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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_02/0097
Sinnen darauf gerichtet war, für ihre frische Schönheit sorgfältig
die wirkungsvollste Kleidung auszudenken? Die Porträts
sind zugleich Muster geschmackvoller Tracht. Auf dem Petersburger
Bild haben wir die ganze Gestalt vor uns, wie im leichten
Schreiten begriffen. Sie gewinnt an Grösse des Eindrucks dadurch
, dass sie so hoch über uns zu stehen scheint, denn fast
der ganze Hintergrund ist dicht bewölkter Himmel, und der
Horizont liegt nicht viel höher als ihre Füsse.

114. Rembrandt: Hendrickje Stoffels. Das Bild ist als ein
deutliches Beispiel einer bei Rembrandt in seiner späten Zeit
beliebten Ausdrucksweise anzusehen, satte, rote und gelbe Töne
neben wenigen grünen Pinselstrichen zu einem aufs höchste
gesteigerten Leuchteffekt zu verbinden. Da die sympathische
jugendliche Erscheinung auf seinen Bildern aus den fünfziger
und sechziger Jahren mehrmals hervortritt, von noch jüngerem
Aussehen auf einem köstlichen Gemälde des Louvre, als nackte
Gestalt in der Sammlung La Caze im Louvre und als badendes
Mädchen in der Londoner Nationalgalerie, liegt die Vermutung
nahe, in ihr die Wirtschafterin und die allerdings nicht legitime
zweite Gattin Rembrandts, Hendrickje Stoffels zu suchen, die
ihm in dem späten sorgenvollen Teil seines Lebens eine treue
Lebensgefährtin blieb. Das Bild wird „nach den energischen
roten und gelben Tönen, nach den schwärzlichen Schatten, der
breiten schon ziemlich trockenen Pinselführung und der ausserordentlich
plastischen Wirkung", den sechziger Jahren eher als
den fünfziger zuerteilt.

115. Lippi: Madonna. Von dem vielgerühmten Erzählertalent
der Florentiner Quattrocentisten legt das Rundbild ein hervorragendes
Zeugnis ab. Alles ist mit schlichter Treue in die
volkstümliche Sphäre kleinbürgerlicher Alltäglichkeit gerückt;
eine junge nachdenkliche Mutter mit ihrem pausbäckigen Kinde,
das an einer Granate nascht; dazu im Hintergrunde eine Wohnstube
und die Begegnung zweier Ehegatten auf der Stiege unter
dem Hausthor. Nur die Heiligenscheine führen auf die dogmatische
Deutung, dass hier „eine gewisse Geschichte aus dem
Leben der hl. Jungfrau" dargestellt ist. Wenige Bilder des
Mönches sind von so ausgeglichener Schönheit, scheinbar so
mühelos aus einem Gusse. Und doch ist auch dies Werk ein
Produkt unstäter Laune wie alles, was Fra Filippo in Angriff
genommen hat. Es hat 1452 die Uebersiedelung des Mönches
nach Prato mitgemacht und wäre, ohne das energische Einschreiten
seines Bestellers, vielleicht einem Ateliergehilfen
schliesslich zu handwerkmässiger Vollendung anheimgefallen.
Statt dessen hat der Frate es eigenhändig beenden müssen und
hat mit ihm sein vielleicht schönstes Tafelbild hinterlassen.

116. 117. Raffael: Die Vertreibung des Heliodor. Der
syrische Feldherr Heliodor war nach Jerusalem gekommen,
um das Geld der Witwen und Waisen aus dem Tempel zu
rauben. Vergebens beschwor ihn der Hohepriester, von seinem
Vorhaben abzustehen, vergebens jammerten die Weiber und
Kinder, die um ihr Gut kommen sollten: Der Gewaltthäter
erbrach die Schatzkammer. In diesem Moment aber erschien
ein himmlischer Reiter, der ihn zu Boden warf, und zwei
Jünglinge schlugen mit Ruten auf ihn ein, so dass er wie tot
an der Stelle liegen blieb. — Raffael hat das Ereignis überzeugend
zur Darstellung gebracht. Er sammelt die zerstreuten
Züge der Geschichte, so dass man nebeneinander sieht, wie
das Volk jammert und der Priester betet, indessen das
Wunder schon eingetreten ist und auch bereits seinen ersten
Reflex in der Gruppe der Frauen findet. Es war ein kühner
und glücklicher Gedanke, die Scene der himmlischen Rächer
ganz an den Rand hinaus zu schieben und die Mitte leer zu
lassen. Die Plötzlichkeit des Vorganges wird dadurch erst
eindrücklich. Das Herbeistürmen der Jünglinge wirkt mit prachtvoller
Wucht. Der gestürzte Heliodor ist im Bewegungsmotiv
besonders interessant und an sich eine nicht unedle Bildung.
Das Gegenstück im Bilde ist die Gruppe des Papstes, der sachlich
nicht zugehörig, doch in seiner Ruhe einen erwünschten
Kontrast abgiebt. Er trägt die Züge Julius IL, und man muss
annehmen, es sei dessen besonderer Wille gewesen, auf dem
Bilde mit zu figurieren. Unter den übrigen Porträtgestalten ist
uns namentlich der vordere Sänftenträger wichtig, der Kupferstecher
Marc Anton. — Das Fresko ist datiert 1514.

