http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_04/0059
Albert Besnard. Landschaft.
Fresko. - Paris, Ecole de Pharmacie.
Albert Besnard.
DIE monumentale Malerei Frankreichs hat durch
den Tod des unvergessenen Puvis de Cha-
vannes einen herben Verlust erlitten. Ganz verwaist
ist sie aber darum doch nicht. Im Pantheon allerdings
bilden seine Werke unter all den Nachzüglern
der Delaroche- und Vernet-Schule fast die einzige
erfreuliche Erscheinung. Aber wenn man in das
Rathaus, in die Säle der Mairien, in die Sorbonne
tritt, lernt man eine ganze Reihe kräftiger Talente
kennen. Lerolle, Lagarde, Montenard, Jean-Paul
Laurens haben in den letzten Jahren eine Reihe
wirklich gross geschauter, dekorativer Landschaften
geschaffen. Fernand Cormon zeigt sich in seinen
vor kurzem vollendeten Wandmalereien für das
Museum für Naturkunde als ein Figurenmaler von
ganz ungewöhnlicher Begabung, Henri Martin vereint
in seinen Gemälden für das Kapitol von 1 ou-
iouse ein bewundernswertes Raumgefühl mit einem
das höchste entwickelten Sinn für dekorative
Farbenwirkung. Als den grösstcn lebenden Monu-
nientalmaler aber betrachten die Franzosen Albert
ßesnard. In der That ist dieser, durch seine blendenden
Vorzüge wie durch seine Verirrungen, eine der
interessantesten Erscheinungen der heutigen Kunst.
Paul-Albert Besnard ist 1849 in Paris geboren.
Sein Vater, der ihm frühzeitig durch den Tod entrissen
wurde, hatte als Dilettant eine Zeit lang das
Atelier von Ingres besucht, die Mutter konnte als
Miniaturmalerin manchen Erfolg verzeichnen. Kein
Wunder, dass sich in dem Knaben früh die Neigung
2ur Kunst äusserte. Sein erster Lehrer war Jean
Bremond, ein jetzt fast ganz vergessener Ingres-
schüler, der neben Porträts, historischen Scenen und
Allegorien.auch einige grössere dekorative Werke, so
besonders in der Kirche Saint Lambert des jetzt
eingemeindeten Vorortes Vaugirard geschaffen hat.
Später trat Besnard in die staatliche Ecole des
Beaux-Arts ein und errang hier 1874 den Rompreis
mit einem „Tod des Timophanes, Tyrannen von
Korinth", einem ziemlich konventionellen Bilde, das
die künftige Entwicklung des Meisters noch kaum
ahnen lässt. Entscheidender noch als der Aufenthalt
in Rom, wo er besonders die Fresken Michel Angelos
und Pietros da Cortona, der auf die französische
Kunst des 18. Jahrhunderts ja einen so grossen Ein-
fluss ausgeübt hatte, studierte, wurde für ihn London,
wo er von 1880—1883 mit seiner jungen Frau, der
Bildhauerin Charlotte Dubray, lebte. Reynolds und
Gainsboroughs Bildnisse und Turners Farbenfeuerwerke
machten auf ihn den allergrössten Eindruck.
„Im eigentlichen Sinne des Wortes sind ihre Kolo-
risten mehr noch Maler als die unsrigen; sie zeichnen
mit der Farbe." Seit 1883 wohnt er in Paris
in einer reizenden Villa der Rue Davioud, die Sommer
verbringt er mit seiner Familie in einer entzückenden
Besitzung in der Nähe des Sees von Annecy in
Hochsavoyen.
Besnard ist ein durch und durch moderner
Künstler, mit seinem nervösen Farbensinn, der stets
nach neuen unerhörten Ausdrucksmitteln sucht, aber
auch mit seiner Unruhe, die nur selten ein völlig
abgeklärtes Werk aus seiner Hand hervorgehen lässt.
- 45 -
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_04/0059