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Weise durch zarte und leichte Sfumaturen modelliert,
und die zarten Gesichter sind durch einen matten
roten Schimmer auf den Wangen und von Zinnoberrot
auf den Lippen belebt. Die bläulichen Kreise, in
denen die erschreckten Augen Ganymeds sich bewegen
und im Halbschatten sich zu erweitern
scheinen, sind vom „Maler der Grazien" gemalt.
Hier bemerkt man auch die Correggio eigene Malweise
alla prima, dieselbe dünne Farbenschicht,
die auch die Danae und die Jo zeigen. Bei den
Nachahmern Correggios ist der Farbenauftrag dick
und körperhaft, bei dem Meister dagegen ist er sehr
dünn, so dass, wenn die Leinwand, wie das beim
Ganymed und bei der Danae der Fall war, unvorsichtig
gefaltet und gerollt worden ist, die Farbenschicht
in Schuppen, wie von einem Aquarell auf
Pergament, zerbröckelt, abfällt und das feine Gewebe
der Leinwand sehen lässt. Und doch bewahren
merkwürdigerweise auch diese Gemälde
Correggios ihre alte Leuchtkraft und die volle Rundung
der Formen. Der Ganymed ist stark restauriert,
das rote flatternde Mäntelchen hat Flicken von
orangeroter Farbe, und doch bleibt das Kind göttlich
schön. Der Adler hat etwas Heraldisches, und doch
erscheint er mit seinem schwarzen Schnabel, den
der Sonnenglanz vergoldet, und mit seinen leichten
Federn am Halse, die mit dünnem Pinsel gezeichnet
sind, in seiner ganzen wilden, königlichen Schönheit.
Unten auf der Erde bellt der Wolfshund, der mit
der ganzen Freiheit und Wahrheit modelliert ist,
wie die Hunde in der Camera di S. Paolo; es
rauscht das Laub eines Baumes, das herbstlich gefärbt
ist, als ob Gold von ihm herabtropfte. Die
Blätter sind stark mit schnellem Pinsel, mit fetter
Mischung goldiger Tinten gezeichnet, so wie
Correggio sie immer zu malen pflegte, auch in der
Magdalena in Dresden, die man ebenfalls mit Unrecht
aus der Zahl seiner Werke hat streichen wollen. Den
Hintergrund bildet eine Kette bläulicherBerge, die sich
von der Morgenröte beleuchtet zum Himmel erheben.
Nur Correggio hat den Ganymed malen können!
In der Blüte seiner Jahre starb Corregio im
Jahre 1534, seinen Zeitgenossen fast unbekannt,
wenigstens ausserhalb des Kreises der emilianischen
Gegend. Er blieb auch später den Forschern, den
Liebhabern und Kritikern verborgen. Als Mensch
ist er fast ganz in der Verborgenheit geblieben,
und nur als idealer Maler lebt er fort. Vergeblich
hat man versucht, aus seinen Werken, aus seinen
purpurnen Madonnen, aus seinen Engeln mit den
tiefen Augen die Geheimnisse seines Lebens erraten
zu wollen. Wer das unternahm, konnte nur Legenden
schreiben. Der Enthusiasmus für den göttlichen
Maler brach erst gegen das Ende des XVI. Jahrhunderts
hervor, als Kaiser Rudolph II. die Einsamkeit
seiner kaiserlichen Gemächer mit den Gemälden
Corregios erheitern wollte, und als die Schule der
Carracci den Meister als das Urbild der Anmut bezeichnete
. Parma wurde im siebzehnten Jahrhundert
der Wallfahrtsort der Künstler, und auch im folgenden
Jahrhundert war die Bewunderung nicht weniger
gross: Raphael Mengs eröffnete mit dem Namen
Correggios eine neue Aera der Kunstkritik, August III.
von Polen und Kurfürst von Sachsen begründete
mit den Gemälden Correggios den Weltruf der
Dresdener Gallerie und Tiraboschi sammelte aus
Patriotismus die historischen Erinnerungen an den
Meister.
Adolfo Venturi.
Correggio. Putten.
Fresko. Parma, S. Paolo.
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