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neigt sich, die Arme über der Brust kreuzend, und wagt kaum
emporzublicken. Auf Wolken knieen sechs Heilige, drei Dominikaner
und drei vom Orden des heiligen Franz; voll Ehrfurcht
wohnen sie der Scene bei, die sie aber nicht voll anzuschauen
wag;n. Die Gestalten dieser Heiligen sind typische Abbilder,
nicht individuell ausgestaltete Figuren: hierin liegt Stärke und
Schwäche der Begabung des Meisters beschlossen.
22. Apollo von Belvedere. Den Di} nicht verlassest, Genius,
— Wirst ihn heben über'n Schlammpfad — Mit den Feuerflügeln
; — Wandeln wird er — Wie mit Blumenfüssen —
Ueber Deukalions Flutschlamm — Python tötend, leicht, gross,
— Pyhtius Apollo. (Goethe, Wanderers Sturmlied.)
Der Apoll ist gegen Ende des XV. Jahrhunderts gefunden und
unter Julius II. im Belvedere des Vatikans aufgestellt. Die linke
Hand und der rechte Vorderarm sind von Montorsoli ergänzt.
Diese Ergänzung trifft ungefähr das Richtige: der Gott hält den
Bogen, er hat den Pfeil abgeschossen und blickt ihm nach. In
leichtem Gang, wie von Flügeln getragen, schwebt die Lichtgestalt
durch den Raum. Der Schöpfer des Originals war
wahrscheinlich Leochares von Athen, der in der zweiten Hälfte
des IV. Jahrhunderts vor Chr. gelebt hat. Eins seiner Werke,
Ganymed vom Adler des Zeus in die Lüfte getragen, ist uns
aus einer Kopie (im Vatikan in Rom) bekannt; es hat in der
schwebenden Bewegung der Figur des Ganymed mit der Statue
des Apollo grosse Aehnlichkeit.
23. Millais: Lorenzo und Isabella. Millais Bild „Lorenzo
und Isabella" wurde gemalt, als der Künstler achtzehn Jahre
zählte, 1847, eben nachdem er einen kurzen Lehrkurs an" der
Londoner Akademie durchgemacht und dort die goldene Medaille
erhalten hatte. Es wurde gleichzeitig mit Rossettis: „Ecce ancilla
Domini" und Holman Hunts „Rienzis Racheschwur" auf der
ersten Ausstellung der „Prerafaelit Brotherhood" 1848 an die
Oeffentlichkeit gebracht. An der Bank rechts unten findet man
das Bundeszeichen PRB. Das Bild bezieht sich auf Keats
Dichtung „Pot of Basil": Rechts sitzt Isabella, ein Hund schmiegt
sich ihr an. Lorenzo neben ihr sitzend spricht mit liebenswürdigem
Ernst in sie hinein; ihr Bruder, der ihr gegenüber
sitzt, giebt dem Hunde, geärgert, weil er seine Schwester einem
Vornehmeren zugedacht hatte und später Lorenzo ermordete,
einen Fusstritt. Die ganze Tischgesellschaft besteht aus Bildnissen
: lsabella — Mrs. Hodgkinson, seine Schwägerin; Lorenzo
— William Rossetti, der spätere Kunsthistoriker; der Zutrinkende
— Dante Gabriel Rossetti; der sich den Mund wischende —
der Maler William Bell Scott. Das Bild erweckte gleich jenen
andern einen Sturm der Entrüstung, vorzugsweise deshalb, weil
die jungen Künstler sich bewusst dem abgewirtschafteten Schönheitsideal
der damaligen akademischen Kunst entgegenstellten.
Heute ist „Lorenzo und Isabella" einer der vornehmsten Schätze
des Liverpooler Museums und wirkt in unverminderter Farbenklarheit
und Liebenswürdigkeit durch den tiefen Ernst seines
realistischen Strebens.
