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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0086
Kraft und Frische der Malerei und die Keckheit, mit der die
Figuren zum teil gegen den Himmel gestellt sind: hierin wirkt
das Werk gleich einem Vorläufer pleinairistischer Malerei. Die
breite, sichere Behandlung verrät sofort den an das Malen al
fresco gewöhnten Meister.

11. Vogel: Des Künstlers Söhne. Der Maler unseres Bildes
nimmt in der Kunstgeschichte nur einen bescheidenen Platz ein,
aber sein Gemälde, die beiden Knaben mit dem Bilderbuch, ist
eines der bekanntesten unter den neueren Werken der Dresdner
Gemäldegalerie. Er wurde zu seiner Zeit zumeist nur als Bildnismaler
geschätzt; über seine Zeit hinaus aber haben seine Kinderbildnisse
allgemeinen Beifall errungen. Der stille und bescheidene
, etwas kränkliche Künstler muss ein guter Familienvater
gewesen sein, der in dem Glück'seiner Kinder sein eigenes
Glück gefunden hat. Nur selten ist die Natur des Kindes, dessen
harmlose Zufriedenheit und ungetrübte Glückseligkeit überzeugender
dargestellt worden, als in den Kinderbildnissen unseres
Malers. Es ist für die Wertschätzung des Bildes gleichgiltig,
ob darauf wirklich die Söhne des Künstlers oder, wie neuerdings
behauptet wird, die Prinzen von Schönburg-Waldenburg
abgebildet sind; beides ist möglich, da der Künstler die Gruppe
mehrfach gemalt hat. Uns fesselt an der Bildnisgruppe deren
genremässige Auffassung, durch die sie von allgemeinerem Interesse
wird.

12. Credi: Die Verkündigung; unterhalb (grau in grau)
die Erschaffung des Weibes, der Sündenfall, die Vertreibung
aus dem Paradies. Auf diesem Werke, wiewohl es
schon in der geräuschvollen Künstlergeschäftigkeit des Cinquecento
entstand, ruht noch die glückselige Stille quattrocentisti-
scher Kunstübung, die zu dem zarten Vorwurf so angemessen
erscheint. Auch der Ernst der Zeichnung, die Sorgfalt im Detail
und die fast pedantische Gewissenhaftigkeit der malerischen
Arbeit deuten in jene Zeit zurück, über die Credi mit Willen
niemals hinausgegangen ist.

13. Sitzendes Mädchen aus Tanagra. Die Figur ist nicht
frei mit der Hand gearbeitet, sondern in zwei Hälften aus einer
Hohlform hergestellt und nachher mit dem Modellierstäbchen
übergangen. Nach dem ersten Brennen sind die Farben aufgetragen
: der Körper ist in hellem Fleischton gemalt, das Haar in
kräftigem Rotbraun, die Augenbrauen und Augensterne grau.
Das Gewand ist weiss, der Mantel, der auf dem Sitz untergelegt
und um den rechten Unterarm geschlungen ist, rosa. Im Haar
liegt eine weisse, vorn mit einem goldenen Knopf zusammengehaltene
Binde und ein goldener Reif; mit Goldfarbe bemalt
sind auch die kleinen Ohrringe und das Halsband. Die in der
Abbildung an den Armen erscheinenden Flecken rühren davon
her, dass die sehr zart aufliegende Farbe abgesprungen ist.

14. Turner: Der Temeraire. Das Schlachtschiff „Der Teme-
raire", der kräftige Mitkämpfer Nelsons in seinem Siege bei
Trafalgar, wird zur Ruhestätte geführt. Alle Wunder der Natur
begleiten ihn bei seiner letzten Fahrt. Die Sonne sinkt in eine
blaue Dunstmasse, aus der Gebäude und Schiffe des Hafens unbestimmt
auftauchen, und entwickelt dabei ein wahres Feuerwerk
an leuchtenden roten nnd gelben Strahlen, die am Firmament
emporschiessen. Bescheiden tritt daneben am linken Rande
des Bildes die weisse Mondsichel hervor und das Meer reflektiert
noch einmal die ganze Farbenpracht. Das Fahrzeug selbst
scheint ein Geisterschiff zu sein, so wenig materiell ist seine
durchsichtige weisse und goldige Färbung im Gegensatz zu dem
kleinen dunklen Führer. Das aber gerade war die Tendenz des
Malers, besonders bei seinen späteren Bildern, durch Mischung
von Natürlichem und Wunderbarem, von sorgfältiger Ausführung
und von nebelhafter Skizzierung eine Stimmung zu erzeugen,
welche die Bedeutung des Gegenstandes über das einfach That-
sächliche erhob.

