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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_04/0070
Natur zu nähern suchte, gewöhnlich aber in der
Wahl ihrer Farben für die Lichter wie für die
Schatten gleich frei war und nur auf den guten Zusammenklang
der Farben zu achten brauchte.

Gewisse Absonderlichkeiten, die bald zur Mode
wurden, mussten freilich mit der Zeit erst überwunden
werden, wie die Wahl zu starken Lichts,
das die Farben so gut wie ganz aufsog und zu einer
kreidigen Malweise führte; oder die übertriebene Verwendung
desvon hinten einfallenden Lichtes, wodurch
die Schatten zu einer Bedeutung erhoben wurden,
die ihnen nicht natürlich ist. Ebenso führten die Versuche
, alle Luftspiegelungen (Reflexe) und nicht bloss
die in grossen Massen (den Hauptschatten) sich
äussernden wiederzugeben, zu einer zerhackten, bald in
verschiedenfarbigen Strichelchen bald in ebensolchen
Pünktchen sich äussernden Malweise — dem eigentlichen
Impressionismus, in seiner Ausartung Pointillis-
mus —, die nur in bestimmten Fällen ihre Berechtigung
hat, im allgemeinen aber mehr ein Ergebnis
der Ueberlegung als der Eingebung ist. Doch brach
sich durch alle diese Uebertreibungen allmählich die
Erkenntnis Bahn, dass der modernen malerischen Auffassungsweise
der wahre und unverlierbare Grundgedanke
von der Allgegenwart des Lichts und der
Farbe innewohne und dass dadurch der Umkreis
des malerisch Darstellbaren, namentlich nach der
Seite des Stimmung erweckenden, wesentlich erweitert
worden sei.

Der erste, der die Bestrebungen der Impressionisten
populär machte, war Bastien-Lepage (Die Ernte
Mus. i, Tf. 151). Auf die monumentale Malerei wurden
ihre Grundsätze namentlich durch Besnard in seinen
Wandbildern der Ecole de Pharmacie (von 1884 bis
1888 entstanden, Mus. 5, Tf. 94. 95) und der I. Mairie
von Paris angewendet. Seitdem bildete Paris die
hohe Schule für die ganze junge Künstlerschaft von
Europa. In selbständiger Weise wurde die Freilichtmalerei
in Deutschland durch Liebermann (Die Netzeflickerinnen
Mus. 3, Tf. 39; Schusterwerkstatt Mus. 5,
Tf. 40) und Uhde (Die Anbetung Mus. 3, Tf. 119)
ausgebildet. Klingers Versuche, sie dekorativen
Zwecken dienstbar zu machen, wirkten — wie Sascha
Schneiders Malereien zeigen — in hohem Grade anregend
, ohne dass sie bisher zu einer vollkommenen
Durchdringung der idealistischen mit den naturalistischen
Bestandteilen geführt hätten. Ein Gleiches kann
von Ludwig von Hofmann gesagt werden. Auf einem
Sondergebiet, das sich den Künstlern im letzten Jahrzehnt
aufthat, auf dem des Plakats, zeigte sich ein
wesentlicher Fortschritt in der Kraft und Reinheit
der Farbengebung und der harmonischen Zusammenstellung
möglichst ungebrochener Farben; hier

konnte aber auch von naturalistischen Bestrebungen
so gut wie ganz abgesehen werden. Eine Stellung
für sich endlich nimmt Carriere ein, der in seinen auf
einen feinen grau-braunen Ton gestimmten Bildern
von der Farbe fast vollständig absieht, durch die
reiche Abstufung seiner Modellierung aber den Eindruck
höchster Farbigkeit erweckt.

Andre Wege als die Gesamtheit der übrigen
Künstler ist Böcklin gegangen. In seinen Anfängen
freilich malte er, der Schüler Schirmers, seine Landschaften
in jenem konventionellen warmen Luftton,
der seit der Mitte des Jahrhunderts allgemein herrschend
war. Von 1864 an aber, dem Jahre, das
seine Villa am Meere und seine altrömische Schenke
zeitigte, trat er mit einer kraftvollen Farbenauffassung
hervor, die er sich im Studium der italienischen
Natur errungen. Gleichwie bei den Italienern der
Frührenaissance gelangte bei ihm die Lokalfarbe
wieder zu ihrem Recht und erfüllte ihren Zweck in
der Erweckung einer bestimmten Stimmung, welche
den künstlerischen Kern einer jeden von seinen
Schöpfungen bildet. So herrscht in der Villa am
Meere das Gefühl der stillen Trauer vor, das in einsamer
Gegend bei trübe bewegtem Himmel erweckt
wird; in der Römischen Schenke aber die überströmende
Lust eines klaren Sonnentages inmitten
üppiger Natur. Die Farbe war somit durch ihn
wieder zu dem Hauptbestandteil des Bildes, der sich
nicht wegdenken lässt, gemacht worden. Seitdem
er von 1874 an wesentlich seinen Aufenthalt in
Florenz nahm, bildete er diese Art zu einem eigenen
ganz persönlichen Stil aus (Das Gefilde der Seligen
Mus. I, Tf. 16). Um treue Nachahmung des unmittelbaren
Natureindrucks mit der Weichheit seiner
verschwimmenden Umrisse und der Einheit seines
Lufttons war es ihm gar nicht zu thun; er nahm
die Farben so ungebrochen und leuchtend wie
möglich, hielt sie in grossen Flächen zusammen,
die er scharf umriss, und baute seine Bilder, nach
Art des fünfzehnten Jahrhunderts, auf dem Gleichgewicht
dieser Farbenmassen auf. Hat er somit
mit dem modernen Impressionismus nichts gemein,
so erweist er sich doch insofern als der vollgiltige
Vertreter der Kunstbestrebungen seiner Zeit, als er
durchaus auf seinen eigenen Füssen steht, die einzelnen
Bestandteile der malerischen Erscheinung
mit bewundernswerter Schärfe stets wieder neu aus
der Natur schöpft, sie dann aber mit voller Freiheit
für seine höheren künstlerischen Zwecke verwertet,
wie diese es fordern.

Welche Bestrebungen man somit auch ins Auge
fasst, überall tritt zu Ende des 19. Jahrhunderts das
entschiedene Streben nach voller Farbigkeit hervor.

Woldemar von Seidlitz.

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