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eine Waldlandschaft von Ruisdael, die mit ihrer imponierenden
Ausdehnung und ihrer reichen Komposition den
ersten Platz unter allen in Holland noch bewahrten Bildern
des Meisters beansprucht und im Jahre 1887 schon den ganz
ausserordentlichen Preis von 25 000 Mk. etwa erreichte. Heute
würde der hier abgebildete „zweite" Ruisdael der Sammlung
v. d. Hoop vermutlich und mit Recht höher bewertet werden
als jener „erste". 1841 freilich, auf der Versteigerung Noe,
brachte er nur etwa 10000 Mk. Dort eine Zusammenstellung
der landschaftlichen Elemente, die nicht unbedingt glaubhaft
erscheint, wie so häufig bei den grossräumigen Waldlandschaften
Jacobs, hier ein Ausschnitt von der heimischen Küste, ähnlich
wie ihn auch Goijen gewählt hätte. Nur hat Goijen die drohende,
aufregende Wetterstimmung, die jagenden Wolken, das fahle
Licht nie mit so grosser Kraft dargestellt wie Ruisdael
67. 68. Botticelli: Die Rotte Korah. Die Fresken der Six-
tinischen Kapelle (1481 —1483), das Leben Christi und die
Thaten des Moses darstellend, als Kunstwerke typische Schöpfungen
der Frührenaissance, sind inhaltlich noch durch die mittelalterlich
-theologische Idee von der Parallelität des alten und neuen
Testamentes bestimmt. Die lateinische Inschrift, die auf Botticellis
Fresko der Rotte Korah der sonst getreu kopierte Konstantin ^-
bogen trägt: „Es masse sich niemand die Ehre an, er sei denn
wie Aaron von Gott berufen", giebt den Sinn des bildlichen
Vergleichs mit dem Fresko Peruginos auf der Gegenseite, welches
die Schlüsselübergabe an Petrus zum Gegenstande hat: die
feierliche Einsetzung und Wahrung der Priesterwürde im alten
und neuen Bunde. Auf Sandros Fresko sieht man in der Mitte
des Vordergrundes, wie die verzweifelt gestikulierende Rotte
Korah das rächende Feuer aus den eigenen Räucherpfannen
trifft, weiter links, wie sie die Erde verschlingt. Die Gruppe
rechts stellt die Bestrafung des Gotteslästerers durch Steinigung dar
69. Tizian: Maria mit dem Kinde und Heiligen. Vor.
einem prächtigen grünen Vorhang, der etwas zurückgenommen
den tiefblauen von weissen Wolken durchzogenen Himmel hereinschauen
lässt, hat Maria Platz genommen und empfängt die Heiligen
Magdalena, Paulus und etwas zurück Hieronymus, die dem Christuskind
ihre Verehrung darzubringen sich nahen. Das Kind bewegt
sich lebhaft vorwärts auf dem Schoss der Mutter, sorgsam
gestützt von dieser und Johannes dem Täufer, der hier nicht
mehr als sein kindlicher Spielgefährte, sondern als gereifte Persönlichkeit
erscheint. Noch erinnert manches an die vorhergegangene
Epoche der Malerei, an die leis befangene Quattrocentokunst
: das Halbfigurenbild der Bellini-Schule ist noch nicht
ganz vergessen. Aber schon finden wir nicht mehr die Gruppe
der Madonna mit dem Kinde in der Mitte, und regelmässig die
Heiligen rechts und links gruppiert; mit leisen Aenderungen ist
Handlung in die Scene gebracht. Der junge Meister sprengt die
Fesseln alten Brauches, aber die Spuren derselben sind noch
nicht ganz geschwunden. Auch die Typen, besonders die Gestalt
der Madonna beweisen, dass das Bild in die Jugendzeit
Tizians gehört.
