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Die Antwerpener Kunstakademie ist von Teniers
begründet. Das Motiv für den Eifer des Künstlers
um die Gründung dieser Kunstschule war vielleicht
dem Wunsche entsprungen, seine Fachgenossen von
den Handwerkern zu trennen, mit denen sie bis
dahin als Lucasgilde gemeinschaftlich organisiert
waren. War doch dieser Umstand der Grund,
warum der Künstler in der Adels-Angelegenheit
einen Misserfolg hatte — in eben dem Jahre, 1663,
in dem die Akademie begründet wurde. Des
Künstlers Sohn war zu diesem Zwecke nach Spanien
gesandt worden, und als er nun zurückkehrte mit
der königlichen Verordnung, durch die das Institut
gegründet war, da feierte man in Antwerpen grosse
Feste. Bei der zweihundertjährigen Wiederkehr
dieser Feier, 1863, nat man Teniers in Antwerpen
ein Denkmal errichtet.
Wie von Rembrandt, hat man auch von Teniers
erzählt, er habe seinen Werken einen höheren
Verkaufspreis dadurch verschaffen wollen, dass er
das Gerücht von seinem Tode aussprengte. Aber
das ist ein Märchen. Weniger bekannt dagegen ist
eine Thatsache, nämlich, dass er zuerst in Brüssel
öffentliche Bilderauktionen veranstaltete; das brachte
ihn in Zwist mit der Malerzunft. Diese machte
gegenüber dem Künstler geltend, dass nur bei den
Jahrmärkten und den Freitagsmärkten der öffentliche
Verkauf von Gemälden gestattet sei.
Im hohen Alter hatte Teniers mit Rücksicht
auf seine Kinder erster Ehe zu jenem Mittel, seine
Einkünfte zu vermehren, das ihm vielen Verdruss
verursachte, greifen müssen. Ging doch sein ältester
Sohn, David III, dem eigentlich die Bezeichnung
„Teniers der Jüngere" gebührt, soweit, die Hälfte
einer goldenen Kette, Gnadengeschenk des Königs
von Spanien, zu beanspruchen, da er mehr als die
Hälfte des Werkes, für das sie dem Künstler verliehen
sei, gemalt habe! Dieser David Teniers III,
1638 geboren und ein"' Pathenkind von Ruben's
Gattin, war ein mittelmässiger Künstler. Er starb
bereits 1685. Ein religiöses Bild von seiner Hand
schmückt noch heute die Kirche von Perck.
Uebrigens von allen den „David Teniers", die
man im 17. Jahrhundert nachweisen kann — es sind
nicht weniger als achtzehn —, war nur einer berühmt,
unser Künstler. Man hat auch von David Teniers IV
als einem Maler gesprochen; aber das ist Irrtum,
dieser Enkel des Künstlers war Kaufmann. Am
Ende seines Lebens war er in Portugal. In einem
Briefe an seine Familie erzählt er von einem Besuche
des Schlosses von Versailles; Louis XIV.
habe aus seinen Gemächern alle Werke seines Grossvaters
entfernen lassen, und dadurch hätten diese
ganz ihren Wert verloren. Im Laufe der Jahrhunderte
ist dem Künstler Genugthuung geworden
für die Verachtung des Sonnenkönigs. Einige seiner
Gemälde haben berühmte Preise erzielt. „Der verlorene
Sohn" aus der Sammlung San Donato, ein
Bild von 60 zu 35 cm, wurde für 132000 Francs
verkauft, und das ist kein vereinzeltes Beispiel. Die
Kirmes im Museum zu Brüssel, allerdings ein umfangreiches
Gemälde und mit den Bildnissen von
Teniers selbst und seiner Familie, hat dem Belgischen
Staat 125000 Francs gekostet.
Wenn auch Teniers bis zu seinem Tode sich
seine vorzügliche Technik bewahrt hat, so lässt sich
doch anderseits in seinen späteren Werken eine etwas
geringere Gewissenhaftigkeit bei der Durcharbeitung,
eine etwas hastige Mache konstatieren; der Künstler
trieb mit der Leichtigkeit, mit der er zu schaffen
vermochte, etwas Missbrauch. Er hat lange gearbeitet
. Auf einem Bilde in München, von 1ÖS0 datiert,
hat er sich selbst als Alchymisten dargestellt; damals
zählte er bereits 70 Jahre; aber seine Künstlerlaufbahn
hat sich noch ein Jahrzehnt weiter erstreckt.
In der ganzen grossen Zahl seiner Werke —
Smith hat ihre Gesamtsumme auf mehr als 700
geschätzt — ist kein einziges, welches man als ganz
schwach bezeichnen könnte. — Eine öffentliche
Sammlung ohne ein Gemälde von ihm wäre eine
Ausnahme. In den Galerien von Madrid, St. Petersburg
, Wien, München, Dresden, Paris, Berlin, London,
Brüssel zusammen sind etwa 200 Werke des Meisters,
in den Privatsammlungen Englands etwa 150, und
eine gleiche Zahl ungefähr in denen des Kontinents!
Selbstverständlich, es giebt auch Bilder von ihm,
die etwas geringeren künstlerischen Wert haben und
nicht ganz auf der Höhe der Vollendung stehen,
dafür andere wieder, die man als Perlen von reinstem
W^asser bezeichnen möchte. In seinem Genre ist er
unübertroffen geblieben.
Andere, wie sein Zeitgenosse Ostade, haben
schärfer das Motiv ins Auge gefasst, Teniers begnügt
sich mitunter, dasselbe nur anzudeuten; aber anderseits
seine Frische, seine Unmittelbarkeit, seine
reiche Palette, seine vorzügliche Technik geben ihm
eine gesonderte Stellung. Watteau gegenüber, mit
dem er die Leichtigkeit des Schaffens teilt, besitzt
er den Vorzug grösserer Lebenswahrheit.
Teniers hatte nicht das Zeug dazu, eine Schule
zu begründen; Nachahmer hat er wohl genug
gehabt, aber keine Schüler. Unter jenen war kein
bedeutenderes Talent; so blieb er allein der hervorragende
Vertreter für ein Genre, welches an und
für sich zu seiner Zeit wenig beliebt war: er aber
hatte den Triumph, den andern die Augen für seine
Reize zu öffnen und selber auf diesem Gebiete
wahre Meisterwerke zu schaffen.
Henri Hymans.
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