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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0095
95. Cornelius: Die Apokalyptischen Reiter. Die gewaltige
Komposition war neben vier anderen grossen und einer ganzen
Anzahl kleinerer Bilder für die Nordwand des in Berlin nördlich
vom Dom geplanten Camposanto bestimmt. Dies Gebäude sollte
einen quadratischen Vorhof zu einer Fürstengruft bilden, diese
war im Osten gegen die Spree zu gedacht. Die Wände des
Camposanto, nur durch zwei bedeutende Oeffnungen, das Portal
zur Fürstengruft und das Empfangsthor an der Wand gegenüber
, unterbrochen, waren innen in ihrem ganzen Umfange für
die Malereien des Cornelius bestimmt. Die Wand vor der Gruft
sollte Bilder erhalten, die auf Christi Sendung und seine erlösende
Kraft Bezug hatten, die gegenüber die Ueberwindung
des Todes (Auferstehung Christi, Auferweckung von Toten)
darstellen. Die Südwand, die an den Dom stiess, war der Ausbreitung
der Lehre, der Apostelgeschichte, die Nordwand den
letzten Dingen gewidmet. Hier hat Cornelius mit der Ausführung
begonnen. Ein Bild von der reizvollen und sinnreichen
Einteilung aller Wände durch Pilaster und Gesimse giebt die
Kopfleiste auf Seite 45 des Textes. Es waren die apokalyptischen
Reiter ein kleiner Bruchteil des grossen Planes. Der
Vorwurf dieser Komposition aber gehört zu denen, die gerade
in der deutschen Kunst immer wiederkehren. Nicht nur Dürer
und alle die deutschen Maler, die Luthers Bibeln illustriert
haben, darunter auch ein Holbein d. J., haben sie behandelt,
auch Böcklin hat ihn wieder aufgegriffen, und Dürers Holzschnitt
gehört zu den gefeiertsten Werken der deutschen Kunst.
Aber der reife Cornelius braucht hier den Vergleich mit dem
Jugendwerke Dürers nicht zu scheuen. Wohl individualisiert
der alte Meister die Formen und die Bewegungen schärfer und
sein Bild ist deshalb reicher an gut beobachteten Zügen, aber
an Klarheit der Komposition, Schwung der Linien, dramatischer
Kraft und Konzentration ist der spätere überlegen.

96. Niccolo dell' Area: Der hl. Bernhardin. Unter den
Künstlern, deren Zuwanderung das gelehrte Bologna seinen
künstlerischen Schmuck und Ruhm zu danken hat, finden wir
im letzten Drittel des Quattrocento Niccolo d'Antonio, einen
Süditaliener. Von seinem Hauptwerke, dem architektonisch
barocken, mit reichem plastischen Schmuck versehenen Deckel,
der den Sarkophag des heiligen Dominikus schliesst, führt er
seinen Beinamen dell' Area. Dem Kreise jener Gestalten, die
teils in kecker Weltlichkeit, teils in tiefernster mönchischer
Abgeschiedenheit über den Reliquien des Heiligen Wache halten,
scheint die Bernhardinsstatuette unmittelbar entnommen. Alt
und zahnlos, die grobwollene Kapuze über dem knochigen
Schädel, die rauhe Ordenskutte über dem in der Askese abgemagerten
, vom Alter aber erst leicht gebeugten Leibe ist der
begeisterte Lobprediger Christi in dem Augenblick erfasst. wo er
mit tiefen Gedanken den schlichten Worten des heiligen Textes
nachgeht. Das feingeschnittene Gesicht trägt alle Spuren lebhaftester
geistiger Arbeit und eines an Erasmus erinnernden kritischen
Spürsinns. Der ruhig fiiessende Umriss, die schweren tiefen
Falten und die dunkle Farbe erhöhen die eindringliche Wirkung.