70. Porta,Landini: Fontana delle Tartarughe. Roms schönster
Brunnen, „der Brunnen mit den Schildkröten" steht auf einem
verhältnismässig kleinen und stillen Platze abseits des grossen
Strassenzuges, der ziemlich gradlinig Kapitol und Vatikan verbindet
. Bescheiden ist auch der dekorative Aufwand dieses
Brunnens und sein Motiv: Knaben, die leicht gegen den Fuss
einer Schale gelehnt, wechselweise das rechte und das linke
Bein auf einen Delphin stemmend, mit erhobenen Armen einigen
Schildkröten über den Rand des oberen Becken; hinweg in das
ihnen zusagende nasse Element helfen. Das Wasser ist hier
noch nicht als rein dekorative Masse, sondern als lebendige Linie
verwendet: wie es unter dem Tritt der Knaben den Mäulern der
Delphine entsprudelt, über den flachen Rand der Muschelschalen
kaum hinwegquillt, und aus Löwenrachen unter dem Rande des
oberen Beckens in feinen Strahlen in das grosse untere Bassin
rieselt, überschneidet es nirgends die schlanken, zierlichen
Formen der klaren und durchsichtigen Komposition. Es verschleiert
nicht, es belebt nur. Eine alte Tradition, die den Entwurf
des Brunnens auf RafFael selbst zurückführt, mag in der
Freude an der reinen Formenschönheit dieses Werkes wurzeln.
Ausgeführt wurde es 1585 von dem Florentiner Taddeo Landini,
der nach seiner heimischen Art, im Gegensatz zu der römischen
Gepflogenheit, das Figürliche aus Bronze, das Architektonische
aus Marmor herstellte.
71. 72. Ghirlandajo: Kreuzabnahme und Madonna della
Misericordia. Am 3. Februar 1898 hat man in der Kirche
Ognissanti in Florenz in einer von den Vespucci gestifteten
Kapelle hinter einem Bilde des Matteo Rosselli ein Fresko entdeckt
, das, nach einer Bemerkung des Vasari, als Jugendwerk
des Ghirlandajo anzusehen ist und auf dem sich, ebenfalls nach
Vasari, das Porträt des Amerigo Vespucci, des florentinischen
Amerikafahrers finden soll. Das Fresko besteht aus zwei Darstellungen
; oben lunettenförmig umrahmt eine Madonna della
Misericordia, unter deren Mantel die Männer und Frauen der
Familie Vespucci in zwei gesonderten Gruppen knieen. Der
Jünglingskopf in nächster Nähe der Madonna wird als Amerigo
angesehen; die aus der späteren Lebenszeit bekannten Portrsät
des Amerigo schliessen eine derartige Identifikation nicht aus,
geben aber auch keinen zwingenden Grund für dieselbe. Der
untere Teil des Freskos stellt eine Kreuzabnahme dar. Im Vordergrund
halten Maria, Johannes und Magdalena den Leichnam Christi,
hinter ihnen stehen eine Reihe von Heiligen. Die etwas derbe
zeichnerische Behandlung der Köpfe, die grellen Farbentöne im
Vordergrunde, die unschöne Ansicht und Haltung des zusammengesunkenen
Leichnams machen es schwer, die Kreuzabnahrre
der zarten Formensprache des jugendlichen Ghirlandajo (z. B.
in der Kapelle der S. Fina in San Gimignano) zuzuweisen, während
in der Madonna della Misericordia die Hand des jungen Ghirlandajo
eher zu erkennen ist.
73. Bronzino: Stefano Colonna. Wie so viele Künstler, die auf
Nachahmung beruhenden Kunstrichtungen angehören, findet auch
Bronzino allein im Bildnis eine frische und selbständige Ausdrucksweise
und natürliche Farbenakkorde. Das Bildnis Stefano Colonnas
kann als eines seiner trefflichsten Werke und als ein charakteristisches
Beispiel der Bildnismalerei der Hochrenaissance gelten.
Die ganze rücksichtslose Herrschsucht, das stolze Selbstbewusst-
sein, das Gefühl der eigenen persönlichen Kraft ist darin lebendig
zum Ausdruck gebracht. Alle Einzelheiten, besonders die Ornamente
der Waffen, sind mit der grössten Sorgfalt ausgeführt,
die Färbung ist kräftig und warm ohne die abstossende Glätte
und Kälte der meisten anderen, ganz durch die unerfreuliche
Nachahmung Michelangelesker Formen entstellten Werke des
Künstlers. Die gesunde, rötliche Fleischfarbe des Gesichtes hebt
sich kräftig von dem bräunlich violetten Vorhange ab, der mit
dem Grün des Tisches, auf dem der Helm steht, ein Gegengewicht
gegen den gleichmässig grauen, nur durch die goldenen
Ornamente belebten Ton des Panzers bildet.
