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einer noch stärker leuchtenden Farbigkeit zu, die
ihres besonderen Reizes nicht ermangelt, aber durchaus
dem Gebiete der Phantastik angehört (der
Temeraire Mus. 3, Tf. 14); von 1845 an artete diese
Farbenanschauung bei ihm, wohl infoige einer Augenstörung
, in volle Willkür aus. Constable wandte sich
in den zwanziger Jahren gleichfalls einer gesteigerten
Farbigkeit zu (das Kornfeld Mus. 3, Tf. 128), die
einer Vorliebe der Engländer für unvermittelte
Nebeneinanderstellung krasser Farben zu entsprechen
scheint, seiner früheren Harmonie gegenüber aber
keinen Fortschritt darstellt.

Gleichzeitig mit Turner trat in Deutschland der
Hamburger Runge als Erneuerer hervor, mit seinem
Rufe nach Licht, Luft und bewegtem Wesen, wie er
ihn in seinen „Tageszeiten" von 1803 verkörpert hat,
von denen die Hamburger Kunsthalle wenigstens
Bruchstücke des „Morgens" besitzt. Hier wie in
seinem lebensgrossen Bildnis zweier spielenden
Kinder hat er mit der Wiedergabe der Erscheinung
im klaren Licht des Tages vollen Ernst gemacht;
doch hinderte ihn frühzeitiger Tod wie auch wohl
die Ungunst der Zeitumstände, eine weitere Wirksamkeit
zu entfalten. Erst zwanzig Jahre später
wurden in Deutschland seine Bemühungen in weiterem
Umfange wieder aufgenommen.

In Frankreich geht das Streben nach einem
Wiedergewinnen der Farbigkeit auf Gros zurück,
der zu Ende des 18. Jahrhunderts in Italien die
Werke von Rubens und Van Dyk studiert hatte und
sich allmählich bis zu seinem lebensgrossen, im
vollen Duft und mit der vollen Leuchtkraft der Erscheinung
gemalten Bildnis des Generals Serlovese
von 1812 emporschwang. In demselben Jahre trat
auch sein Schüler Gericault, der einen ähnlichen Weg
verfolgt hatte, mit grossen, durchaus malerisch empfundenen
Reiterbildern hervor. Das Hauptwerk
Gericaults, der Untergang de,r Medusa (Mus. 2, Tf. 87)
förderte freilich nur das plastische Problem, indem es
an die Stelle des starren Umrisses die Unendlichkeit
der Gegensätze von Hell und Dunkel setzte, bahnte aber
doch dem Meister den Weg, welcher Frankreich aus
den Banden des Klassizismus befreien und zur Farbigkeit
wieder zurückführen sollte: Delacroix.

Mit diesem, mit dessen Dantebarke von 1822 (Mus. 2,
Tf. 92), der unmittelbar das Gemetzel von Chios folgte
(Mus. 4, Tf. 144), beginnt eine neue Zeit für die europäische
Malerei, die länger als ein halbes Jahrhundert
andauerte. Freilich handelte es sich dabei nicht um die
Schaffung eines Neuen und Ureigenen: die Wiedergeburt
erfolgt durch das Studium alter Werke aus
bestimmten Epochen; bei Delacroix wiederum der
Werke von Rubens, bei den ziemlich gleichzeitig einsetzenden
Genremalern, im Anschluss an Wilkies
Beispiel, durch das Studium der holländischen

Kabinetsmaler, bei den Landschaftern ebenfalls der
Holländer. War auch diese Bewegung lange nicht
so ursprünglich und kraftvoll wie die der Engländer
aus dem Anfang des Jahrhunderts — von Runge,
der der Natur unmittelbar auf den Leib gerückt war,
ganz zu schweigen —, so bedeutete sie immerhin die
Rückkehr zu malerischen Grundsätzen im Gegensatz
zu der verkümmerten und eingeengten Anschauungsweise
des Klassizisten. In der Mitte der zwanziger
Jahre wurde die Art Constables den Franzosen durch
Bonington (Marine Mus. 5, Tf. 56) vermittelt; als eine
Folge der Februarrevolution erstand ihnen dann seit
1831 die Landschafterschule von Fontainebleau, durch
Dupre begründet und durch Rousseau (Wald von
Fontainebleau Mus. 3, Tf. 143) auf ihre Höhe gebracht.
War auch die Farbengebung in den Bildern dieser
Schule zumeist konventionell, ohne dabei durch einen
dekorativen Zweck bedingt zu sein — eine Ausnahme
macht nur Corot, dessen Kolorit bei aller Willkür
durchaus persönlich und einheitlich ist (Landschaft
Mus. 1, Tf. 94) —, so war hier doch nach langer Unterbrechung
wieder der Luft und dem Licht Zutritt zu der
Malerei gewährt worden. Als vollständiger Kolorist,
der mit der Leuchtkraft der Farben doch den Duft und
dieeinigende Wirkung der Atmosphäre verbindet, stand
der vorzügliche Karikaturenzeichner Daumier in
seinen seltenen kleinen Gemälden allein da.

Die Genremalerei, welche in den zwanziger Jahren
in Frankreich ausgebildet wurde, sich dort zu dem
historischen Genre emporschwang, alsbald auch in
Deutschland und Belgien Triumphe feierte und in
den fünfziger Jahren, als sie auf ihrem Höhepunkte
stand, allerorten auch in die Landschaftsmalerei einzudringen
begann, vermochte sich von Anfang an
nicht aus den Banden des Konventionalismus, der
Buntheit und Härte zu lösen. Sie erdrückte die
frischen Bestrebungen, die sich auf dem Gebiete der
Landschaftsmalerei in Deutschland, namentlich in
München, während der zwanziger Jahre bemerklich
gemacht hatten; aus den seit 1830 immer häufiger
unternommenen Reisen der Künstler nach dem Orient
und in andere exotische Gegenden vermochte sie
keine frischen Kräfte zu schöpfen; und erwies sich
in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts als ein weit
schwerer zu überwindender Gegner, denn der
Klassizismus es für die erste Hälfte gewesen war.
Seit der Mitte des Jahrhunderts beginnt an verschiedenen
Orten und in stetig sich steigerndem
Masse der Kampf gegen die harten farblosen Schatten,
welche als eine Folge einseitiger Atelierbeleuchtung
in Mode gekommen waren, wie gegen den harmonisierenden
, alle Farbe aufsaugenden Goldton, den man
dem vergilbten Firniss der alten Bilder abgesehen
zu haben meinte; doch dauerte es bis zum Ende
des Jahrhunderts, ehe diese künstliche, der Phantasie


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