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des Vaters und übte es aus. Durch Krankheit, so wird
erzählt, sei er zu schwerer Körperarbeit untüchtig
geworden, habe das väterliche Gewerk
aufgegeben und sich der Malkunst zugewandt.
Freundlicher klingt der andere Bericht, der die Liebe
die Wandlung vollbringen lässt. Quinten habe sich
als Schmied in ein Mädchen verliebt, das einen
anderen Bewerber, einen Maler, bevorzugte. Und da
die Bevorzugung eher dem Berufe als der Person
galt, sei der Schmied Maler geworden und habe die
Hand des kunstfreundlichen Mädchens gewonnen.
Wahr oder nicht wahr, diese Ueberlieferung ist
nicht übel. Wir wissen nicht, wo und bei
welchem Meister Quinten die Malkunst erlernt habe,
und können aus der Betrachtung seiner Kunst keine
Vermutung darüber gewinnen. Die Vorstellung,
dass er nicht als der Sohn eines Malers, in
festem Zusammenhang mit der Tradition aufgewachsen
, dass er auf besonderen Wegen zu seiner
Kunst gekommen sei, die Vorstellung von einer
Herzensneigung, die seine Begabung geweckt habe,
belebt sehr glücklich das historische Bild.
Mit den Malern des 15. Jahrhunderts verglichen,
erscheint Metsys als ein Künstler im modernen
Sinne, in manchem selbst als ein Virtuose. Die
Aelteren sind eher Handwerker. Wir werden nicht
so sehr versucht, hinter ihren Schöpfungen nach ihren
Persönlichkeiten zu spüren, wie hinter den seinigen
nach der innig und weich empfindenden Seele des
Schöpfers. Metsys ist uns interessant nicht nur als
Maler, auch als Mensch. Den Modernen tritt er um
einen Schritt näher als die älteren Meister, indem
er, der Ueberlieferung gegenüber unabhängiger,
seine Kunst übt, von der er weiss, dass sie etwas
anderes als ein Handwerk ist. Absichtsvoll nach Originalität
strebend, treibt er ehrgeizig seine Begabung
empor. Hart an die Grenzen des Möglichen dringend
in der Auffassung und in der Ausführung, hinter-
lässt er dem Betrachter nicht selten ein peinigendes
Gefühl, ein G*efühl, mit dem wir nie von der gesunden
und natürlichen Kunst der van Eyck etwa scheiden.
Den Strebenden, der seine Kunst als eine Sache
des Geistes und des Gefühls auffasste, stellen wir
uns wohl mit Recht vor als einen empfindlichen,
der reicheren Lebensführung zugewandten Mann,
der an der höchsten Kultur seiner Zeit teilnahm.
Mit Petrus Aegidius, das wissen wir, war Metsys
befreundet. Aegidius war ein Schüler und Freund
des Erasmus von Rotterdam und stand auch mit
Thomas Morus in Beziehungen.
Im Jahre 1491 wurde Metsys in die Lucasgilde
zu Antwerpen als Meister aufgenommen. Erst als
einen hoch geschätzten Maler, dessen Stil voll
ausgebildet ist, lernen wir ihn in beglaubigten
Schöpfungen kennen. Im Jahre 1508 bestellte die
Zunft der Schreiner bei ihm ein grosses Altargemälde
für ihre Kapelle im Dom von Antwerpen.
Dem Bildersturm entging das Werk glücklich, und
als Philipp II. und die Königin Elisabeth mit hohen
Angeboten darum warben, rettete es der Maler
Martin de Vos der Vaterstadt, indem er die Obrigkeit
zum Ankaufe vermochte. Im 18. Jahrhundert
schützte wieder ein Maler die Stadt vor dem Ver-
luste. Heute steht der Flügelaltar, im grossen und
ganzen wohl erhalten, im Museum zu Antwerpen.
Das Werk ist ein Johannes-Altar. Auf den
Flügeln sind aussen die Gestalten des Täufers und
des Evangelisten gemalt, steinfarbig, statuarisch,
innen zur Rechten vom Beschauer das Martyrium
des Evangelisten, links das Martyrium des Täufers
oder richtiger die letzte Scene der Tragödie — Salome
stellt die Schüssel mit dem Haupte Johannis auf die
Tafel vor Herodes hin.
Die breite Mitteltafel ist der Passion Christi vorbehalten
und zwar dem Vorgang, der auf die Katastrophe
folgt. Der Kampf ist ausgekämpft, das wilde
Leben, mit dem die Feinde Christi den Schauplatz
erfüllten, verrauscht, der Aufschrei des Schmerzes
verstummt. Die sanftere Scene ist gewählt, da
die Freunde Christi den vom Kreuz genommenen
Leib am Fusse des Kalvarienberges niederlegen und
zur Bestattung bereiten. Die breite, S3mimetrisch
gegliederte Gruppe der neun Getreuen füllt den
ganzen Plan im Vordergrunde. Der reiche landschaftliche
Hintergrund ist mit den lebensgrossen
Gestalten gar nicht in Verbindung gesetzt. Der Mittelgrund
ist unentwickelt geblieben. Die gedrängte Komposition
ist nicht in die Tiefe hineingebaut. Altertümlich
erscheint diese Anordnung, die alle Körper
als gleichwertige in gleichem Abstände vom Beschauer
zur Geltung zu bringen sucht. Und altertümlich erscheint
auch die Durchführung, die mit der höchsten
sachlichen Genauigkeit jede Einzelheit nach Form,
Lokalfarbe und stofflicher Art, ohne Rücksicht auf
die Wirkung des Ganzen, veranschaulicht. Die
überaus vollendete, glatte Malweise steht im Widerspruch
mit dem Streben nach Monumentalität. Schon
äusserlich, in den Massen des Altares — das Mittelbild
ist 2,60 m hoch und 2,07 m breit — wird die
Bemühung des Malers bemerklich, die Vorgänger
zu überbieten, ein Ausserordentliches, bisher nicht
Gewagtes zu schaffen. Die Gruppierung erscheint
ein wenig zu sehr berechnet. Der starre Leib Christi
wird absichtsvoll in der Vorderansicht gezeigt. Zur
Rechten vier Frauen, zur Linken vier Männer, in
der Mitte die in die Knie gesunkene Maria, die sich
über den Sohn beugt und von Johannes gehalten
wird. Eine einheitliche, feierliche Stimmung liegt
über der Versammlung. Der Ausdruck des
Schmerzes, des Grames, des Mitgefühls hat seine
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