118. Relief einer Säule vom Artemistempel in Ephesos.
Eine Frau legt sich den Mantel um und scheint willig, ihren
Geleitern, Hermes und einem geflügelten Genius, der ein Schwert
an der Hüfte trägt, zu folgen. Wohin der Zug geht, können
wir nicht sagen, denn es ist bisher nicht gelungen, eine überzeugende
Deutung dieses schönen und stimmungsvollen Bildes
zu finden, das sich rechts und links in anderen, nur zum Teil
erhaltenen Figuren fortsetzt. Es zieht sich um das Rund einer
Säule hin, über dem Relief stieg der kannellierte Schaft der
Säule auf. Der Artemistempel von Ephesos, der diese ungewöhnliche
Ausstattung reliefgeschmückter Marmorsäulen hatte,
ist nach dem Brande des alten Heiligtums im Jahre 356 v. Chr.
mit ungeheurem Aufwand neu gebaut. Er gehört zu den grossen,
in ionischem Stil ausgeführten Bauten, mit denen die kleinasiatischen
Städte um die Mitte des vierten Jahrhunderts wetteiferten
und an deren Herstellung neben den ersten Architekten

der Zeit auch die berühmtesten griechischen Bildhauer beteiligt
waren. So haben die Künstler Timotheos, Leochares, Skopas
und Bryaxis an dem Mausoleum von Halikarnass (vgl. Bd. III,
Taf. 3o) mitgearbeitet, und mit dem Bildwerk dieses Gebäudes
sind die erhaltenen Bruchstücke der . Säulen des Ephesischen
Tempels im Stil verwandt, deren eine, alter Ueberlieferung zufolge
, von Skopas gefertigt sein sollte.

119. Uhde: Die Anbetung der Weisen. Die duftigen Geschichten
aus der Kindheit Christi hat sich Uhde immer von neuem
wieder zum Vorwurf genommen. Berühmt ist das dreiteilige Bild
der Anbetung der Hirten, längst bekannt auch der Gang nach
Betlehem, die Verkündigung bei den Hirten. Der Künstler, der
das Poetische und das Malerische in der bescheidensten menschlichen
Umgebung findet, hat seine besondere Freude, auch das
Himmlische in dieser irdischen Hülle darzustellen. Die Anbetung
der Könige ist eines der späteren Bilder, sie erschien erst 1895
auf der Münchener Ausstellung. Alle Mittel, welche die frühere
Kunst einst verwendet hatte, um den ganzen Vorgang über das
Gewöhnliche hinauszuheben, sind hier wie immer von Uhde
bei Seite gelassen. Dagegen verwendet er Zufälle des täglichen
Lebens, um der Darstellung doch den Charakter einer geheiligten
Begebenheit zu verleihen. Der Lichtstrahl, der in den Stall fällt,
versieht den Dienst jener seltenen Himmelserscheinung, die sonst
über der Scene erscheint. Statt des Heiligenscheines erhält die
Mutter ein Gesicht, das in dem realistisch wiedergegebenen
Gemach wie eine Erscheinung aus einer besseren Welt wirkt,
und ein Reflexlicht muss diese Feinheit noch besonders verklären
. Die drei Könige sind lediglich als vornehme Leute aus
Landen fremder Gesittung charakterisiert. Das Phantastische,
das die Begebenheit in manchem Bilde älterer Zeiten gewinnt,
fehlt hier. Dafür zeichnet sich die Schöpfung durch ihre liebenswürdige
Naivität auch unter den Werken Uhdes aus.