15/16. Salvi, Pietro Bracci: Die Fontana Trevi. (Erbaut
1735—1762). Roms schönster und volkstümlichster Brunnen ist
eine der letzten Leistungen des Barockstils. So einheitlich sind
diese Massen hochgetürmter Säulen und Pfeiler, wirr durch einander
geworfenen Gesteines, fallenden und steigenden Wassers
zusammengeschlossen, dass niemand vor dem Werke auf den
Gedanken kommt, ein Menschenalter habe an ihm gebaut, verschiedene
Künstlerhände hätten hier in kecker Ungebundenheit
gewaltet. In dem Gewirr schräg aufeinander zulaufender Gassen
schafft sich das kolossale Werk Raum auf verhältnismässig
bescheidenem Platze, den es nach seinen grossen Massen zu
dehnen scheint, indem es ihn mit dem Reichtum seiner Formen
überschüttet. Eine der Schmalseiten des Palazzo Poli giebt den
Hintergrund für die Komposition her. Vortretende Säulen mit
tieferen und flacheren Nischen gliedern die Mittelfront der
Fassade. Aus der triumphthorartig überwölbten Mittelnische
fährt Okeanos auf seinem Muschelwagen, dessen bäumendes
Gespann Tritone vorwärts reissen, in die überquellende Flut.
Das Nahen des Herrschers bändigt die Wasser zu fügsamem
Schwall, der dreifach geteilt über rauhe Felsblöcke in sprühenden
Kaskaden herniederrauscht, um endlich beruhigt aus der Tiefe
eines spiegelklaren weiten Beckens emporzuglänzen. In bescheideneren
Seitennischen spenden Fruchtbarkeit und Gesundheit
ihren Segen. Zwei Reliefs über ihnen erzählen die Geschichte
des Quells, wie eine Jungfrau sein erfrischendes Wasser
erschöpften Soldaten weist und wie Agrippa vor seinem Baumeister
den Plan der Leitung in die Stadt begutachtet. Die
Namen d^r Künstler, Niecola Salvi (Baumeister) und Pietro Bracci
(Bildhauer), haben heute schon einen fremden Klang; ihrem
Werke gilt aber noch immer der Abschiedsgruss jedes Romfahrers
, der seinen modernen Soldino an Stelle des alten Baiocco
in das Becken wirft und sich mit dem letzten Trunk aus dem
reinen Wasser eine glückliche Wiederkehr zu sichern meint.

17. Veneziano (?): Weibliches Bildnis. Aus farbig leuchtendem
Brokatgewande, das mit tiefem Rückenausschnitt die halb
entwickelten Körperformen eng umschliesst, steigt in fast strengem,
aber reichem Umriss das klare Profil dieses jungen Mädchens
auf, das sich mit der Blässe zarten Elfenbeins in den tiefblauen
Himmel zeichnet. Das aschblonde, scharf zurückgekämmte,
an den Schläfen gewellte Haar deckt am Hinterkopfe ein kunstvoll
gefälteltes Batisthäubchen. Kein Halsgeschmeide, kein Ohrgehänge
ziert diese vornehme Anmut. Leicht zurückgelehnt
sitzt sie vor farbig inkrustierter Säulenbalustrade, den Blick
träumerisch in die blaue Weite und die leicht darüber hinfliegenden
Wölkchen richtend. Nichts verrät uns den Namen
dieser Unbekannten, kein. Wappen, keine Inschrift. Und
schwankend stehen wir auch der Frage nach dem Künstler
gegenüber. Manchen Meister von Cimabue bis Botticelli hat das
Werk loben müssen. Wenn aber die Strenge seiner Formen-
gebung nach Florenz, der Reichtum seines Kolorits nach Venedig
deutet, so vereinigt Domenico Veneziano wie kein zweiter diese
beiden Vorzüge und darf am lautesten den Anspruch erheben,
als Urheber dieses sowie eines eng verwandten Frauenbildnisses
in Mailand gerühmt zu werden.

