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G. B. Tiepolo, Der feierliche Empfang. — Berlin, Kgl. Gemäldegalerie.
Auf Leinwand, h. 0.69, br. i.o5.
Giovanni Battista Tiepolo.
(1696—1770.)
WENIGE Monate vor dem 17. März des Jahres
1770, an welchem Giovanni Battista Tiepolo
fern von der Heimat, in Madrid, ein Leben be-
schloss, das reich gewesen war an Arbeit und an
Erfolgen, hatte der Mann die spanische Hauptstadt
verlassen, der, ein Todfeind des Venezianer Meisters,
am meisten dazu beigetragen hat, seinen Ruhm zu
zerstören: Anton Raffael Mengs. Durch seine
Schriften, in denen er die Nachahmung der grossen
Meister der Renaissance als einziges und wahres
Rezept anpries für die Gesundung der Kunst, wie
durch seine Werke, die allerdings dem modernen
Betrachter nur beweisen, dass Mengs sich nach seinen
eigenen Theorien zu richten nicht befähigt war,
stellte er sich zu dem Kunstschaffen Tiepolos in
den denkbar schärfsten Gegensatz; und indem seine
Kunstlehre für eine gewisse Zeit, besonders in
Deutschland, den grössten Einfluss gewann, seine
Werke aber infolge ihrer kalten, akademischen, unpersönlichen
Glätte den Augen der Zeitgenossen,
die sich an lockeren Umrissen und bunten Farbenspielen
müde gesehen hatten, als vollendete Meisterwerke
erschienen, ging das Verständnis für Tiepolos
künstlerische Bedeutung verloren. Goethes Ausspruch
, eine Absage an die Kunstrichtung,
deren vorzüglichster Repräsentant der Venezianer
gewesen ist, ist sicher unter dem Einfluss der
Lehren von Mengs gethan worden: „Schwache
Gedanken, fehlerhafte Zeichnung, Mangel an Ausdruck
, Charakter und edlen Gestalten, der Zweck,
durch heftige Gegensätze Wirkung hervorzubringen,
unzulängliches Wissen unter kecken Pinselstrichen zu
verbergen, sind ihnen allen gemeine Eigenschaften.''
Gegen Ende des Jahrhunderts hatte man fast ganz
vergessen, dass ein Meister des Namens Tiepolo
je existiert hatte.
Unsere Zeit hat das Unrecht, das man dem
Andenken eines reich begabten Künstlers gethan, bis
zum Uebermass wieder gut gemacht. Je stärker in
der Malerei unseres Jahrhunderts die Freude an
Farbe, am rein Malerischen herrschend wurde, um
so mehr lernte man die Koloristen unter den alten
Meistern verstehen und lieben. Tiepolo, der eben
noch als Manierist verrufene Maler, hat von
dieser allgemeinen Wertschätzung der Koloristen
sein vollgemessen Teil bekommen. In der Gegenwart
ist man fast schon geneigt, in den entgegengesetzten
Fehler der Ueberschätzung zu verfallen.
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