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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0043
Und doch hat sich der rastlose Künstler bei
all diesen Erfolgen nicht beruhigt. Noch gab es
ein Gebiet neu zu gestalten, das ihm, dem Dichter
und Gelehrten, von je am Herzen gelegen, den Buchdruck
. Was er die fünf Jahre von 1891 bis zu
seinem zu frühen Ende für die englische Buchausstattung
gethan hat, genügt allein, um ihm den
unauslöschlichen Dank der Nation zu sichern. Der
Schönheit eines mittelalterlichen Bauwerkes kommt
nichts so nahe wie die Schönheit eines mittelalterlichen
Buches, war seine Überzeugung. Das tiefe
Schwarz auf dem weichen, warmtönigen Papier;
die satte Kraft des Druckbildes, bedingt durch die
markige Breite der Typen; der gesunde Flächenschmuck
der Initialen und Randleisten und der
schlichte, zum Textbild stimmende Stil der bildlichen
Illustration, — weshalb soll uns das alles verloren
sein? Wie weit an Schönheit standen dahinter alle
die Eigenheiten des modernen Buches zurück, auf
die sich die virtuose Technik unserer Buchgewerbe
so viel zu Gute thut: das kreidige, matte und glatte
Papier, die dünnen, saftlosen Buchstaben, die bunten
und kleinlichen Zierraten, die flauen Tuschbilder
oder Holzstiche und der aufdringliche Realismus
unserer illustrierten Prachtwerke. William Morris
hatte selber eine kostbare Sammlung der besten
gothischen Drucke angelegt; vor allen schätzte er
die deutschen Meister. Auch einige glänzende
Miniaturwerke waren sein Besitz. Und er hatte
auch auf diesem Gebiete schon thätig Hand
angelegt; mehrere Handschriften hatte er nach
der Weise des Mittelalters selber kalligraphiert
und mit köstlichem Randschmuck verziert und
daran die Gesetze und Möglichkeiten der Raumfüllung
erprobt; es gab keine bessere Vorbereitung
für die Arbeit am gedruckten Buche.
Kein Wunder also, dass er mit dem seltenen, fast
einzigen Einklang künstlerischer und technischer
Einsicht und Fertigkeit, in dem seine Grösse liegt,
auch die Aufgaben der Buchdekoration in ihrer
Tiefe fasste. Auch hier wieder zuerst der Rohstoff.
Er fand unter den Papiersorten der so hoch entwickelten
Industrie keine, die ihm genügte. Um die
Weichheit und innere Festigkeit des alten Papiers
zu erreichen, lernte er selber aus Linnen nach Art
der alten Meister Papier herzustellen. Dann der
Druck selbst. Auch hier sucht er die Handdruckpresse
wieder hervor und die alten Verfahren, die
Farbe aufzutragen und die Druckbogen anzufeuchten.
Es stand fest, dass eine solche Reform an Haupt
und Gliedern sich nicht mit einer fremden Anstalt
durchführen Hess, und dass er deshalb eine eigene
Druckerei gründen musste. Die beiden Typen, die
er zu verwenden gedachte, eine lateinische in der
Art der Jenson, eine gothische in Anlehnung an

Zainer, studierte er mittelst photographischer Ver-
grösserung aus den alten Drucken und zeichnete
sie gleichfalls vergrössert für seine Zwecke um.
Die reichlichen Initialen und Randleisten entwarf
er sämtlich mit eigener Hand in kräftiger Schwarz-
weissmusterung; den Hauptschmuck konzentrierte er
auf den Titel. Burne-Jones und Walter Crane
lieferten das Figürliche. Es war einmal wieder klargestellt
, dass der Buchdruck eine Kunst der Flächendekoration
ist und der echte Buchschmuck eine Art
von musikalischer Begleitung des Textes.

So begann die Keimscott Press nahe seinem
Wohnhause in Hammersmith 1891 ihre Arbeit. Sie
hat gegen fünfzig Werke gedruckt, alte Dichtungen
und neue Poesien, Klassiker und Neuromantiker,
darunter vieles aus Morris' eigener Feder. Sie
fand unter den englischen Bücherfreunden dankbare
Aufnahme. Die kleinen Auflagen waren rasch verkauft
; in den letzten Jahren sind die Hauptwerke
oft schon vor ihrem Erscheinen vergriffen gewesen;
ja der prachtvolle Chaucer, das glänzendste Werk
der Druckerei, wurde schon bei seinem Erscheinen
mit dem Doppelten des Subskriptionspreises bezahlt.
Morris' Beispiel hat in wenigen Jahren alle besseren
englischen Verleger auf neue Wege gezwungen.

Ein volles Lebenswerk scheint es, so viele
Einzelgebiete und zugleich das Ganze der dekorativen
Kunst seines Landes und seiner Zeit neu gegründet
zu haben. Aber neben dem Künstler und Handwerksmann
Morris lebte gleich thätig und gleich anziehend
William Morris der Dichter. Es steht anderen
zu, sein umfassendes poetisches Schaffen zu
würdigen. Auch hier ist alles Ernst, Fülle, Phantasie,
Schönheit; die Sprache markig bei edelstem Wohllaut
, die Verse leicht fliessend, die Bilder unerschöpflich
quellend. Wie seine Genossen, die Maler
von der präraffaelischen Brüderschaft, die Romantik
des Mittelalters und die klassische Welt der Antike
aus moderner Seele neu zu gestalten wussten, so
spiegeln auch seine Gesänge, die Lieder und die
Epen, bald die bunten Sagen der anglo-normannischen
Zeit, bald die edlen Gestalten des griechischen Altertums
wieder. Als Jüngling besingt er den Kreis des
König Artus und dichtet die Fahrt der Argonauten
nach; als Mann überträgt er die Aeneis und die
Odyssee und versenkt sich in die Sprache -und
die Dichtungen des alten Island, das er selbst
zweimal bereist; er übersetzt und dichtet neu die
Völsunga-Sage, die Geschichte Sigurds u. a.; er
giebt seinem Volke, was mit anderen Mitteln
Richard Wagner uns Deutschen gegeben hat, die
nordische Götter- und Heldensage. Und nach
der Fülle dieser und anderer romantischer Gestaltungen
setzt er sich gegen Ende seines Lebens
noch ein neues Ziel: in dichterisch phantasiereicher


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