Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0034
stärkere Betonung des Individuellen vergeblich
suchen, wenn auch zugegeben werden
mag, dass die Aufgabe, die Gesichter von
Dutzenden von Nonnen in einfacher Zeichnung
gut auseinander zu halten, nicht leicht
war. Das dagegen, was dem Künstler oder
der Künstlerin im höchsten Grade gelungen
ist, das ist die Wiedergabe des Standes-
mässigen, Typischen: jedes dieser Bilder,
auch wenn es allein begegnete, würde von
uns als das einer frommen Frau, viele
würden geradezu als Bilder von Nonnen
erkannt werden.

Aber mit den späteren Staufern, unmittelbar
nach der Zeit des Hortus deli-
ciarum, stehen wir vor einem tiefen Wandel
der Fähigkeit zu porträtieren. Wer etwa die
Grabdenkmäler des Mainzer Doms aus dem 13.
und 14. Jahrhundert durchmustert, Werke, die
im ganzen der Durchschnittskunst dieser Zeit zugerechnet
werden können, der wird sich der Wahrnehmung
nicht entziehen, dass hier schon leise
Züge des Individuellen klar emportauchen. Freilich
fehlt daneben die stärkste Betonung des Typischen
nicht. Aber dieses erscheint, im Verhältnis zu seinem
früheren Auftreten, in abgeblassten Tönen, rundlicheren
Formen, gefälligerer und geringer angedeuteter
Art: es ist zur Wiedergabe dessen, was, von dem
Individuellen abweichend, als modeschön gilt, es ist
zum Konventionellen herabgesunken. In der That:
das Konventionelle ist das eigentlich Charakteristische
dieser Zeit; wir können es in den Tausenden von
Bildnissen des späteren Mittelalters hin bis etwa zu
den dreissiger Jahren des 15. Jahrhunderts, ja teil weis
noch darüber hinaus verfolgen. So muss noch das
angebliche Porträt Karls des Kühnen von Roger van
der Weyden im Museum zu Brüssel (Tf. 41) als
konventionell bezeichnet werden. Gewiss ist hier
schon das Untergesicht individuell belebt: Energie
und Sinnlichkeit sprechen sich in ihm aus; auch die
Augenpartie und namentlich die Gegend der Brauen
erscheint persönlich durchgearbeitet — aber daneben
steht noch eine Fülle konventioneller Züge in Stirnbildung
und Nase, in der Wiedergabe der linken
Wange, des Ohrs und des Halses, um von der
Hand gänzlich zu schweigen. Es ist ein konventionelles
Porträt, belebt durch einige individuelle
Requisiten.

Aber neben diesen für die zweite Hälfte Tdes
Mittelalters bezeichnenden Porträts finden sich doch
auch schon Ansätze einer viel weiter greifenden
Porträtkunst: von den Naumburger Donatorenbildern
reichen sie hindurch bis in die zweite Hälfte des
15. Jahrhunderts, um hier unmerklich in die grosse
Bildniskunst der Renaissance überzugehen. An der

!"*•**

Die deutschen Kaiser Konrad IL, Heinrich III, Heinrich IV.
mit ihren Frauen und Heinrich V.

Trier, Stadtbibl, Hs. 86, sog. Goldenes Buch von Prüm Bl. 74 (verkleinert).

Spitze dieser Porträts steht das erste deutsche Königsbildnis
mit wirklich unleugbarer individueller Anlage,
das Porträt Rudolfs von Habsburg, das sich auf dem
Grabsteine des Königs im Speyerer Dom befand,
und von dem eine leidliche Kopie auf Leinwand in
Wasserfarben im Wiener Hofmuseum erhalten ist
(zuerst veröffentlicht von E. Frhrn. von Sacken in
den Blättern des Vereins für Landeskunde von
Niederösterreich, Bd. XVI, zu S. 436). Das Porträt,
dessen wichtigste geistige Züge — Willenskraft, eine
gewisse sorgenhafte Strenge bei aller Gutmütigkeit —
in unserer, an sich schlecht erhaltenen Kopie
ebenso wenig verkennbar sind wie die Andeutungen
gewisser habsburgischer Eigenheiten, ist von besonderem
Interesse auch deshalb, weil wir über
die Art seiner Entstehung genau unterrichtet sind.
Ottokar von Steier erzählt in seiner Reimchronik
das Folgende:

Ein kluger steinmet\e Ein bilde sauber und rein
Aus einem marmelstein Schöne hat gehauen. Wer das
wolte schauen, Der musste ihm des jehen, Dass er nie
bild hat gesehen, Einem manne so gleich; Wann so
der meister künste reich Einen gebresten fand, So
lief er ^ehant, Da er den kunig sach, Und nam
darnach Die gestalt hie ab, Die er dort dem bilde gab.
Unter andern dingen Last iu \u lichte bringen Einen
albaeren sit, Der dem meister wonte mit. Er hat so
gar gevedemt Und in sein her^ begedemt All des
kunig es gestalt, Das er die run\en alle \alt An dem
antliii\e, Das hat der meister nüt^e Alles gemerkt.
Und da das bilde wart gewerkt, Als er sein hat
gedacht, Nu hat den kunig bracht Gebreste manig-
valter Und allermeist das alter, Das der kunig her
Einer runden mer An dem antlüt^e gewan. Das wart
dem meister kund getan. Der hub sich sich auf sein
Strassen Und lief hin f Eisassen, Da der kunig da
was: Da nam er aus und las An den sachen die war-
heit Als man ihm hat geseit. Und da er das erfand, Da
kert er \ehant Gegen Speire wider Und warf das

22 -


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0034