24. Donatello: König David. Im Jahre
tello von der Florentiner Dombauhütte
die er gemeisselt, hundert Goldgulden,
dieses Betrages wird der Zusatz gemacht:
und gleicht dem
1418 erhielt Donafür
eine Figur,
Bei der Buchung
,Diese Figur heisst
Die nähere Bezeichnung fehlt, und
dennoch raten wir sogleich auf den „Zuccone", den Kahlkopf,
wie das Volk ihn belustigt nannte, jenen hageren Greis mit tief
eingesunkenen Augen und breitem Mund, der in einer der
Niscnen des Glockenturms Giottos seinen Platz fand auf einem
Postament, das die Bezeichnung: „David Rex" trägt; aber dieser
alttestamentarische König ist in Wirklichkeit nur der in antike
Gewandung gehüllte, ehrsame Florentiner Bürger Giovanni di
Barduccio Gherichino. Gern glauben wir angesichts der von
persönlichem Leben sprühenden Gestalt an die Anekdote, dass
Donatello seine wuchtigen Meisselhiebe, mit denen er die brutal
naturalistischen Züge dieses Kopfes aus dem Marmor hervorholte
, mit den heftigen derben Worten begleitete: „So sprich
doch, sprich zum Henker, schwatze bis Du Blut speist." Die
an Verzerrung grenzende Schärfe der Formen ist aber nicht
nur aus dem leidenschaftlichen Temperament des Schaffenden
zu ei klären, sie war geboten durch den hohen Standpunkt, für
den die Statue bestimmt war. Zierlichkeit und Feinheit der
Durchführung wären an dieser Stelle — die Nische befindet sich
im zweiten Stockwerk des Turmes — für das Auge des Beschauers
verloren gewesen.
25. Holbein: Bildnis eines Engländers. Dieses Gemälde,
das vor kurzem von der Berliner Gemäldegalerie erworben wurde,
ist dasselbe Porträt, das im Jahre 1871 auf der Holbein-Ausstellung
in Dresden so grosses Aufseben erregt hat. Es war
damals noch völlig unbekannt gewesen und befand sich bis jetzt
im Besitz des berühmten englischen Malers John Millais. Das
Bild stammt aus den letzten Lebensjahren des Meisters. Das
Gesicht ist schon mit einem Minimum von Schatten modelliert,
und gleich kühl wie die Auffassung ist auch der Farbenakkord.
Der Hintergrund ist blaugrau, Barett und Mantel schwarz; das
Gesicht zeigt ein gesundes, aber kaltes Rot, und das Karmesinrot
des seidenen Aermels ist im Grunde nur eine lebhaftere
Note der kalten Gesichtsfarbe. Wen das Porträt vorstellt, wird
wohl kaum mehr zu ermitteln sein. Aus der Tracht und der
selbstbewussten Haltung geht hervor, dass der Dargestellte zwar
nicht zu den höchsten Spitzen der englischen Aristokratie, aber
immerhin zu der herrschenden Klasse gehörte und zu befehlen
gewohnt war.
26. Botticelli: Madonna. Ein Jüngling mit lockigem, blätterbekränztem
Haupt, das sich eher für einen Dionysos eignet als
für einen Engel, bietet Maria und dem Kinde ehrfurchtsvoll
Trauben und Aehren dar. Ein Theologe erklärt treffend: „Brot'
und Wein, das Symbol des Todesopfers, das Maria willig annimmt
und zu welchem das Christkind segnend seine Zustimmung
giebt." Das Bild muss einer Periode des Künstlers
entstammen, wo er, zwischen Verrocchio und Leonardo, eine
plastische Ausdrucksfähigkeit besass, die er selbst nie übertroffen
hat.
