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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0079
geben. Dieses Mittel besitzen wir in den Attischen
Grabreliefs.

Der Gräberluxus war in Athen während des
vierten Jahrhunderts aufs äusserste gestiegen. Man
begnügte sich nicht mehr mi\ der schmalen Grabstele
, die das Bild des Verstorbenen, in flachem
Relief oder in Malerei ausgeführt, festhielt. Prunkvolle
Monumente wurden auf den Gräbern aufgestellt.
Aus riesigen Marmorblöcken wurden die Figuren
in hohem Relief wie in Rundskulptur heraus-
gemeisselt, und in grossen Kompositionen sah man
auf den Denkmälern die ganze Familie um den
Verstorbenen vereinigt. Die grosse Masse dieser
Bilder ist nicht mit der Absicht der Porträtähnlichkeit
der Dargestellten gemacht
. Aber aus der Masse
treten die grössten und
besten Stücke heraus, zum
Teil Werke hervorragender
Künstler, und manche von
diesen geben die Figuren
mit individuellen Zügen,
nicht als Typen, sondern
als Personen in der vollen
Wirklichkeit, wie sie im
Leben gewesen waren. Sie
sind treue Bilder der Zeit.
Eins der charakteristischsten
dieser Stücke ist das Grabmal
der Familie des Prokleides
, dem die beiden
auf Seite 66 abgebildeten
Köpfe entnommen sind.
Ein Greis mit langem Bart,
weichlich in den Formen,
sitzt bequem in einem
Sessel und ihm gegenüber
steht die straffe Gestalt
eines noch jugendlichen Kriegers in voller Rüstung;
im Hintergrunde erscheint, in flacherem Relief, die
Figur einer Frau. Das Bild ist schlicht, treuherzig,
natürlich, und in einfacher Natürlickeit sind die
Porträts des Alten nnd des Kriegers gehalten. Wir
blicken hier in das frische Leben hinein: so, wie
sie in diesem Bilde erscheinen, haben die Personen
wirklich ausgesehen.

In dieser einfachen Weise haben nicht alle
Künstler des vierten Jahrhunderts das Porträt auf-
gefasst. Praxiteles, Skopas, Leochares sind zu dieser
Zeit thätig gewesen. Der Hermes von Olympia in
seiner heiteren Anmut, die leidenschaftlichen Kampfbilder
am Mausoleum von Halikarnass, das stolze,
feurige Bild des Apoll von Belvedere sind Schöpfungen
dieser Epoche. Sie zeigen, wie die Künstler bestrebt
waren, innere Bewegungen in den Zügen des Ant-

Platon.

Rom, Vatikan. Marmor

litzes zum Ausdruck zu bringen. Auch das Bildnis
hat man auf diese Weise zu bereichern und zu beleben
gesucht. Zeugen dafür sind wiederum die
Porträts auf den Grabreliefs. Ein Jüngling von
glänzender, schöner Gestalt steht da und schaut mit
schwermütigem, sehnsüchtigem Blick ins Weite; neben
ihm ein alter Mann, starr auf ihn blickend, gebeugt,
wie fröstelnd in seinen Mantel gehüllt. Auf einem
anderen Grabmal, das den Namen des Aristonautes
trägt, ist in lebensgrosser Figur ein junger Krieger
dargestellt, in lebhafter Stellung, als wenn er in die
Schlacht stürmte, er wendet das Gesicht voll dem
Beschauer entgegen, und seine Züge, die schwärmerisch
aufblickenden Augen sind vom höchsten Pathos

erfüllt. Das sind Stimmungsporträts
, Bildnisse,
in demselben Charakter gehalten
, wie die Idealgestalten
jener Künstler. Ein vorübergehender
Affekt war
dem Bilde dauernd aufgeprägt
, nur eine Saite des
inneren Lebens war angeschlagen
, aber der Anfang
war gemacht, von
dem aus die Kunst zur
wahren, das ganze innere
Wesen erfassenden Wiedergabe
vorschreiten konnte.

Was wir aus den Grabreliefs
für die Porträtkunst
gewinnen, zeigt sich bei
keinem der Bildnisse, die
uns von berühmten Persönlichkeiten
des vierten Jahrhunderts
erhalten sind, mit
so auffallender Deutlichkeit,
wie bei dem des Piaton.
Sein Porträt ist uns in einer Anzahl von Nachbildungen
aus Römischer Zeit erhalten, von denen die abgebildete
die beste ist. Da es sich um das Bild des
geistvollsten Mannes des Altertums handelt, muss uns
sehr viel daran gelegen sein, zu wissen, ob diese
späte Kopie das Original treu wiedergiebt. Die Ver-
gleichung mit dem Kopfe des Alten vom Grabmal des
Prokleides lässt jeden Zweifel daran verschwinden.
Der gleiche Zeitcharakter tritt aus den beiden Bildnissen
heraus. So also hat Piaton ausgesehen, wie er
in diesem Bilde erscheint. Das Porträt ist nach dem
Leben gemacht von einem der namhaftesten Por-
trätisten der damaligen Zeit, dem Bildhauer Silanion.

Es ist genau so nüchtern aufgefasst, so einfach
von der Natur abgeschrieben, wie die Figuren jenes
Grabmals. Wer je den starken Eindruck der Schriften
des dichterischen Philosophen empfunden hat, dem

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