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Wir glauben heute den Grund dieser Verbannung
zu kennen. Auf eine wunderliche Weise hatte sich
an dem mit humanistischen Ideen durchtränkten Hofe
von Fontainebleau das Bild der Quellnymphe, die
dem Ort den Namen gegeben, verschmolzen mit
der Vorstellung der Diana. Eine ganz ähnliche
Darstellung der Nymphe von Fontainebleau, in einem
ovalen Rahmen, umgeben von Karyatiden und Putten,
hatte der Maler Rosso, den der König gleich
Benvenuto Cellini aus Florenz nach Fontainebleau
berufen hatte, für die Galerie de Francois I im
Schlosse ausgeführt. Es war zweifelsohne eine Quellnymphe
— eine ruhende weibliche Gestalt ohne alle
Beigaben, die auf die grosse Quellurne gestützt ist
— eine gleichzeitige Kopie befand sich in der
Sammlung de Laborde und nach ihr ist der Stich
von Rene Boyvin angefertigt — aber auch dies Bild
ist aus dem Schlosse verbannt worden: die Diana
hat einer Danae weichen müssen. Auf der langen
Unterschrift des Stiches ist die liegende weibliche
Gestalt aber nicht als Nymphe bezeichnet, sondern
direkt als Diana, die sich von der Jagd ausruht.
Als Diana mochte auch damals schon die Nymphe
des Cellini gelten. Der Hirschkopf bildete eine Devise
des königlichen Nimrods: was Wunder, dass eine Gestalt
, die sich an ihn lehnt, rasch zur Göttin der Jagd
wird? Diana aber — das war wieder das Sinnbild
und gewissermassen die Devise der Diana von Poitiers.
Die eigentliche Herrin von Fontainebleau, die Maitresse
des Königs, die Madame d' Etampes, fürchtete und
hasste in der nur um sieben Jahre jüngeren Freundin
des Dauphin die Nachfolgerin, die sie stürzen, verdrängen
würde und einmal verdrängen musste. Man
flüsterte in den Gängen von Fontainebleau wohl
schon von dem feineren Geist und, was die Frau
härter traf, den grösseren Reizen der kommenden
Frau — wie hätte die Schlossherrin das Bild der
verhassten Nebenbuhlerin um sich dulden können!
So wanderte der Cellini in das Magazin und der
Diana des Rosso wurde eine Danae substituiert.
Franz I. hat zweimal den Versuch gemacht,
italienische Künstler in Frankreich anzusiedeln und
italienische Kunst an seinem Hofe heimisch zu
machen. Das erste Mal gelang es ihm, zwei der
ersten Künstler Italiens an sich zu fesseln. Aber
Leonardo da Vinci starb schon drei Jahre nach der
Uebersiedelung nach Frankreich und Andrea del
Sarto verschwand schon nach einem Jahre wieder
mit Hinterlassung von Schulden und einem bösen
Geruch. In den dreissiger Jahren kam der endlich
zur Ruhe gekommene Herrscher auf den alten Lieblingsgedanken
zurück. Er hatte im Frieden zu Madrid
all seinen politischen Ansprüchen auf Italien
entsagen müssen und konnte jetzt nur noch an eine
friedliche Eroberung Italiens denken. Aber er verfiel
jetzt auf die schlimmsten der italienischen
Manieristen, auf Rosso, der wenigstens ein grosser
Dekorateur war, und auf Franzesco Primaticcio, der
unter Giulio Romano im Palazzo del Te zu Mantua
gearbeitet hatte — um beide Maler gruppierte sich
eine Schar italienischer und französischer Gehilfen,
die bald eine „Schule von Fontainebleau" bilden.
Der ausartende und ausschweifende Dekorationsstil
Giulio Romanos ist es, der nach Frankreich importiert
und hier durch Primaticcio outriert wird. Daher
der krasse Manierismus in den Massen der Figuren
vor allem, mit den endlos langen Schenkeln, den
schlangenartig biegsamen Armen, den viel zu kleinen
Köpfen. Diese erhalten bald durch die Nachahmung
antiker Skulpturen noch etwas Lebloses, Schematisches
, Unindividuelles dazu. Selten können wir so
genau wie hier die Vorbilder direkt nachweisen.
Franz I. hatte 1540 Primaticcio nach Rom geschickt,
um dort Abgüsse der berühmtesten Antiken anzufertigen
(nach denen dann die merkwürdigen, alle
etwas vom Anhauch der Schule von Fontainebleau
leicht manierierten Bronzereproduktionen für Fontainebleau
selbst hergestellt wurden, die heute in der
Galerie Denon im Louvre aufgestellt sind). Unter
diesen Abgüssen befand sich auch die Ariadne aus
dem Vatikan, die Diana von Versailles. Hat die
eine nicht auch durch den anmutigen Linienfluss
der königlichen Glieder, die andere durch die herbe
Jungfräulichkeit direkt auf jene Schöpfungen von Fontainebleau
eingewirkt? Aber wie missverstanden sind
jene Formen in der französichen Luft geworden! Auch
Benvenuto Cellini ist von all diesen Vorwürfen nicht
frei zu sprechen. Nirgends so sehr wie in seiner
Nymphe nähert er sich den Malern von Fontainebleau
. Heute, wo die Gemälde im Schloss zu
Fontainebleau zum grössten Teil zerstört oder von
van Loo grausam übermalt sind, wo in den öffentlichen
Sammlungen von Paris nur wenige dürftige
Bilder von dem Zeugnis ablegen, was jene Künstler
wollten, — ist da die Nymphe des Cellini nicht das
beste, in die Augen springendste, und weil plastisch,
auch das monumentalste Zeugnis jener Schule von
Fontainebleau mit ihren Vorzügen und ihren
Schwächen?
Das andere plastische Werk, das gleich jenem
Relief aus dem Schloss Anet gerettet wurde und in
den Louvre gelangte, ist die Diana von Jean Goujon,
eines der grössten Meisterwerke der französischen
Renaissance, und vielleicht in der Durchführung das
vollkommenste. Die Gruppe (Tf. 125) ist mit unvergleichlichem
Geschick gestellt: als freistehendes
plastisches Werk, bestimmt als Krönung des Brunnens
im linken Schlosshof, ursprünglich auf einem höheren
reichprofilierten Sockel, umgeben von in Bronze gegossenen
Jagdhunden, war sie von allen Seiten
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