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motivierende Dichtungen einer späten Litteratur zu
kindlich chronikartigen Mitteilungen, also verhalten
sich die Schilderungen des Quinten Metsys zu den
Schilderungen der älteren Maler.
Auf einige Madonnenbilder in
Brüssel, Antwerpen und Nürnberg
ist hingewiesen worden als auf
Arbeiten aus Metsys' früherer
Zeit. Die Kunst des Meisters ist
hier, knospenhaft verschlossen,
von deutschen Kunstforschern
wahrgenommen worden.
Unter den Madonnentafeln
im entwickelten Metsys-Stil, mit
wenigen Ausnahmen Nachahmungen
oder alte Kopien, ist das
Berliner Bild mit Recht berühmt
und als Original anerkannt. Aufs
fleissigste in allen Einzelheiten
durchgeführt, wie alles, was aus
des Meisters Hand hervorgegangen
ist, übrigens vollkommen erhalten,
bietet die Tafel dem Auge ein
Fest mit ihren hellen, auffällig
entschiedenen Lokalfarben, die
weder im Licht noch im Schatten
von ihrer Intensität viel einbüssen.
Im Ausdrucke der mütterlichen
Zärtlichkeit, in den absonderlichen
Bewegungsmotiven geht der.
Meister hier freilich hart an die Grenze, wo das
Reich der AfFektation beginnt. Die Berliner Madonna
ist wohl eine seiner spätesten, uns bekannten Arbeiten
.
In der Genremalerei haben die Schüler des
Quinten Metsys einige Eigenschaften seiner Kunst
einseitig entwickelt, mit recht unerfreulichem
Ergebnis. Die kleinen Nachahmer behielten die
grossen yerhältnisse bei — was recht gefährlich
Ausschnitt aus dem Löwener Altar
in Brüssel.
wurde
sie merkten sich die Hässlichkeit, die
der Lehrer in eigener Art gleichsam als Würze verwendet
hatte, bereiteten daraus die ganze Mahlzeit
und kamen zu brutalen Karikaturen. Mindestens
ein reines Genrebild, der Geldwäger und seine
Frau, ist als ein Original von Quinten Metsys im
Louvre bewahrt, beglaubigt durch die volle Namensaufschrift
und datiert von 1518 (Bd. II Tf. 66). Hier
zeigt sich lehrreich, wie relativ massvoll und zart
der Meister selbst solche Darstellungen durchführte.
Im Wesen der Kunst des Metsys, der die männlichen
Charaktere in seinen Kompositionen oft bis
zum Porträtmässigen individualisierte, lag es, dass er
an der Bildnismalerei nicht vorbeigehen konnte, ohne
auch dieser Gattung die persönliche Prägung aufzudrücken
. Freilich das Bildnis des
Erasmus von Rotterdam, das er
sicher ausgeführt hat, ist uns
wenigstens im Original nicht erhalten
oder nicht bekannt, wohl
aber sein Bildnis des Aegidius, das
mit dem Erasmus-Porträt zusammen
als Geschenk zu Thomas
Morus gesandt ward. Der „Aegidius
" hängt heute als Gegenstück
zu Holbeins „Erasmus" in Longford
Castle. Erasmus selbst erwähnt
, Metsys habe sein Bildnis
in Erz gegossen. So mag die
Vermutung gestattet sein, dass die
schöne Medaille von 1519, deren
Vorderseite hier abgebildet ist,
von unserem Meister ausgeführt
sei oder doch auf seine Zeichnung
zurückgehe.
Wir können den vergleichenden
Blick auf die niederländischen
Bildnisse des 15. Jahrhunderts
oder auf Holbeins Porträts richten.
Holhein ist der grössere Porträtist,
er ist ruhiger, einfacher, gesünder,
er ist wie ein reiner Spiegel.
In seinen Porträts ist das Wesentliche der Individualität
mit unvergleichlich sicheren Strichen bewahrt
, die Form, die beseelte, nicht aber die
vom Affekt bewegte und getrübte. Metsys' Bildnisse
sind vergleichsweise pathetisch, sie scheinen
sprechen zu wollen und wenden sich mit ihrer
Empfindung an den Beschauer, während die
Menschen Holbeins in gelassener Ruhe und festem
Schweigen verharren.
Metsys starb 1530 zu Antwerpen. Er kann
als Spätling einer glücklichen Kunstübung und
als Beginner erscheinen und steht mit seiner Malweise
auf einer Kunststufe, von der seine Empfindung
emporstrebt. Wie verheissungsvoll all'
diese Anfänge erscheinen, die Ansätze zur Genremalerei
, die Versuche zur Neugestaltung und Vergeistigung
der überlieferten Kompositionstypen, unmittelbar
darauf folgt der Niedergang, der Verfall
, ja ein ängstlicher und pessimistischer Späher
vermag wohl in der schimmernden Kunst des
Metsys selbst den Krankheitskeim zu entdecken.
Max J. Friedländer.
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