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Werke unter den Namen berühmter Meister, denen sie öfters
zugeschrieben worden sind. Als Maler der heiligen Geschichten
mag Tinelli unter seinen Zeitgenossen wenig hervortreten, als
Porträtist verdient er neben den Besten des siebzehnten Jahrhunderts
genannt zu werden. Aus Ridolfis Lebensbeschreibung
des Meisters wissen wir, dass er ein Porträt des ■—■ ebenfalls
vergessenen — Dichters und Musikers Giulio Strozzi, seines
Landsmanns, gemalt hat, ,,das Haupt mit dem Lorbeer geschmückt
". Das Kränzlein, — das der Dargestellte auf dem ßild
der Uffizien in der Hand hält, deutet zwar auf einen Dichter
hin, aber verbietet uns, dies Werk mit jenem andern zu identifizieren
; immerhin vereinigt es von alters her die Namen Tinellis
als des Malers, Strozzis als des Porträtierten.
50. Guardi: Die Kirche S. Maria della Salute in Venedig.
Feierliche Prozessionen, an denen das Staatsoberhaupt mit
sämtlichen Beamten, das Patriarchat und alle Brüderschaften
Teil nahmen, haben sich in Venedig seit dem Mittelalter regelmässig
alljährlich an den Hauptfesttagen wiederholt. Zwei
Mal im Jahr wallfahrtete der Zug nach der Kirche Maria della
Salute, am 21. November, im Andenken an die Gründung der
Kirche, und am 13. Juni zu Ehren einer Reliquie des h. Antonius
von Padua. An dem letztgenannten Tage wird noch heutigen
Tages eine Brücke über den Canale Grande geschlagen, und in
dichten Scharen drängt das Volk herüber zu Longhenas prächtigem
Marmorbau. Den Eintritt der Prozession in die Kirche
am herrlichsten Sommertag, wenn das Weiss der Marmorkuppel
flimmernd sich aufzulösen scheint und mit der zitternden Luft
in eins verschwimmt, hat Guardi in dem Bild des Louvre
geschildert; eben verschwinden die kerzentragenden Geistlichen
im Innern der Kirche, die Prokuratoren von S. Marco, die
Nobili in ihren Festgewändern schliessen sich ihnen an und
Volksmassen drängen auf der Brücke nach. Guardis pikante
Malweise, welche leicht andeutend ein jedes Figürchen so
lebendig hinstellt, zeigt sich selten besser als hier; die grossartige
Szenerie mit ihrem Farbenreiz, die venezianische Atmosphäre
zaubert der Künstler lebendig vor uns hin.
51. Piazzetta: Ein Fahnenträger. In der venezianischen
Kunst des beginnenden achtzehnten Jahrhunderts behauptet
Piazzetta eine bedeutsame Stellung, nicht sowohl durch seine
grösseren Kompositionen, obwohl er auch hier seine Vorzüge
niemals ganz verleugnet, als durch seine kleineren Werke, Köpfe,
Einzelfiguren und dgl. Piazzetta war ein virtuoser Zeichner,
und seine Studien in Kreide (zumeist Köpfe) gehören zu dem
Besten, was Italien in jenem Zeitraum hervorgebracht hat.
Als Maler zeigt er sich selten liebenswürdiger, als wie in dem
Bild des jugendlichen Fahnenträgers: ein kecker junger Bursch,
in braunem Beinkleid und blauer Jacke, leicht auf eine Steinbrüstung
gestützt, hält ein weisses Banner in der rechten
Hand. Die Wahl der Farben, das Vermischen greller Töne,
sind charakteristisch für die von Piazzetta inaugurierte Kunstrichtung
, während die einfache, ansprechende Stellung, das
Fernhalten jeglicher Pose zeigen, dass in dem Meister noch
die gute Tradition venezianischer Kunst fortlebte.
52. Tiepolo: Die Anbetung der Könige. Während seines
Aufenthaltes in Würzburg, vollauf beschäftigt mit dem Schmuck
des bischöflichen Fürstensitzes, fand Tiepolo die Zeit, das
schöne Bild der „Anbetung der Könige" zu malen, welche
heute die Münchener Pinakothek ziert. Ursprünglich befand
es sich in dem fränkischen Kloster Schwarzach. Es ist mit
des Künstlers Namen gezeichnet und trägt die Jahreszahl 1753.
