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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0040
Putten ihr wirbelndes Spiel treiben; überall sind
anmutige Gruppen malerisch verteilt. Ob es dem
unten stehenden Beschauer gerade ein angenehmes
Gefühl erweckt, über sich in der Luft Pferdeleiber
zu erblicken, darum kümmert sich der Künstler
nicht: ist doch die malerische Wirkung der dahin-
sprengenden weissen Tiere auf dem lichten Blau
so gross und schön! Freilich wer pedantisch genug
ist, bei solchen Werken eine jede Figur einzeln zu
untersuchen, ob die Verkürzung gelungen sei, ob
ein herausragendes Bein hier, ein vorgestreckter
Arm dort engen Zusammenhang hat mit dem
Körper, der möchte manche Gelegenheit finden
zu Ausstellungen; was der Künstler aber wirklich
beabichtigte, wird ihm stets verschlossen
bleiben.

Die Dekorationen ganzer Zimmer bot Tiepolo
erst volle Gelegenheit zu zeigen, was er wirklich
war: ein Dekorateur im grossen Stile. Er war
glücklich, wenn er nichts vor sich hatte, wie vier
nackte Wände und die glatte Decke darüber, und
der Auftraggeber ihm die Freiheit Hess nach seinem
Geschmack darauf loszumalen. Dann wird zuerst die
liebenswürdigste Scheinarchitektur aufgebaut (wobei
sich Tiepolo eines Gehülfen bedient): weite, pilaster-
geschmückte Thore und Fenster führen den Blick in
prächtige Nebenräume oder auch ins Freie hinaus;
ein neues Stockwerk erhebt sich vor dem staunenden
Blick; sorglos, leichtsinnig, aber unendlich malerisch,
wie die spätitalienische Architektur es liebt, ist das
Ganze. Treppen führen herunter zu dem Raum,
in dem wir uns befinden. Die glatte Decke ist verschwunden
und wir gewahren zu unsern Häupten
reichen Ornamentschmuck, der allerlei Malereien
umschliesst: in der Mitte aber strahlt wieder der
sonnige Himmel herein. Und nachdem nun die
Bühne geschaffen, mag das Schauspiel beginnen.
Durch die Thore hinausblickend sehen wir

Antonius und Kleopatra beim Gastmahl. Die
Königin hält die Perle in der Hand und blickt
zu dem Helden herüber; ein Diener überbringt
den Becher mit Essig. Auf einer Marmorbalustrade,
die von Säulen getragen ist, begleiten Musikanten
die Scene, der das Gefolge voll Staunen zusieht
(Tf. 44. 45.). Auf der anderen Seite die Abfahrt des
Liebespaares zur Schlacht von Actium: zierlich fasst
Antonius die Königin bei der Hand; wie im Menuettpas
wandeln sie dahin zu dem Schiff, welches durch
ein mächtiges Brett mit dem Land verbunden ist.

Immer wieder, wenn man in dem mit diesen
Malereien geschmückten — nicht übermässig grossen
—■ Zimmer des Palazzo Labia steht, muss man sich
sagen, dass alles nur Schein ist: die ganze Architektur
, die Ornamente, die Gestaltenfülle in ihrer
bunten Pracht. Trotz dieser Reflexion glaubt man
lieber den Augen, als dem Verstand. Man giebt
sich der Täuschung gern hin, weil sie in so gefälliger
Form uns entgegentritt. Nie hat Tiepolos
Pinsel anmutigere Gestalten geschaffen, nie einschmeichelndere
Farben zusammengemischt. Man
beachte die Farbenwahl für die Gewänder in der
Gruppe der Musikanten: das feinste Grün, Violett,
Rosa zusammengestimmt durch einen allen gemeinsamen
Silberton. Wer hätte den Mut zu tadeln,
dass es nicht die Gestalten des Altertums sind, die
er vor sich hat, sondern Figuren, so reich geschmückt
und prächtig anzuschauen, wie sie die
Oper des achtzehnten Jahrhunderts auf die Bühne
brachte? Mögen sie unhistorisch sein: sie sind
immer noch glaubhafter, als Pilotys antiquarische
Kostümbilder und ähnliche retrospektive Werke
der neueren Kunst. Ein Künstler, der malen wollte
und malen konnte, hat uns diese Schöpfungen hinterlassen
; und so lange es Menschen giebt, welche
Freude haben am malerischen Schein, wird Tiepolos
Name unvergessen bleiben!

Georg Gronau.

Tiepolo, Landschaft.
Unterer Teil eines Freskogemäldes in Vicenza, Villa Valmarana.

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