97. Rubens: Der Künstler und seine erste Gattin.

98. Frans Hals: Der Künstler und seine zweite Gattin.

99. Rembrandt: Der Künstler und seine Gattin Saskia.
„Glücklich, fröhlich, ausgelassen" sind die drei Stichworte, unter
denen sich die Künstlerehepaare Rubens, Hals und Rembrandt
der Nachwelt vorstellen. Rubens mit der ersten Frau Isabella
Brant kurz nach der Heirat 160g, Frans Hals mit seiner zweiten
Ehegattin Lisbeth Reyniers ungefähr 1624 und Rembrandt mit
seiner Saskia in der Mitte der dreissiger Jahre. Alle drei
Bilder bedeuten einen Höhepunkt in dem persönlichen Leben
der Künstler. Rubens war soeben aus Italien zurückgekehrt,
erfüllt von Anregungen und Plänen, sich dessen bewusst, was
Italien ihm geboten hatte und was er selbst darüber hinaus
leisten konnte, als grosser Künstler anerkannt, ohne Sorgen
für das materielle Leben und im Besitz einer jungen Gattin,
die ihm die Lücke der eben verlorenen Mutter auszufüllen versprach
, noch nicht überhäuft von Arbeiten und noch nicht in
diplomatische Missionen verwickelt; gewiss war das eine der
glücklichsten Zeiten seines glücklichen Lebens.

Frans Hals, der mit seiner ersten Frau, wie es aus den
Ueberlieferungen erscheint, nicht sehr glücklich war, hat in der
zweiten — das sagt uns ihr Gesicht — eine Genossin seines
Temperaments gefunden. Sie nehmen das Leben leicht. Das
Heitere, das Lebendige wissen sie zu geniessen und die Kunst
des Malers schuf gerade in dieser Zeit die farbenreichsten
und bewegtesten seiner Schützenbilder. Noch warf die Armut
seiner späteren Jahre keine Schatten auf sein Leben.

Und Rembrandt, fast scheint uns seine Darstellung unwahr,
denn des Künstlers Geschichte und Werke zeigen ihn uns als
einen ernsten Mann, bei dem die Intensität künstlerischer Gedanken
die Lockungen der Lebenslust unterdrückten. Umsomehr
muss man den Augenblick als einen Höhepunkt in seinem
Lebensgang betrachten, indem er in überschäumender Freude
mit der reichgeschmückten jungen Frau auf den Knieen vor
einer üppig besetzten Tafel seinen Mitmenschen zutrinkt. Auch
für die etwas verlegene Saskia ist die Situation keine alltägliche,
und die Lisbeth Reyniers würde uns auf diesem Platz natürlicher
erscheinen. Auch für Rembrandt war es damals eine
sorgenlose Zeit, in Amsterdam war er als Porträtmaler gesucht,
seine Bildnisse hatten ihn zum Wohlstand gebracht, wobei auch
Saskia ihren Anteil hatte, und nun konnte er sich unbehindert
den höchsten Interessen seiner Kunst hingeben und das malen,
was ihm die grösste Freude machte.

Alle drei Gruppen sind keine konventionellen Porträts, sie
haben einen stark sittenbildlichen Zug, ohne doch Genrebilder
zu sein, denn mit grösster Absichtlichkeit wenden sie sich an
den Beschauer. Rubens ist der vornehmste, nicht nur in der
Kleidung, sondern auch in der Stellung; er wie seine Frau
bewahren, trotzdem ein freundlicher Händedruck sie verbindet,
eine etwas ceremoniöse Haltung. Die steife Tracht der Frau
mit dem hohen harten Hut trägt das Ihrige dazu bei. Das
alles ist gelockert in der Gruppe von Frans Hals. Hier nimmt
das Ehepaar weniger Rücksicht auf das Publikum, vor allem
machen sie es sich selbst bequem, und auch die Kleidung sitzt
weniger beengend. Rembrandt aber ist ganz zu Hause.

Der Zeitunterschied zwischen den einzelnen Bildern ist
beidemal etwas über ein Dezennium, die künstlerische Kluft
aber dünkt uns hier grösser zwischen Hals und Rembrandt,
obgleich beide Holländer sind, als zwischen dem Vlamen Rubens
und Hals. Diese beiden haben vieles gemeinsam in der Malweise
, in den scharfen, leuchtenden Reflexen, in der einfachen
Naturwahrheit, beide Paare präsentieren sich im Freien, in
schattiger Laube, Rembrandt dagegen zieht das Helldunkel des
Interieurs vor, das phantastische Farbenspiel überwiegt die klare
natürliche Färbung, ist doch auch die Kleidung eine phantastische
. In den Bildern spiegeln sich Phasen, welche die
niederländische Malerei zu durchlaufen hatte. Die Konzessionen,
die Rubens einer vornehmen Kultur machte, machte Rembrandt
einer das Leben umspinnenden Phantasie; Hals steht in der
Mitte, er erfasst die Natur am ungezwungensten.

