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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0070
Abstrahieren von Gegenwart und Wirklichkeit, eine
Phantasiethätigkeit, zu der unser Geist erzogen sein
muss. Seine Kunst, so tief sie auch in der Wirklichkeit
wurzelt, bringt diese doch nicht zu unmittelbarem
und entschiedenem Ausdruck, und so erfordert sie
von dem Beschauer eine geistige Arbeit, deren nur
die Begabten fähig sind. Selbst des Meisters Bildnisse
gehen im allgemeinen nicht unmittelbar von der durch
Konvention und sonstwie unbeeinflussten Natur aus,
wie diejenigen Tizians zum Beispiel.

Von Rubens gemalt zu werden, war das Vorrecht
der Grossen, derer, die ihre soziale Stellung
über die Menge erhob. Die Haltung, die Lichtführung
, selbst das Beiwerk bezeugen die Sorgfalt
der Inszenesetzung, welche ein Modell von minder
hohem Rang dem Meister erspart. Es liegt in seinen
Bildnissen ein gewisser Heroismus, von dem das
Selbstporträt des Künstlers das treffendste Beispiel
ist (vgl. Bd. I, Tf. 57). Der Nachwelt ist der Name
Rubens unzertrennlich von der Erinnerung an dieses
Selbstporträt; durch alle Arten von Reproduktion,
von der aus Marmor bis hinab zu der aus Pfefferkuchen
, ist es denkbar populär geworden.

Winckelmann begründet in dem oben zitierten
Brief an Cobenzl sein Urteil über Rubens auf den
Bildern von Santa Maria in Vallicella in Rom. Er
denkt, Rubens müsse auf der Höhe seines Ruhmes
und seines Könnens gewesen sein, wenn er bei einem
Werke von solcher Bedeutung hinzugezogen wurde.

Dieser Irrtum (Rubens war noch sehr jung, als
er die Bilder für die Chiesa nuova malte) erklärt
es zur Genüge, dass der berühmte deutsche Kritiker
vor den Werken des Meisters sich sagen konnte:
guarda e passa.

Rubens nur auf Grund jener Schöpfungen kennen,
die während seines italienischen Aufenthaltes entstanden
, heisst ihn nicht kennen. Man muss natürlich
auch diese Werke in die Betrachtung mit hineinziehen
, um ein vollständiges Bild von dem Meister
zu haben. Und dann erkennt man, dass seine grossartige
Persönlichkeit sich erst wahrhaft offenbart von
dem Augenblick an, da er, als einstimmig anerkanntes
Haupt der Schule von Antwerpen, ja der ganzen
vlämischen Schule, einer Plejade von Schülern, oder
richtiger von Mitarbeitern, das Kunstgesetz vorschreibt.

Es führt zu keinem Resultat, von den Jugendarbeiten
des Meisters vor seiner italienischen Reise
zu sprechen. Man mutmasst sie, aber man kennt
sie nicht. Ebensowenig wie die Werke einer
Pacheco uns seinen Schüler Velazquez verkünden,
ebensowenig lassen uns die des Otto Vaenius einen
Rubens voraussehen. Die wenigen Bilder, die man
mit einiger Wahrscheinlichkeit der ersten Zeit des
Künstlers zuschreiben kann, bekunden eine Freiheit
der Technik, die nicht allzu häufig bei den Antwerpener
Künstlern aus dem Anfang des XVII. Jahrhunderts
zu finden ist. In Italien dann zeigen selbst
seine ersten sicheren Werke ein Zusammenwirken
verschiedenartiger Einflüsse, vor allem des Giulio
Romano, Michel Angelo, Caravaggio und dann auch
des Baroccio.

Nicht einen Augenblick ist Rubens so italieni-
sierend gewesen, dass es möglich wäre, ihn mit den
Meistern Italiens zu verwechseln. Aber andererseits
muss man zugeben, dass in Mantua, in Genua, in
Rom der Künstler noch nicht in seinen Werken
erkennen lässt, was er einst sein würde. Die Taufe
Christi (Museum von Antwerpen), die Trans-
figuration (Museum von Nancy), das Urteil
Salomonis (Museum von Madrid), das reizende
Frauenporträt, welches im Jahre 1893 in Madrid
ausgestellt war, alle diese Gemälde sind der Reihe
nach bezweifelt worden, und bei den Jüngern von
Em maus (auf dem Altar des Oratoriums im Palast
Alba zu Madrid) ist es nur dem Kupferstiche
W. Swanenburgs zu danken, wenn es gelungen ist,
eine grössere Anzahl von Kunstverständigen von
dem Rubensschen Ursprung des Gemäldes zu überzeugen
. Es stammt vielleicht schon aus den ersten
Jahren nach des Künstlers Rückkehr nach Antwerpen
, so deutlich auch noch der Einfluss des
Caravaggio sein mag.

Rubens hat von Anfang an Verständnis, ja ein
beinahe instinktives Gefühl für das malerisch Grosse
bekundet,* dennoch konnte er sich nicht sofort von
dem Schuleinfluss losmachen, und es drängt sich
die Frage auf, welchen unheilvollen Einfluss für
seine Zukunft eine Verlängerung seines Aufenthalts
in Italien hätte haben können, welcher ja glücklicherweise
durch die Umstände auf sechs Jahre beschränkt
wurde.

Seine Thätigkeit in Mantua im Dienste des
Vincenz von Gonzaga war sicher ehrenvoll und
brachte ihm Ansehen. Noch aber fehlte dem
Künstler die Selbständigkeit der Auffassung, die an
einem Hofe, der einigen der grössten Künstler
Italiens seinen Nimbus verdankte, um so wertvoller
für ihn gewesen wäre.

Ein erster Schritt auf dem Wege zur Selbständigkeit
sollte die Reise des Künstlers nach
Spanien im Jahre 1603 sein, als der Herzog von
Mantua ihn zu Philipp III. nach Valladolid sandte.
Dort befand er sich gegenüber einigen der schönsten
Gemälde Tizians in ihrer ganzen frischen Farbenpracht
, und das Studium dieser Meisterwerke hinter-
liess deutliche Spuren in den ersten Werken seines
Pinsels nach seiner Rückkehr nach Antwerpen.

Da ist die Anbetung der Könige im Museum
von Madrid, welche von dem Rat seiner Vaterstadt
unmittelbar nach seiner Heimkehr bestellt wurde,


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