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Erweckung eines toten Kindes durch den hl. Zenobios.
Bronzerelief am Zencbius-Schrem. Florenz, Dom.
Lorenzo Ghiberti.
^378—1455.
GHIBERTI zählt nicht zu den problematischen
Naturen der Kunstgeschichte. Um die sonnige
Schönheit seiner Kunst zu würdigen, b F r
keiner ästhetischen oder historischen Schulung,
seinen Erzpforten am Florentiner Baptisterium,
seine Zeitgenossen priesen, und die ein Michelangelo
des Paradieses wert hielt, hemmt noch heut der Mann
aus dem Volke seine Schritte, und wenn er an ihnen
selbst nichts anderes bewundert als die res
lockende Bildfülle und die Feinheit der technischen
Durchführung, spürt er etwas von dem Lebens auc
Ghibertischer Kunst. ,
Allein Ghiberti ist in der Kunstgeschichte doen
auch keineswegs eine ganz einfache Erscheinung.
Er steht auf der Grenze zweier Zeitalter und zwar
weder ganz als Nachzügler der Vergangenhat noc
als Vorkämpfer der Zukunft. Darm ist er in g
wissem Sinne mit Fra Angelico verwandt
Ghiberti wurzelt in der italienischen Gotik, de
noch ist sein Lebenswerk auch aus der
nicht loszulösen, ohne einer der Hauptnchtungen
ihres bildnerischen Schaffens die Zeugen zu auben
Mit dem Trecento-Geschmack verbind^hn^e
reits der Zug zu ^^f^^Z
der Werkstatt seines Stiefvaters haftete *^
etwas von der Stilweise eines, GWdsc m
Dass dies nicht nur an ^^ZJ< die ent-
an seiner persönhehen Begabung Kunstgenossen
gegengesetzte Richtung. >" e J rwär,s cirte„.
von der gleichen Lehrstatte as jorw ^
Für diese Gegensätze und damit zg ^ ^
Ghibertis ursprüngliche Eigenart is
zeichnenderes Beispiel denkbar , ab
kurrenzarbeit um die „zweite fWerune
tiner Baptisteriums: das Bronze« >ef der O £ug
Isaaks", das noch jetzt im Bargeuo
mit seinem ehemaligen Hauptrivalen, dem
Brunelleschis, in Wettstreit steht (Bd. II S. 25). Als
Goldschmied und als Maler ging der junge Ghiberti
an diese Arbeit und schlug doch die Bildhauer
aus dem Felde. Auch Brunelleschi hatte in
der Goldschmiedewerkstatt gelernt, doch bleibt sein
Werk technisch nicht nur hinter der Leistung
Ghibertis zurück, sondern hinter der Aufgabe selbst.
Wagte er doch nicht einmal, diese winzige Reliefplatte
aus einem Stück zu giessen, sondern heftete
die Figürchen einzeln auf den Fond auf. Das schädigte
auch den Kunstwert. Kompositioneil ist Brunelleschis
Darstellung mit ihrem Neben- und Uebereinander
einzelner Figuren unbeholfen, ohne Einheit und Bildwirkung
, wobei das Nebensächliche ungebührlich
in den Vordergrund gerückt ist.
Vor dieser Folie bietet das Werk Ghibertis zunächst
nur Vorzüge: eine technisch vollendete, fein
durchciselierte Gussarbeit, ein gefälliges Reliefbild
mit taktvoll abgewogenen Massen, ein glückliches
Verhältnis zwischen Figuren und Schauplatz,
zwischen der Haupt- und Nebenscene. Vor allem aber
sind die Figuren selbst durch Formenschönheit ausgezeichnet
; ja der Torso Isaaks ist von klassischer
Wohlgestalt. — Und dennoch redet das Werk
Brunelleschis eine weit kraftvollere Sprache. Im
Ausdruck: wie leer wirkt die Bewegung Abrahams
bei Ghiberti, wenn man sieht, wie er bei Brunelleschi
entschlossen sein Opfer bei der Kehle packt; in der
Formengebung: wie idealisiert erscheint jener Torso
Isaaks neben den hageren Gliedmassen des im
Stadium schnellen Wachstums befindlichen Knabenkörpers
auf dem Relief Brunelleschis! Gegenüber
solcher auf drastische Deutlichkeit und unbedingte
Naturwahrheit abzielenden Kunst wird Ghiberti nur
zu dem geschickteren Regisseur, der über gefälligere
Modelle gebietet und ein weit glücklicheres Gesamtbild
schafft.
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