18. 19. Ghirlandajo: Die Heimsuchung. Die Begegnung
Mariä und der Elisabeth ist das unterste Fresko links auf der
rechten Wand der Chortribüne von S. Maria Novella, die Ghirlandajo
als sein letztes grosses Werk im Auftrage der Torna-
buoni ausmalte. Der zarte Vorgang ist mit künstlerischer Feinfühligkeit
aus seiner traditionell kleinbürgerlichen Intimität in
die Sphäre höfischer Repräsentation erhoben. Den schlicht
gewandeten gottgesegneten Frauen ist ein Hofstaat reich nach
der Mode gekleideter Damen der Florentiner Aristokratie zugeteilt
worden. Vor den Thoren der Stadt, auf bergiger Anhöhe
ereignet sich das glückverheissende Geschehnis mitten im Leben
des Alltags, das geschäftig heraneilende oder gesellig lustwandelnde
Figuren gegenwärtig halten. Von der Höhe des baumbestandenen
Berges geniessen wir, als ständen wir oben auf San Miniato,
eine beglückte Schau über Florenz mit seinen Kirchen und
Palästen, über das sonnige Thal hinweg bis zu den fern aufragenden
Bergen, die unter der strahlenden Bläue des Himmels
ihre schönen Formen strecken. In der liebevoll gemalten Pracht
der Stoffe, in der reichen Landschaft und der figürlichen Staffage
macht sich eine starke Einwirkung altniederländischer Vorbilder
geltend; die Weiträumigkeit aber und die ungezwungene Verteilung
der Gestalten auf der grossen Fläche sind des Italieners
eigenstes Verdienst und sprechen für die Unbefangenheit und
die Freiheit seines Gestaltens. Nichts Zusammengestücktes gewahrt
man auf diesem Fresko. Die Arbeit erscheint so frisch
wie die wundervolle Federzeichnung in den Uffizien, auf der
Ghirlandajo mit wenigen sicheren Strichen die Komposition
entworfen hat.

20. Dou: Die junge Mutter. Die holländische Genremalerei
wird in ihrer verzweigten Mannigfaltigkeit nach den Gesellschaftsstufen
gegliedert, denen sie ihre Teilnahme zuwandte. Ein
Aufsteigen aus den niederen Sphären zu den höheren wird im
allgemeinen bemerkt. In den 3oer und 40 er Jahren des
16. Jahrhunderts tritt das Wirtshaustreiben der Bauern und der
Soldateska ausgelassen und lärmend hervor, während in den
7oer und 80 er Jahren dem falschen und dem echten Luxus
der galanten Damen und des steifen Patriziates das Interesse
zugewandt ist. Dazwischen wird in den 5oer Jahren namentlich
die saubere Behaglichkeit des Bürgerhauses aufgesucht von
Pieter de Hoogh, Nicolaas Maes und Gerard Dou, also von
Malern, die mehr oder minder stark durch Rembrandts Kunst
angeregt sind. Das von 1658 datierte schöne Bild Dous, das
wir abbilden, ist ein höchst charakteristisches Werk dieses
Meisters mit seiner gediegenen, ein wenig pedantischen Durchführung
und der ein klein wenig sentimentalen Empfindung, die
von fern an das deutsche Genrebild des ig. Jahrhunderts erinnert
.

21. Fra Angelico: Die Krönung Mariä. In den kleinen
Zellen des Klosters von San Marco, das man mit Fug
als Fra Angelico-Museum bezeichnen könnte, findet man
zahlreiche Fresken von der Hand des frommen Mönches,
Christi Leben und Leiden und dem Preis der Jungfrau gewidmet
. Nur selten vermögen sie den Beschauer zu erschüttern,
aber immer ziehen sie von neuem an durch die schlichte
Innigkeit und Lauterkeit der Empfindung. Diese Heiligen, die
Fra Angelico malt, sind auch dem einfachsten Menschen ohne
weiteres verständlich. In die Himmelssphäre hinein führt uns
die Krönung der Jungfrau: Christus auf Wolken thronend erhebt
die Krone, sie seiner Mutter aufs Haupt zu setzen; Maria

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