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Menge von Bindemitteln bedürfen, um die fürs
Malen nötige Konsistenz zu erhalten; Terra di
Siena z. B. braucht 183, Blei weiss dagegen nur
14 Teile Leinöl. Je nachdem, entsprechend der
Beschaffenheit der darzustellenden Gegenstände,
mehr Licht entweder zurückzuwerfen oder durchzulassen
ist, wird der Maler die deckenden oder
die durchsichtigen Farben anwenden. Gilt es einer
Farbe Leuchtkraft zu verleihen, so wird dies durch
die Verwendung eines weissen Grundes am besten
zu erzielen sein; die Verwendung farbiger oder
dunkler Gründe vermag weitere Verschiedenheiten
in den Wirkungen herbeizuführen; dünne Schichten
einer deckenden Farbe lassen sich als trübendes
Medium verwenden.
Dieses Uebereinanderlegen und Durchschimmernlassen
der Farben bildet die wichtigste, schwierigste
und mannigfaltigste Art des Farbenauftrags; es erfordert
die grösste Ueberlegung, die ausgedehnteste
Erfahrung und hat in den Zeiten lebendiger Kunstüberlieferung
deren wesentlichen Inhalt gebildet.
Daneben kommt das unmittelbare Mischen der
Farben in Betracht, das in den früheren Zeiten nur
mit grosser Zurückhaltung geübt wurde, seit den
letzten Jahrhunderten aber die allgemeine Regel
bildet; und weiterhin das Nebeneinandersetzen von
Farben, die durch die Vermischung ihrer Wirkung
ein neues Ganzes bilden, die beabsichtigte Wirkung
also durch die Auflösung einer Farbe in ihre einzelnen
Bestandteile erzielen. Die letztgenannte Art
des Farbenauftrags, die in früheren Zeiten nur ganz
ausnahmsweise zur Darstellung bestimmter Wirkungen
des grellen Sonnenlichts verwendet wurde,
hat erst in jüngster Zeit eine ausgedehntere Bedeutung
gewonnen, kommt hier also nur wenig in
Betracht.
Durch alle diese Mittel ist der Thätigkeit des
Malers ein weites Feld geöffnet, wobei er nur darauf
zu achten hat, dass er neben der richtigen Darstellung
der Körperlichkeit und des Raumes auch
die Klarheit und Leuchtkraft des Farbenbildes an
und für sich wahre. Denn mag er auch mehr zur
naturalistischen oder mehr zur stilisierenden Be-
handlungsweise sich hinneigen, die Farbe wird er,
ausser als ein Mittel zur Verdeutlichung des Gegenständlichen
, als einen selbständigen Bestandteil des
Bildes, der gleich dem Ton in der Musik seine
eigenen Wirkungen ausübt, im Auge zu behalten
haben. Die Farben reden eine eigene Sprache, die
man als ihre Symbolik zu bezeichnen pflegt. Hierüber
seien, in teilweisem Anschluss an Goethes
Farbenlehre, noch einige Worte gesagt.
Der Maler Runge wies den drei Grundfarben
Gelb, Rot und Blau die Stellung an, dass das Gelb,
als die dem Weiss zunächst benachbarte Farbe, am
Anfang jener Reihe der warmen Farben steht, die
sich durch das Orange (das in Rotgelb einerseits
und Gelbrot andrerseits zerfällt) bis zum reinen
Rot hinzieht; während das Blau wiederum, das an
das Schwarz angrenzt, durch das Violett hindurch
(zunächst Rotblau, dann Blaurot) gleichfalls bis zum
Rot geht, die Reihe der kalten Farben bildend; das
Rot aber stellt den Berührungspunkt beider Reihen
dar. Nach der entgegengesetzten Seite schliesst endlich
Grün, als die Mischfarbe von Gelb und Blau,
den Kreis der Farben ab.
Ueber die Wirkung der einzelnen Farben macht
nun Goethe die folgenden Bemerkungen. Gelb wirke
immer hell, munter und warm, daher es der beleuchteten
Seite der Darstellung zukomme. Das ist
dahin einzuschränken, dass es je nach seinem besonderen
Charakter bisweilen auch kalt wirken kann,
wie gerade beim Golde, worin Goethe den Höhepunkt
dieser Farbe zu erblicken geneigt ist. Richtig ist
dagegen, dass das Gelb gegen Trübung, wie eine
solche durch die Rauhigkeit des Stoffs, also z. B.
Wolle im Gegensatz zur Seide, hervorgerufen werden
kann, sehr empfindlich ist. — Das Rotgelb (Orange)
wird man nicht mit ihm als eine Verstärkung und
Erhöhung des Gelb, sondern eher als eine Trübung
desselben und als eine Ueberführung zum Rot anzusehen
haben. — Dem Gelbroten (Zinnober) haftet
der Charakter des Gewaltsamen an, so dass es selbst
noch bei einem ziemlichen Grade von Dunkelheit
wirkt. Kräftige, gesunde, natürliche Menschen, in
hohem Grade die Kinder und die Naturvölker,
fühlen sich daher zu dieser Farbe, welche selbst auf
Tiere erregend wirkt, besonders hingezogen.
Im Gegensatz zu diesen Farben habe das Blau
einen ausgesprochen dunklen, kühlen, beruhigenden
Charakter; es sei die Farbe der Schatten, der Tiefe
und der Ferne; durch einen Beisatz von Grün, als
Meergrün, gewinne es einladenderes Aussehen. Das
Rotblau (Violett) w7ird man auch hier nicht mit ihm
als eine Steigerung, sondern vielmehr als eine
Trübung des Blau anzusehen haben; selbst zu Lila
verdünnt, bewahrt es immer noch viel von seinem
kühlen Charakter. Das Blaurot (Purpur) wirkt aufregend
, wenn es in voller Stärke genommen wird.
Beide Reihen vereinigen sich in dem reinen Rot
(Karmin) als in ihrem Höhepunkte, einer Farbe, die
den Eindruck der Pracht hervorruft und daher als
Symbol der Herrschaft verwendet zu werden pflegt;
zum Rosa abgeschwächt, kann es als die Farbe der
Jugend angesehen werden. Je nachdem dessen kalte
oder warme Seite mehr betont wird, lässt es sich
unendlich verschieden gestalten. Grün, die Verbindung
von Blau und von Gelb, wirkt, wenn beide
sich in der Mischung genau das Gleichgewicht halten,
als ein Einfaches, das volle Befriedigung und
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