Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_06/0014
in sich selbst. Der Holzschnitt kann sich seiner Natur
nach als Rivale der literarischen, dichterischen
Produktion selbständig betätigen. Die Folgen
schildern die Jugend Christi in vielen idyllischen,
genrehaften Zügen, bewältigen Blatt für Blatt den
epischen Reichtum wie die Steigerung und Spannung
des Dramas. Dürer konnte in die vielblättrigen
Bilderbücher am ehesten die Fülle der Vorstellungen
bergen, die der Evangelienbericht in seiner teilnehmenden
Seele erregte, und blieb'noch innerhalb der
Grenzen, die der bildenden Kunst gesteckt sind.

Zur Ueberschreitung dieser Grenzen ward er
nicht durch eigene Absichten, sondern durch fremde
Aufträge getrieben, durch die kaiserlichen Unternehmungen
, die seine Gestaltungskraft verhängnisvoll
in Anspruch nahmen.

Der Kaiser Maximilian war bemüht, das Gedächtnis
seiner Herrschaft und seiner Kämpfe auf
die Nachwelt zu bringen. Als Pedant und Literat
wünschte er alle Aeusserlichkeiten und Einzelheiten
seines Daseins zu verewigen, seine Herkunft, seine
Fahrten, Kleider, Waffen, Spiele und Kämpfe. Höchst
aristokratische Absichten suchte er in demokratischer
Art, nämlich mit dem Typendruck und dem Holzschnitt
zu verwirklichen, weil er ein Deutscher war
trotz allen weltumspannenden Plänen und trotz der
niederländischen und mailändischen Heirat, weil er
nie über kaiserliche Mittel verfügte und trotz allen
Herrschaftsansprüchen nirgends Herr im Hause war.
Der Bürgermeister von Augsburg, wie der Spott ihn
betitelte, errichtete sein Denkmal überall und nirgends,
indem er die ehrenvolle aber gefährliche Aufgabe
dem Holzschnitte zuwies. In einem Sinne hat er
seinen Zweck erreicht. Die Druckerschwärze, der
sein Ehrgeiz alles anvertraute, hat sich beständiger
gezeigt, als sich Bauten und Malereien vermutlich
gezeigt hätten. Im anderen Sinne aber hat der Kaiser
seinen Zweck nicht erreicht. Die Ausdrucksmittel
des Holzschnitts wurden gewaltsam angespannt,
gaben aber doch keine monumentale Wirkung her.
Die Gedanken des Kaisers gingen im Bildlichen nicht
auf, Das Nacheinander der unendlichen Folgen bringt
nicht den gedachten Eindruck der reichen Fülle, der
triumphierenden Macht hervor. Der Holzschnitt ist
keine kaiserliche, sondern eine bürgerliche Kunst.

Mit mehreren oberdeutschen Genossen, wie
Burgkmair, Breu und Schäufelein wurde Dürer an
den hastig betriebenen Unternehmungen beteiligt.
Die Ungeduld des Kaisers und die Kompagniearbeit
taten schädigende Wirkung. Im allgemeinen hat
Hans Burgkmair mit seinem Talent für Raumfüllung,
für Dekoration die Last der kaiserlichen Aufträge

glücklicher getragen als Dürer. An den eigentlichen
Illustrationen zu Maximilians Werken, dem Weiss-
kunig und dem Teuerdank, arbeiteten ausser Burgkmair
und Schäufelein geringere Kräfte. Dürern
— doch nicht ihm allein — ward die Gestaltung
im grossen zugetraut, mit der Pforte und dem Zuge
des Triumphs. Der Triumphbogen, nach dem Muster
der antiken Bauten, etwa 3 Meter hoch, ist im
ganzen eine Monstrosität bei aller Schönheit der
Einzelheiten. Wenn die Periode zwischen 1515 und
1520 die unfruchtbarste und ärmste in dem Schaffen
Dürers ist, so trägt Schuld daran nicht zuletzt Maximilians
Gönnerschaft.

Die Reise in den Niederlanden 1520 und 1521
brachte dem Meister reiche Anregung. Er fand im
Norden eine ältere Kultur und eine bessere Würdigung
des Kunstschaffens, dabei aber eine Mattigkeit
der Gestaltungskräfte, dass ihm der eigene
Reichtum recht deutlich werden musste. Ueberdies
verbargen die niederländischen Kunstgenossen ihre
Bewunderung nicht. Ueberall in den niederländischen
Städten seine Holzschnitte und Kupferstiche verkaufend
, vertauschend und verschenkend, hat Dürer
damals eine Saat ausgebreitet, aus der ihm unvergänglicher
Ruhm erwuchs.

Mit erhöhtem Selbstvertrauen mag Dürer nach
Nürnberg zurückgekehrt und sich wieder an die
ruhige Arbeit in der heimischen Werkstätte gemacht
haben. Die Lust zum Erzählen war nicht mehr so
lebhaft wie ehemals; der Strom des Gestaltens rann
langsamer. Nach drei Seiten kehrten sich die Pläne und
Wünsche des Alternden. Alles setzte er dar^n, doch
noch einmal im Malwerk Monumentales zu gestalten.
Wir kennen mancherlei Ansätze und den einen
grossen Wurf in den sogenannten vier Aposteln.
Literarisch sammelnd und redigierend mühte er sich,
die Ergebnisse grüblerischen Nachdenkens über das
Wesen und die Mittel seiner Kunst den Schülern
und Nachkommen zu nutze festzustellen. Endlich
errichtete er dankbar schlichte Denkmäler im Holzschnitt
und im Kupferstich, indem er verehrte Freunde
und fürstliche Gönner porträtierte — den Kardinal
Albrecht von Mainz, Friedrich den Weisen, Erasmus,
Melanchthon und Pirkheimer, Eoban Hesse und
Ulrich Varnbuler.

Der Gefühlsüberschwang in der Jugend, der
Reichtum epischer und dramatischer Gestaltung im
reifen Mannesalter, die besonnene Betrachtung individueller
Erscheinungen in späteren Jahren: auf jeder
Stufe fand Dürer im Holzschnitt und im Kupferstich
die seiner Natur am besten entsprechenden
Ausdrucksmittel.

Max J. Friedländer.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_06/0014