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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0066
Mutter vor der Passion darstellt (Tf. 106). Correggio
zeigt sich hier schon in seiner ganzen Kraft. Christus
vor der Mutter knieend und das Haupt neigend,
scheint den Segen zu erwarten und im Tone des
Gebetes Abschiedsworte zu murmeln. Jobannes
neben ihm heftet tief traurig den Blick auf ihn,
mit gefalteten Händen und scheint in Klagen ausbrechen
zu wollen. Die Madonna, mit erloschenen
Augen und halbgeschlossenen Lippen, auf denen
der Schmerzensschrei erstorben zu sein scheint,
vermag sich vor Schmerz nicht mehr aufrecht
zu halten und dem Sohne zu nähern und wird
bleich und kraftlos von der anmutigen Magdalena
gehalten, über deren Arme sie die Hand herabfallen
lässt, die sie vielleicht erheben wollte, den
Sohn zu segnen oder ihn zurückzuhalten oder ihn
anzuflehen.

Dies Gemälde zeigt, wie sehr man sich irrte,
wenn man Correggios Namen mit einem anderen
Bilde desselben Gegenstandes in der Galerie in
Berlin hat in Verbindung bringen wollen. In diesem
Bilde, das in Wahrheit von Lorenzo Lotto herrührt,
sehen wir einen stirnrunzelnden heiligen Petrus,
eine Alte, die den Mund verzerrt, ein Hündchen,
das mit dem Gewände der Stifterin spielt, eine Katze
mit funkelnden Augen, im Hintergrunde eine Laube,
einen Kirschzweig und einen Orangenbaum. —
Correggio hat ein Drama geschaffen, Lotto eine
Komposition aus dem ersten besten Werkstatts-
material, das ihm unter die Hände kam, zusammengestellt
. Lotto untermalt oft das Fleisch mit Rosa,
aber ganz gleichförmig, und verwendet erdige und
grünliche Schatten, und bedeckt die Borden der
Gewänder netzförmig mit Rhomben und Pünktchen.
Correggio dagegen strebt der Idee als Ganzem nach,
mit Schwung und Liebesbegeisterung oder in
der Glut der Wollust. Lotto ist klug, Correggio
genial, der eine findet graziöse und naive Bewegungen
für die ihm geläufigen Gestalten, der
andere haucht ihnen ätherisches Leben ein, Lotto
setzt die Tradition fort, Correggio krönt sie!

Correggio ist der Maler des Lichts. In der
Madonna mit dem heiligen Franciscus in Dresden
malt er die Engel bläulich, wie Genien der Nacht,
die im Lichte der Morgenröte verflüchtigen, dann
in der Madonna mit dem heiligen Sebastian,
ebenfalls in Dresden, schweben die Engel von der
Sonne vergoldet. In der Madonna mit dem heiligen
Georg sehen wir andere Engel, zwischen den tiefen
Schatten vom Sonnenlichte beleuchtet, das von
oben durch die Oeffhung der Kuppel einfällt und
dem Silber und der Seide der Gewänder den
heiligen Glanz verleiht. Andere Engel wieder, in
der „Nacht" sind wie von Flammen der Liebe
umflossen, wie bekleidet mit dem Glänze, der von

dem göttlichen Kinde ausströmt, sich ausbreitet und
in der Finsternis sich verliert. Und oben in den
Kuppeln leben und lachen sie, dass man, wie
Lodovico Carracci sagte, mit ihnen leben und froh
sein muss. Sie sind wie mit dem Safte der Rosen
gemalt und blicken mit grossen Augen verliebt um
sich, lachen und jauchzen. So hat die italienische
Kunst die Wesen des Himmels in Liebessinnbilder
irdischer Schönheit umgestaltet.

Die lebhafte Empfindung für Licht und die
Harmonie der Farben offenbart sich immer deutlicher
in den Werken der zweiten Epoche seiner
Thätigkeit. Ein schönes Beispiel dafür bildet die
Madonna Campori in der Gallerie von Modena
(Tf. 105). Es ist eine Madonna von edelsteinartigem
Glänze, mit dem Kinde, das voll Anmut mit der
einen Hand den Ringfinger der Rechten der Madonna
erfasst und mit der anderen aus ihrem Schosse
sich zu erheben sucht, um die Mutter zu umarmen
und zu küssen, die das liebliche Haupt zurückbeugt
und das Kind voll Zärtlichkeit anblickt. Das Werk
schuf Correggio in der Zeit, als er im Begriffe stand,
mit den alten Gewohnheiten und Traditionen zu
brechen und sich zu den unsterblichen Werken der
Kuppeln von Parma aufzuschwingen. Die Umrisse
werden schon breiter und freier, die Harmonie der
Farben verbreitet sich wie mit Engelstönen und die
Schatten fallen durchsichtig wie aus einer Frühlingswolke
herab.

Aus gleicher Zeit mit diesem Bilde ist die verlorene
Madonna von Albinea, die in den Bewegungsmotiven
grosse Aehnlichkeit mit ihm zeigt.
Wir kennen sie nur aus den Kopien der Brera in
Mailand und des Kapitols; sie wurde 1647 vom Altar
der Kirche von Albinea entführt und verschwand
vor 1720 aus der Estensischen Gallerie. Vielleicht
blieb sie in den Mauern eines Klosters verborgen,
oder wurde von den Este einem Könige geschenkt,
der Schutz und Diplome für kostbare Gemälde gab,
und endigte vielleicht in Stücken auf einem Holzhaufen
? Das tiefste Geheimnis herrscht über dieses
Werk, nur die Madonna Campori scheint teilweile ihre
süssen, anmutsvollen Formen uns zu enthüllen. In
der Decke des Klosters von San Paolo und in den
beiden berühmten Kuppeln in Parma nahm
Correggios Genie seinen höchsten Flug. Die
Körper seiner Gestalten scheinen sich den Gesetzen
des Schwergewichtes zu entziehen und in den
kühnsten Verkürzungen dargestellt, frei im Räume
zu schweben. In der Kuppel der Kathedrale in
Parma schwebt die Madonna, umgeben von einem
Chor von Engelstimmen, in süssester Hingebung
auf den Wolken empor, die Arme weltentrückt
ausbreitend; und ringsum fliegen liebäugelnde
Engel zwischen den Wolken, sie schiebend, um


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