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Edouard Manet.
/V-S dem Atelier Coutures, des gefeierten Malers Ueberschritt bei Manets Auftreten der Schreck
V der Römer der Verfallzeit, dem aus aller der Bildungsphilister das gewöhnliche Mass, so lag
Herren Länder die Schüler zuströmten, und dessen das nicht allein an seiner starken Persönlichkeit,
innere Unwahrheit der Deutsche Feuerbach nie ganz Zum Teil lag es auch in dem prinzipiell Neuen seiner
überwand, ging aucn Manet hervor, der selbst- Naturwiedergabe, in dem, was gerade den Inhalt
ständigste unter den französischen Künstlern des einer Lehre bilden konnte und auch gebildet hat.
JanKunderts. Schon als Schüler sucht er seinen Manet, der keine wirklichen Schüler hatte, hat im
e'genen Weg. Eine bezeichnende Scene spielt sich eigentlichen Sinne Schule gemacht.
]™ Herbst 1853 in der Werkstatt des Meisters ab. Unter den Schlagworten des Pleinairismus und
it dem lebhaften Gefühl für wahre Begabung und des Impressionismus fasst man zusammen, was an
yer selbstlosen Hingabe an dieses Gefühl, die ein Manets Naturwiedergabe neu war. Dieses Neue ist
orrecht der Jugend zu sein scheinen, hatten Manets für die moderne Malerei von entscheidender Bedeu-
»tschüler ihm eine Ovation bereitet und seine be- tung geworden und kann nicht mehr aus ihrem
sonders geglückte Studie nach einem weiblichen Besitzstand gestrichen werden.
odell auf blumenbekränzter Staffelei in bestes Die malerische Darstellung giebt die Dinge
j §erückt. Couture that bei seinem Eintritt des- wieder wie sie scheinen, nicht wie sie sind. In der
§ eichen als bemerkte er nichts, lobte erst alle übrigen wachsenden Fähigkeit zu dieser Wiedergabe besteht
g. GIten' trat dann vor das Bild Manets und sagte: die Entwicklung der Malerei. Jedes Mittel, das
» ie werden sich also nie entschliessen können das diesem Ziele näher führt, bedeutet einen Fortschritt,
sta kaChen' Was Sie sehen"> worauf Manet, der sich Der Aegypter zeichnet seinen im reinen Profil
Ich fÜhIt dUrCh den Beifa11 seiner Kameraden: genommenen Figuren zwei Schultern und das Auge
seh mache was ich sehe und nicht was andern zu in der Enfacestellung, — denn er weiss, dass der
en beliebt." Mensch zwei Schultern und dass das Auge zwei
In diesen Worten des Zwanzigjährigen ist das Winkel hat. Er sieht noch nicht, dass die eine
drei8^111111 eingescnlossen> das der Künstler durch Schulter hinter der anderen und der innere Augen-
ss'g Jahre lang in rastloser Arbeit und mit nie winkel hinter der Wölbung des Augapfels verender
Ueberzeugung befolgt. schwindet. Noch die Trecentomalerei umgrenzt alle
. VichtsEinfacheres als dieses Programm, sollte man Seiten eines Würfels mit parallelen Linien, denn sie
einen. Auch nichts, was harmloser wäre. Schon weiss, dass diese Linien parallel laufen. Sie sieht
der"31^0 hattG gesagt' der Künstler solle der Sohn nicht, dass parallele von der Bildfläche wegstrebende
^r Natur sein und nicht ihr Enkel. Und doch hat Linien in einen Punkt zusammenzulaufen scheinen.
Uni ein anderer Maler dieses ablaufenden Jahr- Aber ganz ähnliche Fortschritte haben sich in der
^nderts in so hohem Masse nicht etwa unter der koloristischen Anschauung vollzogen.
^lchgiltigkeit gelitten, sondern beissenden Spott Der Maler des 15. Jahrhunderts malte wie der
leidenschaftliche Angriffe herausgefordert wie Aegypter zeichnete, er gab die Farben wie er sie
douard Manet. Wie einer, der die ästhetische wusste, nicht wie sie unter dem wechselnden Lichte
eltordnung auf den Kopf zu stellen sich unter- erscheinen. Fünf Jahrhunderte brauchte die mo-
angt, wurde er verfolgt. derne Malerei, bis sie es auf dem Gebiet der
Neu war eine solche Erscheinung eben nicht, farbigen Darstellung zu so klaren Erkenntnissen
lner, der über Manets Olympia, lachte, brauchte 'und festen Resultaten brachte, wie sie für die
p3Um sehr alt zu sein, um sich noch mit dem braven formale Wiedergabe der Dinge die perspektivischen
^ ükum über die Barke Dantes von Delacroix oder Erkenntnisse bedeuteten. Erst im Pleinairismus ist
16 Bauern Millers oder die Steinklopfer Courbets der letzte Schritt zur malerischen Bewältigung der
entsetzt zu haben, Werke, die mittlerweile klassisch farbigen Erscheinung der Natur gethan. In der
Ind"°rden Waren- Wenn eine volle künstlerische Bezeichnung ist ihr Wesen ausgesprochen. Es ist
mdualität ihre eigne Art, die Dinge zu sehen, die Malerei im Freien im Gegensatz zur Malerei im
Unverhohlen zur Darstellung bringt, wird sie stets Atelier. Zwei Dinge sucht man vor allem wiedersahst
auf den Widerstand des Publikums stossen. zugeben, Helligkeit und Luftigkeit, das Vibrieren
' man kann sagen, dass eine frühe Popularität im des Lichtes im luftdurchflossenen Raum,
^gekehrten Verhältnis zu der schöpferischen Kraft DieAteliermalerei arbeitet mit starken Kontrasten,
~-tohvt die Freilichtmalerei mit zartesten Uebergängen. Die
des Künstlers steht, der sie erfährt.
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