— Prächtig ist die Komposition mit den in den Mittelgrund gerückten
Hauptfiguren, die durch ihre Schönheit doch sofort ins
Auge fallen, hinreissend die Schönheit der Farben. Alles scheint
zu schimmern und zu gleissen von wundervollen Stoffen und
von Schmuck. Die Hütte ist wie eine Dekoration in den Hintergrund
geschoben, und ein prächtiger Marmorsitz, zu dem mehrere
Stufen emporführen, dient Maria als Thron. Das passt so
viel besser zu der vornehmen Gesellschaft, die sich nun so
malerisch vor und auf den Marmorstufen gruppiert.
53. Perikles. Der erste Künstler, der in der Geschichte der
griechischen Kunst als Porträtist genannt wird, ist der Bildhauer
Kresilas, ein Zeitgenosse des Perikles. Er habe edle
Männer noch edler gemacht, wurde als etwas besonders
Rühmenswertes von seiner Porträtbildnerei gesagt, und diese
Bemerkung ist in der antiken Ueberlieferung an das von
ihm geschaffene Bildnis des Perikles angeknüpft. Er schuf das
Bild so, wie Perikles den Athenern seiner Zeit erschien, als
Typus des schönen und edlen Mannes; der bewunderte
Held und Staatsmann war darin und die ganze Ritterlichkeit
und Liebenswürdigkeit seines Wesens. Die Marmorherme des
Britischen Museums geht wahrscheinlich auf dieses Porträt
zurück, wahrscheinlich deshalb, weil die Strenge und Grossheit
der Formen, in denen der Charakter einer bedeutenden Schöpfung
bewahrt ist, der Kunst der Perikleischen Zeit entspricht: Perikles
war der Freund des Phidias, und sein Name ist mit der Entstehung
des berühmtesten Bauwerkes von Athen, des Parthenon,
verknüpft. — Die Herme — nicht die einzige, aber anscheinend
die treueste erhaltene Wiedergabe des Periklesbildnisses — ist
178 t in Tivoli gefunden. Der grössere Teil der Nase und
einige Stückchen vorn am Helm sind ergänzt. Die Bewegung
des Kopfes ist offenbar dem als Statue zu denkenden Original
genau nachgebildet. Der Name des Perikles ist unten am
Bruststück in griechischen Buchstaben eingemeisselt.
54. Cazin: Abendlandschaft mit Maria Magdalena. Die
fromme Legende, die vom Leben der reumütigen Magdalena
erzählt, verlegt die Zeit, in der die Heilige die Sünden der
Jugend in stiller Beschaulichkeit verbüsste, auf französischen
Boden, in eine Einöde bei Marseille. An historische Richtigkeit
dachte Cazin gewiss nicht, als er in eine heimatliche Gegend
die Heilige versetzte. Da aber der Franzose in neuer Weise
der Umgebung die Heilige unterordnete, ihr Wesen jedoch dem
besonders gestimmten Grund deutlich aufprägt, so mag es
erlaubt sein, einmal an den ursprünglichen Zusammenhang
zwischen der heiligen Magdalena und der französischen Landschaft
zu erinnern. Denen, die in alter und neuer Kunst die
Magdalena malten, wie sie vom Fehl der Jugend sich zu reinigen
suchte, erschien immer die schöne Sünderin lockender als die
bussfertige. Der blühende Körper oft nur vom lang herabflutenden
Haar reizvoll verhüllt, erzählt dem Beschauer allein von den
Sünden, als dass er ihn zu Busse und frommer Betrachtung
mahnt. So sind die gemalten Magdalenen vom Andachtsbild
am weitesten entfernt. Anders Cazins Magdalena. Wir sehen
eine Landschaft, so überwiegend, dass der Betrachtung die
Gestalt der Büsserin zur Hebung und Erklärung der landschaftlichen
Stimmung zunächst unbeträchtlich erscheint. Als Landschaft
ist das Bild entstanden. Um die Stimmuug zu vertiefen,
wurde die Magdalena hineingenommen. Aber aus der Einöde
heraus ist die Gestalt geschaffen und ganz mit der Umgebung
eins geworden. In der stillen Heide, die unter dem Himmel,
den der letzte Gruss des Abends sanft rötet, träumerisch daliegt
, hat sich die Heilige niedergelassen. Ein weisses Kleid
umhüllt züchtig den jungen Leib, das Haupt mit dem schönen
rotblonden Haar ist sinnend auf die Hand gestützt. Auf den
Knieen hält sie das Andachtsbuch und in den Boden vor
sich hat sie das Bild des Gekreuzigten gesteckt, an das sie
ihre Gebete richtet. In weichen fahlen Farben ist das Bild gehalten
. Nur die gelben Blüten des Ginsters im Vordergrunde
funkeln kräftig hervor.