100. Dürer: Stehender Apostel. Kein Gemälde hat Dürer
so sorgsam vorbereitet wie den von dem Frankfurter Patrizier
Heller bestellten Altar, auf dessen Mitteltafel die das leere Grab
Mariä umstehenden Apostel und oben die Krönung Mariä dargestellt
war. Systematisch und in gleichmässiger Ausführung
scheint Dürer fast alle einzelnen Gestalten, auch Gewänder,
Köpfe, Hände und Füsse in der Weise wie den hier abgebildeten
Apostel, der zu der emporgeschwebten Mutter Gottes aufschaut,
erst auf Papier gezeiehnet zu haben. Die uns in grosser Zahl
erhaltenen Studien sind um so wichtiger, als das Gemälde im
17. Jahrhundert verbrannt ist. In Frankfurt steht heute eine
alte Kopie der Mitteltafel zwischen den echten, doch nur von
Schülerhänden ausgeführten Flügeln.

101. Dürer: Simson. Mit dem Gegenstück, in der Albertina zu
Wien, das die Auferstehung Christi darstellt, bildete unser Blatt
ein Diptychon, das als solches in den Inventaren der Imhofschen
Sammlung erwähnt wird. Die von Engeln gehobene Säule auf
der rechten Seite des Blattes scheint die Drehungsachse des
Diptychons anzudeuten. Der inhaltliche Zusammenhang wird
durch die nicht seltene typologische Beziehung hergestellt, nach
der der siegreiche Simson auf den auferstehenden Christus hinweist
. Die auf Zeichnungen ganz ungewöhnliche stattliche
Schrifttafel mit der auf Zeichnungen nicht weniger ungewöhn-

1 liehen, auf Gemälden ähnlich gefassten Inschrift lässt schon
die besondere Stellung dieser i5io entstandener? Schöpfung
erkennen (vergl. im Text Seite 49 f.).

102. Kleomenes: Statue eines Römers. Der Bildhauer
Kleomenes ist ein Vertreter derselben klassizistischen Richtung,
aus der die Gruppe des Menelaos (Taf. 92) hervorgegangen ist.
Die meisten Künstler dieser Richtung waren Athener und haben
in den älteren Werken der attischen Kunst ihre Vorbilder
gesucht. Für die Art, wie sie diese nicht immer nur einfach
kopiert, sondern auch der veränderten Formenauffassung ihrer
Zeit entsprechend umgebildet haben, ist die Statue der Kleomenes
, künstlerisch eins der hervorragendsten Werke dieser
Richtung, ein besonders bezeichnendes Beispiel. Der Künstler
hat eine Statue des fünften Jahrhunderts, in der Hermes als
Redner dargestellt war, als Modell benutzt. Er hat aus dieser
Figur eine Porträtstatue gemacht, indem er den Kopf neu
bildete. Aber er hat, im übrigen das Vorbild genau wiederholend
, auch die strengen und einfachen Formen des älteren
Werkes leicht umgestaltet durch eine reichere und bewegtere
Modellierung, durch die er der Wirklichkeit der Natur, so wie
er sie sah und kannte, näher zu kommen glaubte. Der Gefahr,
die jedes eklektische Verfahren dieser Art in sich birgt, ist er
sehr glücklich entgangen: die Statue wird von modernen
Künstlern als eine Normalfigur bewundert und studiert. Leider
weiss man nicht, v/er der Dargestellte ist. Man hat früher
irrtümlich an Germanicus, neuerdings an ein idealisiertes Bild
des Caesar gedacht. Die Erhaltung ist vorzüglich. Nur Daumen
und Zeigefinger der linken Hand sind ergänzt.

103. David: Marat. Das Werk stammt aus den Jahren, in
denen David, im Mittelpunkt der politischen Bewegung stehend,
nur selten zum Pinsel griff. Zwei Hauptwerke entstanden in
dieser Zeit, beide dem Gedächtnis politischer Gesinnungsgenossen
gewidmet: das Bildnis des von einem Leibgardisten des hin-

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