27. 28. Rubens: Der Ildefonso-Altar. Das dreiteilige Bild
war bestimmt, den Altar einer vornehmen Brüderschaft zu
schmücken, die der Erzherzog Albert selbst in Toledo zu Ehren
des heiligen Ildefonsus gegründet und bei seiner Ankunft in
Antwerpen auch dorthin übertragen hatte. Aus der Kirche
dieser Brüderschaft St. Jakob auf dem Kondenberg kam das
Werk durch den Ankauf Maria Theresias nach Wien, wo es als
ein Hauptwerk des Meisters und zugleich als ein Rätsel unter
seinen Schöpfungen das Interesse fesselt. Denn es vereinigt in
sich den jugendlichen und den reifen Künstler. Eine heilige
Unterhaltung, wie sie die Italiener malten, bildet die Mitte, aber
die blosse Andacht ist in Handlung umgesetzt, der hl. Ildefonsus
drückt einen inbrünstigen Kuss auf das Messgewand, das ihm
von der Madonna gereicht wird, von der liebenswürdigen schon
etwas matronenhaften Madonna, wie Rubens sie in seiner frühen
Zeit noch nicht zu malen pflegte. Die vier schönen Frauen
dagegen, fast zu anmutig für Rubens, die mit grösster Aufmerksamkeit
den Vorgang beobachten, sind Gestalten seiner
Jugend. Die Komposition ist geschlossen wie bei Bildern seiner
ersten Schaffenszeit, die Farben aber schimmern goldig und
sind miteinander vermittelt wie in der Periode seiner künstlerischen
Höhe. Auf den Flügeln knieen der Stifter und seine
Gemahlin, Albert und Isabella, beide vornehm und ernst, sie
sehen den Vorgang der Mitte nicht mit leiblichen Augen, ihr
Blick ist zum Himmel gerichtet und nur ihr Gedankeninhalt ist
im Hauptbilde zu suchen. Die schützenden Heiligen aber,
welche sie begleiten, vermitteln in ihrer bewegteren Stellung
im Einvernehmen mit dem wechselnden Hintergrund von Säulen,
Himmel und Draperie künstlerisch den Uebergang zu dem lebhafteren
Mittelbilde.
29. Rembrandt: Der Raub des Ganymed. Der Mythos von
dem schönen Knaben Ganymed, den Zeus wählte und von seinem
Adler emportragen Hess, weckt Erinnerungen und scheint einen
bestimmten Stil zu fordern. Die Gestaltung, die Rembrandt
der Sage in dem Bilde der Dresdener Galerie gab, erwarten wir
am wenigsten. Der Meister sammelte eifrig Kunstwerke aus
allen Zeiten und stand an historischer Bildung wohl auf der
Höhe seiner Zeit. Als Künstler aber war er ein bewusster,
selbst ein cynischer Gegner der Traditionen. Sein Ganymed
ist nichts als ein sehr menschlicher draller kleiner Bursche, der
von einem Adler beim Spiel erfasst und in die Luft getragen,
seinen sehr menschlichen Empfindungen den natürlichen Ausdruck
giebt. Rembrandt hat wohl ernstlich das Wesentliche
dargestellt, wenn wir auch Komik und Parodie spüren. Aber
zwischen Rembrandt und uns liegen zwei Jahrhunderte, in
denen man die Antike verehrte, liegt die Zeit Goethes und
Winckelmanns.
30. Amazonenkampf. Das Grabmal desKönigs MausolosvonKarien,
von seiner Gemahlin Artemisia um 35o v. Chr. errichtet, wurde im
Altertum wegen seiner Grösse und Pracht unter die sieben Weltwunder
berechnet. Es bestand aus einem starken Unterbau, der mit
einer Säulenhalle bekrönt war, über dieser erhob sich eine hohe
Stufenpyramide und hoch oben bildete ein Viergespann den
Abschluss. Die Höhe war ungefähr wie die der Französischen
und der Neuen Kirche auf dem Gensdarmenmarkte von Berlin.
Der Bau war von dem Architekten Pythios ausgeführt, den
reichen Skulpturenschmuck, Statuen und Reliefs hatten vier
berühmte griechische Künstler, Timotheos, Leochares, Skopas
und Bryaxis, gearbeitet. Sie hatten sich so in die Arbeit geteilt,
dass Jedem von ihnen die Herstellung des Bildwerks auf einer
der vier Seiten des Gebäudes zufiel. Das Gebäude hat bis in
das XII. Jahrhundert in seiner ursprünglichen Gestalt bestanden.
Dann ist es, wahrscheinlich durch ein Erdbeben, zerstört und
aus seinen Trümmern haben Johanniterritter im Anfang des
XV. Jahrhunderts das jetzt noch bestehende Kastell Budrun
(Halikarnass) gebaut. Zahlreiche Trümmer aber ausser den
verbauten sind unter die Erde gekommen; diese sind durch
eine Ausgrabung, die Sir Charles Newton im Jahre 1857 unternommen
hat, wieder gehoben und dem Britischen Museum
zugeführt. Unter ihnen zeichnet sich durch gute Erhaltung eine
Reihe von Friesplatten aus, auf denen die Kämpfe der Griechen
und Amazonen dargestellt sind. Die griechische Kunst hat
dieses Thema oft behandelt, niemals aber ist es so leidenschaftlich
aufgefasst, so temperamentvoll, mit so starkem see-
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