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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0059
Farbe, beim Menschen und bei dessen Umgebung.
Die moderne Kunst schreitet zu immer complicierteren
Stimmungen weiter, sucht immer feinere Reize der
Sichtbarkeit zu entlocken. Auch bei stark subjektiven
Naturen, auch bei den Künstlern, in deren Bilder
sich regelmässig eine Novelle einzuflechten pflegt,
ist der ästhetische Genuss der Erscheinungswelt das
eigentlich Befruchtende. Der Quell, aus dem die
Kunst des Cornelius floss, war aber ein anderer; die
Freude an der Sichtbarkeit war bei ihm nicht von
dieser Bedeutung.

Dies zeigt sich fürs erste darin, dass er an dem
sinnenfälligen Reiz seiner eigenen Kunstwerke weit
weniger Interesse hatte, als man dies bei Künstlern
anderer Epochen gewohnt ist. Er schmähte auf die
„Künste", das Handwerk in der Kunst, das man
heute im ganzen Umfange zu ehren beginnt. Wohl
brauchte auch er das Wort „schön" für ein Kunstwerk
, das seiner Ansicht nach gut war, wohl konnte
die rohe Ausführung eines guten Kartons auch seine
Entrüstung hervorrufen, aber er hat doch die Ausführung
, selbst von Hauptwerken, seinen Schülern
überlassen. Die Dekoration ferner war für ihn kaum
Kunst. Aus seinen mündlichen und schriftlichen
Aeusserungen vernimmt man auch selten einen Ausruf
der Begeisterung über die Schönheit eines
Menschen oder einer Landschaft. Die Landschaft war
für ihn kaum ein Vorwurf, der der Kunst würdig
genug war. Das Spiel des Lichts, der Zauber der
Farbe liess ihn kalt. Wohl schätzte er einen Rem-
brandt und sein Scharfblick erkannte auch, dass die
Realisten, die in den späteren Jahrzehnten seines
Lebens neben ihm aufkamen, es in dem, was
sie wollten, noch lange nicht so weit gebracht hatten,
wie die ältere Kunst, aber er schätzte einen Rembrandt
doch nicht wegen seiner virtuoseren Behandlung
des Helldunkels, sondern wohl nur als Dramatiker,
als das, was er unter einem trefflichen Historienmaler
verstand.

Seine tiefsten Bekenntnisse hat Cornelius ausgesprochen
in der Art, wie er seine Figuren gestaltet
und handeln lässt. Es lag ihm nicht, den
dramatischen Vorgang durch ein landschaftliches
Stimmungsbild zu begleiten. Im Faustcyklus finden
sich noch Ansätze dazu, in seinen späteren
Schöpfungen ist die Bühne von Shakespearscher Einfachheit
. Seine Ausdrucksmittel sind fast nur der
Mensch, sein Gewand und das Pferd. Bei der
Darstellung des Menschen und seines Begleiters
aber vermisst man den Reiz des Individuellen.
Man ist heute leicht geneigt, einen Künstler nach
der Fähigkeit zu beurteilen, jene flüchtigen und
zufälligien Regungen des Seelenlebens aufzufangen,
die gerade die intimsten Bekenntnisse über die Eigenart
eines Individuums enthalten und uns wie ein

herzliches Bekenntnis sofort als etwas Vertrautes
gefangen nehmen. Vergebens sucht man bei Cornelius
nach diesen naiven Aeusserungen. Er will
gar nicht Individuen schildern, sondern Typen schaffen,
in typischen Gestalten spricht er seine höchsten
Ideen aus. Er will nicht in Stimmungen schwelgen,
sondern Beispiele aufstellen.

Ein Raffael oder Dürer hat freilich typische
Gestalten geschaffen, die mit allen Reizen des Individuellen
ausgestattet sind. Eine Kunst wie die
am Beginn des XVI. Jahrhunderts bedurfte aller
Erscheinungen, die im Bereich der Sichtbarkeit liegen,
um sich ganz auszudrücken, und suchte sich
alle technischen Mittel der Malerei zu erobern.
Cornelius sah gerade in der Kunst dieser Zeit
oder genauer in den ersten Schöpfungen, die
über den Realismus des XV. Jahrhunderts hinausgingen
, den Höhepunkt aller Kunst. In der Art,
wie er die Figuren aufstellt und modelliert,
in der Art, wie er die Raumwirkung herbeiführt, in
dem Verzicht auf die Wirkung durch breite Licht
und Schattenmassen und dem Betonen der Konturen
hat er sich in seinen frühen Werken enge an die
Schöpfungen jener Tage angeschlossen. Aber es
geschah dies hauptsächlich darum, weil er hier zum
letztenmale das religiöse Empfinden vorfand, das
ihm congenial war. Er verzichtete mit dem An-
schluss an jene Zeit auf alle die Mittel der Darstellung
, die eine dreihundertjährige Entwicklung
seither erobert hatte, die Mittel der Darstellung,
nach denen seine Vorbilder gerade die Hand ausgestreckt
haben. Seine Typen sind aus blasseren
Erinnerungen an die Natur entstanden als die eines
Raffael oder Dürer. Weit mehr als für die Kunst am
Ende des XV. und Anfang des XVI. Jahrhunderts
ist auch für Cornelius der Vorwurf der eigentliche
Gegenstand der Darstellung. Hierin berührt
er sich mit einer weit primitiveren Stufe, mit der
des XIV. Jahrhunderts, mit Giotto. Mit diesem
teilt Cornelius seinen Sinn für das Typische.
Es sind auch im römischen Kreise des Künstlers
Stimmen laut geworden, die bekunden, dass man
die Verwandtschaft mit Giotto gefühlt hat.

Der Born, aus dem seine Schöpfungen flössen, war
eben nicht die Freude an der Natur, sondern die Begeisterung
für sittliche und religiöse Ideen. So konnte
er angesichts der neben ihm aufstrebenden neuen
Kunstrichtungen die Ueberzeugung aussprechen, dass
das Reich Gottes kommen müsse auch in der Kunst.
Er war geborener Katholik und ist auch seiner
Kirche stets treu geblieben, nahm aber eine sehr
weitherzige Stellung ein; die Ideen, die er in seinen
religiösen Werken ausspricht, sind allgemein christliche
. Immer aber, wo wir etwas über die Gründe
vernehmen, die ihn zur Wahl eines Stoffes veranlasst


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