55/56. Canova: Das Grabmal des Papstes Clemens XIII.
Das Grabmal Clemens XIII. ist 1792 von dem damals 35 jährigen
Canova vollendet worden, fünf Jahre nachdem Canova sein
Monument Clemens XIV. in der Kirche SS. Apostoli zum Entzücken
der Römer enthüllt hatte. Der Aufbau ist im ganzen
der nämliche, insbesondere die unsymmetrische Anordnung der
allegorischen Figuren auf ungleichem Niveau ist dieselbe
geblieben. Hinzugekommen sind die beiden Löwen, in der
Ausführung eines venezianischen Bildhauers nicht unwürdig,
der die antiken Löwen vor dem dortigen Arsenal kannte. Der
Sarkophag dient zugleich als Oberschwelle des Grabeingangs
und zeigt in Flachrelief die sitzenden Figuren der Liebe und
Hoffnung. An ihn gelehnt zur einen Seite der sitzende geflügelte
Genius mit umgekehrter Fackel, auf der andern Seite stehend
die Gestalt der Religion, den Schleier über den Kopf gezogen
wie antike Opfernde, mit Strahlenkranz und Kreuz. Hat man
in der Peterskirche die Monumente des rauschenden Barock
gesehen, so erscheint dieses, aller Draperien beraubt, wie abgetakelt
; die allegorischen Figuren, selbt etwas leer, machen die
Leere nicht ganz vergessen. Dagegen ist die Gestalt des betenden
Papstes, der auf einem hinter dem Sarkophag sich erhebenden
Piedestal kniet, noch im Vollbesitz des Besten, was die ältere
Kunst vermochte. Das Chorhemd unter dem schweren Mantel
ist wie dieser selbst technisch meisterhaft und der Porträtkopf
des Papstes ist ein rechtes Probestück der wenig gekannten,
aber glänzenden Porträtkunst Canovas.
57. Velazquez (?): Alessandro del Borro. Die Identität des Dargestellten
, dessen Falstaffsilhouette sich mit herausfordernder
Schärfe gegen den hellen leeren Grund abhebt, mit dem Marchese
del Borro, dem Feldhauptmann Ferdinands II. von Toskana im
Kriege mit Papst Urban VIII. Barberini, stützt sich auf ein in Florenz
bewahrtes beglaubigtes Porträt des Generalsund auf den Umstand,
dass er die weiss und rot gestreifte Fahne mit den goldenen Bienen
der Barberini verächtlich mit Füssen tritt. Justi, der Biograph
des Velazquez, wirft mit Recht die Frage auf, ob es damals
einen General gegeben habe, der den Anstand des Siegers so
wenig verstand, dass er eine in redlicher Fehde gewonnene
Fahne mit Füssen trat und gar sich so verewigen Hess. Zu
der dem Borro von der Geschichte nachgesagten Grausamkeit
will überdies das „schnöde Blinzeln" dieses feisten Vollmondgesichtes
wenig passen. Vielleicht erlaubt die auffällige, die
Figur von unten, als stände sie auf der Rampe einer Schaubühne
, überstrahlende Beleuchtung den Schluss, das seltsame
Bild sei gemalt worden, um in seiner stark dekorativen Wirkung
den Mittelpunkt einer lärmenden Ovation siegtrunkener Söldner
und Waffengenossen abzugeben. Die verblüffende Unmittelbarkeit
des Ausdrucks und die treffliche Ausführung zugestanden, will
die Malerei doch nicht recht zu Velazquez passen, am wenigsten
in die Zeit seiner malerischen Entwicklung, in der ein Zusammentreffen
des Feldherrn und des Malers denkbar wäre. Durch
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