120. Das Haupt Johannes des Täufers, von einem Adler
gehalten. Grösstmögliche Naturwahrheit zu erreichen, ist seit
dem Ausgang des Mittelalters das Ziel spanischer Kunst. Für
die Plastik fand man im Holz das geeignetste Material; die
Malerei kommt ihr zur Hilfe, und bei der vollendetesten Technik
wird kein Mittel verschmäht, um den Schein der Wirklichkeit
noch zu steigern. Aber diese pathetischen Leidensgruppen und
Heiligengestalten, welche zu leben scheinen, haben nichts von
jener süsslichen Sinnlichkeit, die uns die meisten Kunstwerke
der Italiener dieser Periode so unerträglich macht; die Kraft
echt religiösen Empfindens und ein gewisses Masshalten bei aller
Steigerung, ein wahres Stilgefühl bringt uns Modernen diese
Arbeiten besonders nahe. Alle diese Vorzüge sind in dem
Johanneskopf vereinigt, dessen Urheber wir aus mehr als einem
Grunde im Kreise des Jose de Mora werden suchen müssen.
Selten ist christliches Leiden so ergreifend dargestellt; während
auf dem im Schrecken des Todes grauenvoll aufgerissenen Mund
das Auge nicht ohne Bangen ruht, scheint über dem oberen
Teil des Gesichtes milde Verklärung, göttlicher Friede ausgegossen
. Die langen Haare, welche der Angstschweiss des
Todes in Strähnen zusammengeklebt, breiten sich gleich einer
Aureole, schlicht und ergreifend, nach allen Seiten aus. Der
Adler, das Symbol des Evangelisten Johannes, als Träger der
Schüssel, auf der das Haupt des Täufers ruht, mag wohl für
den in dogmatischen Spekulationen wohlgeübten Spanier dieser
Zeit eine besondere mystische Bedeutung gehabt haben.

121. Der Meister des Todes Mariä: Selbstbildnis. Der
in Antwerpen, in Köln und vielleicht in Genua zwischen i5o5
und i525 etwa thätige Meister, der seinen kunsthistorischen
Namen von zwei Darstellungen des Marientodes (jetzt in dem
Museum zu Köln und in der Pinakothek in München) erhalten
hat, ist eine klar erkannte und hervorragende Persönlichkeit,
wenngleich es der Forschung noch nicht gelungen ist, seinen
wahren Namen mit voller Sicherheit festzustellen. Unser Bildnis,
ein feines Beispiel seiner Porträtierkunst, wird mit guten Gründen
für ein Selbstbildnis gehalten. Ein Mann mit denselben Zügen
kommt als Zuschauer im Hintergrunde der beiden Anbetungen
der Könige, die die Dresdener Galerie besitzt, vor. Hier, wie
bei unserem Porträt lassen Blick und Auffassung schon das
Eigenbildnis vermuten. Vielleicht ist der fruchtbare, zart
empfindende und von den Zeitgenossen anscheinend besonders
hoch geschätzte Meister identisch mit dem älteren Joos van Cleve,
wie kürzlich mit vieler Gefälligkeit vorgetragen worden ist.

122. Rubens: Christus bei Simon dem Pharisäer. Das
Bild gehört in die Zeit des Zusammenarbeitens von Rubens und
Van Dyck, also ungefähr in die Jahre 1618 bis 1620. An den
jüngeren Meister erinnert besonders der intensive Ausdruck der
Augen. Auch die Porträtstudie zum entferntesten Apostel rechts,
die sich in der Berliner Gemäldegalerie (No. 798 F) befindet,
könnte man fast für einen Van Dyck halten. Das Hauptinteresse
liegt in der Verschiedenheit des Empfindungsausdruckes, den
der Vorgang auf den Gesichtern der Gäste zu beiden Seiten des
Tisches hervorruft. Ein deutlich beabsichtigter Gegensatz liegt
in der Abwandlung der Kopftypen von Christus an, der ganz
auf Rubens klassischen Studien beruht, bis zum durchaus unklassischen
Gesicht des Pharisäers in der Mitte, während vorne
die höchste Leidenschaft der gesammelten Ruhe gegenüber sitzt.

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