat mit Innigkeit und Kraft das heimische
Blattwerk, das Nadelholz, die Waldblumen
und dann auch die Waldtiere wiedergegeben. Damit
mag er sich zuerst den sächsischen Herren, die
grosse Jäger waren, empfohlen haben. Er hatte
das Gedächtnis ihrer Jagdthaten und Jagdfreuden
waidgerecht zu verewigen. Und da er um 1515
einige Blätter des kaiserlichen Gebetbuches mit Randzeichnungen
schmückte, stellte er sich in glücklich
einseitiger Bethätigung als Zeichner der Tiere nur
neben die fränkischen und schwäbischen Kunstgenossen
(siehe die Umrahmung der S. 17).
Leider hat Cranach die innige Beobachtung
der Natur zwar in den Holzschnitten zwischen
1505 und 1509, die kernige und persönliche
Schöpfungen sind, noch geübt, sehr bald aber, sein
Bestes verkennend, ganz andere Ziele verfolgt. Der
erstarrende Hauch, der viele Kunstknospen in
Deutschland tötete, hat ganz besonders früh und
rasch die blühende Waldpoesie vernichtet, die unserem
Meister gegeben war.
Während die Fiedlersche Tafel in einem Privathause
bewahrt wird und schon deshalb nicht in
gewünschtem Grade jeder Beurteilung Cranachs zum
Ausgangspunkt dient, befindet sich ein zweites, kaum
weniger wichtiges Werk, die düstere Venus von 1509,
in der Petersburger Ermitage (Tf. 37), also der deutschen
Kunstforschung ziemlich fern gerückt. Eine
Vergleichung dieser wahrhaft grossen Gestalt mit den
vielen nackten Püppchen im gewöhnlichen, das heisst
im späteren Cranach-Stil zeigt, was der Meister war
und was er wurde. Zwischen 1510 und 1520
hat Cranach dann einige grossräumige Altarbilder
geschaffen, die, wenngleich schon recht manieriert
in der Formensprache, neben der gewohnten Kleinlichkeit
und Glätte monumental erscheinen. Da sie die
Signatur des Meisters nicht aufweisen, konnten sie
angezweifelt werden. Sie gingen zuerst infolge eines
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