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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0060
haben, ist es der ethische oder religiöse Gehalt. Es
scheint nicht, dass er einen Stoff nur darum wählte,
weil er ihm Gelegenheit bot, Bilder, die seine Phantasie
berückten, zu veranschaulichen.

Der mangelhafte Unterricht im Studium der Natur,
den ihm die degenerierte Kunst des XVIII. Jahr-
hunderts auf den Weg gegeben, erklärt dies alles nur
zum Teil. Ein Genius wie Cornelius besitzt die Energie,
unermesslich viel, wenn auch nicht alles nachzuholen.
Der Grund lag viel tiefer. Cornelius gehörte zu der Generation
der Freiheitskriege, die der ästhetischen Verfeinerung
des XVIII. Jahrhunderts überdrüssig, aut
einen primitiveren Standpunkt auch des Empfindens
zurückgekehrt war. Wie eine ästhetische Verfeinerung
alles sittliche Empfinden überwuchern
kann, so konnte auch die heroische Gesinnung
jener kraftvollen Generation das Empfinden für den
schönen Schein zurückdrängen.

Auch eine Darstellungsweise, bei der das Sinnenfällige
eine ähnlich geringe Rolle spielt wie bei Giotto,
kann Kunst, kann bildende Kunst sein; auch sie
ist fähig, zarte Empfindungen und höchste Leidenschaften
zu vermitteln. Freilich spricht sie nicht
unmittelbar zum Empfinden, sie verschafft Genuss,
indem sie die Phantasie belebt und das Denken
beflügelt. Deshalb ist sie aber auch leichter verständlich
, sie wendet sich nicht bloss an eine kleine
Gruppe feinfühliger Kenner, sondern an alle Schichten
eines Volkes. Dies erklärt die fürstengleiche Stellung,
die Cornelius eingenommen hat.

In ihren psychologischen Ursachen steht eine
solche Kunst denen des Dramas oder auch des Epos
noch näher als eine Kunst wie die heutige.

Cornelius, der in seiner Jugend geschwankt
-haben soll, ob er Dichter oder Maler werden wolle,
besass in der That eine sehr starke dichterische

Veranlagung. Dies beweisen schon trotz aller
Mangel in Orthographie und Satzbau, die eine mangelhafte
Schulbildung mit sich gebracht, einige seiner
Jugendbriefe.

Cornelius besass aber auch ausserordentliche
bildnerische Fähigkeiten. Von den Vorzügen, die
ihm am Beginne unseres Jahrhunderts nachgerühmt
wurden, steht, um nur dies eine zu nennen, der
Reichtum an Gestalten oder, wie Dürer sich ausdrückt
, an „inneren Figuren" noch heute im alten
Ansehen, und wir verstehen noch heute, dass ihm
dieser Vorzug nachgerühmt wurde. Dieser Reichtum
befähigte ihn auch, bei jeder Aufgabe die
Lösung zu finden, die seinem Stilgefühl entsprach,
daher die zwanglose Raumfüllung und die Leichtigkeit
in der Verteilung der Massen. Was uns heute
steif erscheint, ist der Ausdruck seines herben
Naturells. Es bildet sich bei ihm früh schon trotz
aller Anlehnung ein eigener xMenschentypus, der
seinen eigenen Bedürfnissen entspricht.

Vor allem aber fehlt seinen Gestalten das höchste
nicht — der Schein des wirklichen Lebens. Es ist
nicht zu verkennen, er besass schon damals, als er
den Faust begann, die Fähigkeit, menschliche Leidenschaften
ergreifend darzustellen. Er verfügt namentlich
über ein gewaltiges Pathos, ein Pathos, das durchaus
echt ist. Es äussert sich im Ritt am Rabenstein,
so gut wie in seinen apokalyptischen Reitern. Wo
er die höchsten Leidenschaften im grössten Massstabe
aussprechen soll, scheint die Grösse der Aufgabe
eben recht gekommen zu sein, um seiner
Schöpferkraft eine längst erwünschte Gelegenheit zu
bieten. Und so besass er wenigstens selber die Befähigung
zu monumentalem Schaffen, in der er die
Ueberlegenheit der Deutschen des XIX. Jahrhunderts
über die anderer Nationen gesehen hat.

Heinrich Alfred Schmid.

Der Morgen. Carton für den Göttersaal der Münchener Glyptothek.
Berlin, kgl. Nationalgalerie; h. 1.66, br. 2.22.

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