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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0032
Max Liebermann, Studie (verkleinert).

brüstend, ihn einen Himmelstürmer nennen. Er
ist nicht der geduldige Spürer oder der zerlegende
Naturforscher, der nur zu leicht vor Bäumen den
Wald nicht sieht, indem er sich blind starrt bei
Einzelheiten, auf Kosten des grossen Ganzen. Er
tritt mit jagendem Puls und mit vor Ungeduld ruhelosem
Blick an die Natur heran. Der lebendigen
Erscheinung, dem blühenden Leben in seinem
frischen Reize geht Liebermann nach.

Mit, man könnte sagen, objektiver Aufrichtigkeit
äusserte sich seine kühne Kunst in einer fast
willenlosen Hingabe an die Natur. Daher auch ist
nicht die Besonnenheit, das Gleichgewicht in der
Komposition seine starke Seite und deshalb auch
überragen seine Skizzen öfters seine Gemälde.
Daher aber auch sein oft staunenswertes Wagen
und das Gelingen dann von Aufgaben, die ruhiger
überlegende Naturen sich nie stellen würden. Unter
den alten Holländern, die er so eifrig studiert haben
soll, haben ihm sicher die rapide Technik von

Frans Hals, die hellen Farbenfeste des
Vermeer mehr zugesagt als die Besonnenheit
eines Jan Steen oder die
Intimität von Hobbema.

Denn er ist der Maler der vorübergehenden
Erscheinung, der Maler
des Flüchtigen, der Bewegung. Der
Bewegung als der eigentlichen Handlung
der Figuren (Frau mit den
Ziegen, Flachsspinnerinnen), der Bewegung
, durch den Wind hervorgebracht
über stillstehende Figuren
(Netzflickerinnen), der Bewegung sogar
, die sich rein aus der Gruppierung
ergiebt (Münchener Biergarten
). Er ist der Maler des Lufthauchs
, der durch alles hinfährt. Ist
auch seine Farbe zuweilen etwas undurchsichtig
, ist auch seine Zeichnung
manchmal etwas schwer, eigentlich
schwerfällig wird dieser lebhafte
Künstler nie. Man wird unter Liebermanns
Werken auf keines hinweisen
können, wo trocknes Wissen an der
Stelle gesunder Kraft steht. Sein
Talent hat nichts Gekünsteltes. Es
ist eine vollkommen eingeborene, fast
unbewusste Gabe. Das eigentlichste
Wesen der Dinge erfasst er schnell
und gleichsam unwillkürlich, und
wenn er sich in seiner Ausdrucksweise
ein einziges Mal dem Dramatischen
nähert, so geschieht dies
ohne den geringsten Atelier- oder Theaterkram.
Ein erkennbares Kunstprinzip hat dieser Pfadfinder
keineswegs. Daher hat von den Dutzenden deutscher
Maler, die seinen Wegen folgten, seine Vorwürfe
sich aneigneten, sich seiner Anschauungen
bemächtigten, kein einziger in seiner Richtung über
ihn Hinausgehendes geleistet oder sich ihm im Wert
auch nur einigermassen genähert.

Dass nun doch diese Persönlichkeit in Deutschland
Bewegung in der Kunst hervorrief, darüber
wird keiner staunen, der einsieht, dass man seltner
als in irgend einer anderen Schule in der deutschen
einfaches Verständnis für das Schlichte findet. Denn
welche auch ihre Vorzüge sein mögen, dem Kram
von Geschichte, Anekdote und Tendenz hat sie sich
allzuwenig ferngehalten.

In der schlichten Unmittelbarkeit eben liegt
die verjüngende Kraft, die von Liebermann ausgeht
, und hierin namentlich liegt seine dauernde
Bedeutung.

Jan Veth.

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