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des Barocks. Seine geniale, schrankenlose, jeglichen
Widerstand der Materie überspringende Phantasie hat
an keiner der überkommenen Formen gerührt, ohne
sie fast bis zum absolutNeuen umzugestalten, und Unerhörtes
aufgebaut, wo schon die Varietät der Typen
erschöpft schien. So sind die Barcaccia auf der
Piazza di Spagna und die Fontana del Tritone auf
der Piazza Barberini ganz eigenartige Umformungen
des Schalensystems. Bei der Barcaccia folgen die
drei Teile des Schalenbrunnens ganz dicht aufeinander
, und das Wasser tritt ohne das übliche
starke Gefälle von einer Form in die nächst tiefere.
Wüsste man nicht, dass die im Hintergrund zur
Trinitä de' monti aufsteigende Scalinata weit später
erbaut worden ist, möchte man meinen, der Brunnen
sei nur das Schlussstück dieser imposanten Treppe,
die ihrerseits an eine zu strengen architektonischen
Formen erstarrte Kaskade erinnert. Das Motiv des
Schiffes hatte schon Giacomo della Porta in der
Villa Aldobrandini zu Frascati verwendet und nach
ihm Carlo Maderna im Belvedere des Vatikans, aber
Bernini hat es weniger naturalistisch als Maderna
und glücklicher als della Porta für die Komposition
zu verwenden verstanden. Im Tritonenbrunnen ist
alles architektonische Gerüst in figurale Motive
aufgelöst. Delphine, über der Flut des Beckens
fauchend, stützen mit ihren hochgeringelten Schwänzen
zwei breit ausladende, reich gekerbte Muschelschalen,
über denen ein Triton knieend seinen herkulischen
Körper reckt und mit vollen Backen aus einem
Muschelhorn einen flimmernden Strahl in die Höhe
bläst.
Auch dem Nischenbrunnen hat Bernini in dem
Quellenhause der Acqua Acetosa eine neue Form
gegeben, wobei er seinen beliebten Kunstgriff von
den Peterskolonnaden wiederholte. Die bisher gradlinige
Nischenarchitektur bog er nämlich zum Halbrund
aus und erzielte, indem er die Mauer hinten
allmählich niedriger aufführte, eine gelungene perspektivische
Täuschung über die wahre Tiefe des
Rundes. Dies Brunnenhaus vor Porta del Popolo
ist fast der einzige Dekorationsbau Berninis, an dem
das Figürliche zu Gunsten des architektonischen
Gebildes gänzlich zurücktritt. Sonst war Bernini
überall bemüht Figürliches an die Stelle der baulichen
Glieder treten zu lassen. Das prächtigste Beispiel
für seinen voll entwickelten dekorativen Stil ist der
grosse Mittelbrunnen auf Piazza Navona (Tf. 60).
Er ist der vollkommenste Repräsentant des isolierten
Felsbrunnens, der in der Kunst bisher noch nicht
vertreten war. Hier ist alles Aufregung und Unruhe.
Die Marmorfiguren der vier Ströme erscheinen
wie lebendig gewordene Voluten, die ihrer Funktion
noch nicht recht gewiss sind, mit Mühe trotzt
der massige Fels in dem Schwall der Wasser,
die auf allen Seiten ihn durchbrechen und untergraben
. Nur die. lastende Wucht des schlank und
ruhig aufsteigenden Obelisken scheint die erregte
Materie zu seinen Füssen zu bändigen.
Von Bernini haben die nachfolgenden Meister
ausnahmslos gelernt und ihre leichteren Melodien auf
den kräftigen Grundbass seines Schaffens abgestimmt.
Nun kennen wir die Muster, auf die so viele Brunnen
mit blasenden Tritonen und wasserspeienden
Seepferden zurückzuführen sind, den Meister, dessen
Vorbild noch in jenem ganz modernen Gegenstück
des Neptunsbrunnens auf Piazza Navona fortwirkt.
Mit Bernini sind auch die Typen, die wir für die
Brunnen aufgestellt haben, erschöpft.
Die stolze Reihe der Wasserkunstwerke Roms aber
schliesst ein Monumentalbrunnen ab, der an Grösse
sie alle übertrifft und in dem Reichtum seiner Formen
alle Typen bis zur Kaskade in sich vereint. Es ist
die Fontana Trevi (Taf. 15. 16.), diese kolossale
in ein weites Becken niederrauschende Kaskade, die
von Figuren belebt und von naturalistisch gebildeten
Stein- und Pflanzenformen durchwachsen, sich mit
einer riesenhaften Triumphbogennische bis in die
reichgegliederte Fassade des Palazzo Poli hineinschiebt
. Alle Pracht und Ueppigkeit römischer
Brunnenkunst scheint dieser Bau noch einmal zusammenzufassen
, und von der Grossartigkeit seines
Eindrucks darf wohl die Phantasie den Weg zurücksuchen
zu der Pracht römischer Kaiserzeit;
ahnen wir doch im Barock der Neuzeit die parallele
Erscheinung zu dem Barock der Antike. —
Der moderne Mensch bietet nur eine missliche
Staffage für die monumentale Grösse dieser Barockbrunnen
. Verschwunden sind die goldstrotzenden
Karrossen der Kirchenfürsten, deren schweres Rollen
das Plätschern der Wasser übertönte, verschwunden
der schwatzende Pöbel, dessen bunte Tracht auf
dem Wasserspiegel der Bassins farbig schillerte, und
nur in aller Morgenfrühe noch treibt der Campagnole
die durstende Ziegenheerde an die erfrischenden
Stätten. Der kleinliche Lärm des Tages überdröhnt
das unermüdliche Geplätscher der Brunnen.
Wer aber Rom durchwandert in einer jener blauen
Nächte, wenn der Mond schräg in hohe Gassen
scheint, und alles schwarz und ungeheuer in die Stille
emporwächst, den begleiten durch die ganze Stadt
die geschwätzigen Wasser mit ihrem anheimelnden
Rauschen, das dem Schweigen ringsum die Schauer
der Einsamkeit nimmt. „ . .
Hans Mackowsky.
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