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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_04/0048
eine malt die Schatten schwarz und braun, die
andere giebt sie farbig. Die eine sucht die Form
plastisch zu isolieren, die andre umhüllt sie mit
durchleuchteter Luft. Das gilt nicht nur für die
Figuren, es gilt ebenso für die Landschaft. Die
frühere Landschaftsmalerei verfährt nach dem
Prinzip der Ateliermalerei, der braune Baum im
Vordergrund, der als Repoussoir für die lichte Ferne
dient, ist ein Jahrhunderte altes Requisit, dessen sich
noch die Schule von Barbizon bedient. Selbst Courbet
transponiert die Landschaft in'die Farbenanschauung
des Ateliers. Jetzt verändert sich mit einem Schlag
das Ansehen der Bilder. Es ist, als wäre in die
Atelierwand ein Loch geschlagen, durch das man
plötzlich ins Freie sieht. Das verpönte Grün zieht
in die Landschaftsmalerei ein. Man malt ganz helle
Bilder, in denen die räumliche Vertiefung nur durch
die feinste Abstufung des Grün bewirkt wird. Auf
diese feinste Abstufung kommt es an, erst sie machte
die Hellmalerei möglich. Frühere Versuche scheiterten
daran, dass die Raumwirkung versagte und
die Lokalfarben hart und bunt nebeneinander standen.
Man kann nicht Licht malen, ohne Luft zu malen.
Dass sich die Farben sehr entfernter Gegenstände
durch das davorliegende Medium verändern, ferne
Bergzüge blau erscheinen, wussten freilich schon
die alten Niederländer. Jetzt erst beobachtete man,
dass überhaupt jede Farbe, die der nahen Dinge
weniger, die der ferneren in immer zunehmendem
Masse durch die davorbefindliche Luft je nach deren
Dichtigkeit verändert wird. Nur im luftleeren Raum
würden die Lokalfarben völlig rein erscheinen. Hatte
man bisher die im Atelier modellierten Figuren
ohne weiteres ins Freie gesetzt — was auch Courbet
noch that —, so entdeckte umgekehrt nun das im
Freilicht geschärfte Auge auch in der Beleuchtung
des geschlossenen Raums einen früher übersehenen
Reichtum von Tonintervallen. Diese Tonintervalle,
durch die Stärke der Luftschicht bedingt, sind der
Ausdruck für die grössere oder geringere Entfernung
der Dinge vom Beschauer. Der Pleinairismus ist in
seinem innersten Wesen das Ringen um Raumgestaltung
mit Hilfe der feinsten Wandlungen der
Lokalfarbe durch Luft und Licht. Zur Linienperspektive
tritt nun als Ergänzung die Luftperspektive
, für die der Ausdruck längst vorhanden war,
die ihre erschöpfende Ausbildung aber erst durch
die Freilichtmalerei erhalten hat.

Diese Bereicherung und Verfeinerung der Darstellungsmittel
kann nicht mehr ignoriert werden.
Wer von einer Ueberwindung des Pleinairismus
spricht, beweist, dass er von dessen Bedeutung
keine Vorstellung hat. Freilich ist er nur ein künstlerisches
Hilfsmittel, keine künstlerische That. Es
werden ebenso akademische Pleinairbilder wie akademische
Atelierbilder gemalt werden. Aber immerhin
, mag auch die mittelmässige Begabung mit der
neuen Errungenschaft flott hantieren, dieses Neue
zu erringen war nur einer gottbegnadeten Begabung
vergönnt.

Manets kunsthistorische Bedeutung fusst doch
auf seiner künstlerischen Grösse. Es brauchte den
klaren Blick einer starken künstlerischen Persönlichkeit
, die Unabhängigkeit einer schöpferischen Kraft,
um über die Grenzen der Tradition hinauszustreben
und die Möglichkeiten der malerischen Darstellung
zu erweitern. Freilich, zu glauben, Manet hätte von
vornherein die Sicherheit der pleinairistischen Anschauung
gehabt, wäre ebenso irrig wie die Annahme
, er wäre der erste gewesen, der nach dieser
Richtung strebte. Wiederholt begegnen wir in der
Geschichte der Malerei solchen Ansätzen zu einem
Farbennaturalismus, die erst heute, wo wir ein Endresultat
sehen, in ihrer wahren Bedeutung erkannt
werden. Mit Staunen gewahren wir sie schon bei italienischen
Malern des Quattrocento wie Costa und Piero
della Francesca. Unter den Holländern des 17. Jahrhunderts
sind der Delfter Vermeer und Frans Hals
zu nennen. Am Beginn unseres Jahrhunderts stehen
Goya und Constable. Neben ihnen darf der früh
verstorbene Berliner Karl Blechen nicht unerwähnt
bleiben, der einzelne Werke geschaffen hat, die sich
wie eine Antizipation Manetscher Naturanschauung
ausnehmen. Der grösste aber unter den Vorläufern
war Velazquez. An ihn vor allen, neben Frans
Hals, hat Manet angeknüpft. Den Einfluss zu verfolgen
, den der grosse Spanier auf die moderne
Malerei gehabt, ist eine lehrreiche Aufgabe. Viele
der bedeutendsten Talente haben mit seinem fürstlichen
Erbe gewirtschaftet, Manet allein hat es vermehrt
. Er hat ihn nicht in Aeusserlichkeiten, sondern
im Geiste nachgeahmt. „Zu malen was ich
sehe und nicht was andern zu sehen beliebt", dazu
hatte Velazquez sich durchgerungen und darin folgte
ihm Manet. Oder vielmehr dieser Grundsatz, den
der Schüler im Coutureschen Atelier aussprach, hat
ihn dem Spanier in die Arme geführt, bei dem er
den gleichen, unbeirrt auf die Natur gerichteten
Blick erkannte. Bewundernswert ist die Konsequenz,
mit der sich Manets Programm in seinem Lebenswerk
verwirklicht. Bilder aus dem Beginn der
sechziger Jahre erinnern in dem Halbdunkel, den
schwarzen Schatten, ja selbst in der Wahl des
Gegenstandes und in der Anordnung noch stark an
frühe Gemälde des Velazquez. Es wird uns heute
schwer zu verstehen, dass ein Werk, wie das Frühstück
im Gras, so umstürzlerisch wirken konnte,
das Manet noch in den Banden der Tradition nicht
nur des Velazquez, auch seiner Zeitgenossen wie
Courbet zeigt. Andererseits ist das, worin er von


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