74. Botticelli: Das Magnificat. Maria, das Christkind auf
dem Schosse, hat die Worte ihres Lobgesanges auf den Herrn,
der sie, die niedrige Magd, erhöht hat (Luc. I, 46), in ein Buch
eingetragen, das ihr ein knieender Engel zusammen mit dem
Schreibzeug darbietet. Während sie die Feder eintauchen will,
um die letzte Reihe zu schreiben, weist das Christkind, die
Hand auf ihren ausgestreckten Arm legend, auf die Worte des
Magnificat und blickt zugleich zur Strahlenglorie des heiligen
Geistes und zur Krone empor, die zwei Engel über dem Haupte
der Gottesmutter als feierliche symbolische Bestätigung ihrer
höchsten Erhöhung halten.
75. Botticelli: Dante und Beatrice im Fixsternhimmel.
Nachdem Dante staunend in den Weltenraum hinabgeblickt, den
er zusammen mit seiner Führerin durchmessen, befähigt ihn ein
Aufblick zu Beatricens Angesicht zu weiterem Fluge durch die
himmlischen Welten. (Paradies, XXVII, 76 fF.J Die unkünstlerische
Nebeneinandersetzung der beiden Scenen und die bis
ins einzelne vom Text abhängige Mimik zeigen Botticelli als
mittelalterlichen Illustrator, der nicht sowohl Dante malerisch
übersetzen, als vielmehr durch Bilderschrift verdeutlichen will.
76. Lucas van Leyden: Die Schachpartie. Neben der grossen
Zahl authentischer und datieiter Kupferstiche, die wir von Lucas
besitzen, bedeuten die wenigen beglaubigten oder dem Meister mit
Recht zugeschriebenen Gemälde nicht viel. Zum wenigsten
geben erst die Stiche Mittel und Anhalt zur Beurteilung und
auch zur Datierung der Bilder. Die Berliner Galerie besitzt drei
Gemälde des Lucas, die der strengsten Prüfung standhalten,
während der Meister in den allermeisten Sammlungen gar nicht
vertreten ist, wie oft auch sein Name — namentlich in
italienischen Galerien — gelesen wird. Unser Bild, das als eines
der frühesten Genrebilder im eigentlichen Sinne von grossem
historischen Interesse ist, wurde ganz mit Unrecht eine Zeit lang
dem Lehrer des Lucas, dem Cornelis Engelbrechtsen, zugeschrieben
. Etwa i5io mag die mit schwerflüssiger Farbe in
trüben Tönen gemalte Tafel entstanden sein, einfge Jahre vor
der inhaltlich nahe verwandten Darstellung der Kartenspieler in
Wilton House. Die Verwunderung darüber, dass einem Siebzehnjährigen
die Arbeit zugetraut wird, schwindet vor dem Rätsel
der Frühreife, das die datierten Kupferstiche aufgeben. Wenn
nur das Geburtsdatum richtig überliefert ist!
77. Demeter von Knidos. Die feierliche Ruhe und Erhabenheit,
durch die Phidias seine Kultbilder übergewaltig und ernst machte,
haben die Künstler der späteren Zeit, in der die religiöse Auffassung
eine weniger strenge geworden war, nicht festgehalten.
Ihnen erschien die Gottheit in milderem Lichte. Empfindung in den
Zügen und Bewegung im Körper rückten das Bild dem Menschlichen
naher. Dieser Wechsel in der Gestaltung des Göttlichen
macht die Demeterstatue von Knidos deutlich, in der wir ein
Originalwerk des IV. Jahrhunderts v. Chr. besitzen. Jeder Meissel-
schlag verrät die Hand eines grossen Künstlers, jeder Faltenzug
des reich drapierten Gewandes, jede Einzelheit des wundervollen
, weichen, zart durchgeführten Kopfes, dessen liebliche
Züge ein Hauch praxitelischer Schönheit umspielt. Wie würde
der Zauber dieses Bildes erst wirken, wenn es mit dem Hermes
von Olympia, dem es etwa gleichzeitig ist und in Anmut nahe
steht, die vorzügliche Erhaltung der Oberfläche teilte, wenn gar
die Farbe, mit der ursprünglich das Haar und die Augen und
der Mund und vielleicht das Gewand getönt war, noch vorhanden
wäre! — Die Statue ist 1858 von Sir Charles Newton
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