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Goya als Radierer.
o
OYA als Maler ist in Deutschland so gut wie
unbekannt, Goya als Radierer dagegen allen
Kunstfreunden seit lange vertraut, ja, er wird als
solcher überschätzt. Seine Folgen: die Caprichos, die
Tauromaquia,die Proverbios,dieDesastresdelaguerra
haben ihren Weg in alle Sammlungen gefunden und
dank dem ihnen anhaftenden starken gegenständlichen
Interesse grossen Beifall erregt. Man darf sich nicht
darüber täuschen, dass diese Blätter ihren Ruhm
nicht dem künstlerischen Wert verdanken, sondern
den Darstellungen.
Bei seinen Radierungen war es Goya lediglich
um den Gedanken zu tun, den er ausdrücken
wollte, Form wie Ausführung
galten ihm wenig.
So trägt denn auch dieser
ganze Teil seines Werkes
eine überaus starke persönliche
Note; man empfängt
den Eindruck, als habe der
Künstler sich in diesen
Blättern voll ausgelebt und
es ist darum verzeihlich,
wenn so viele seiner Biographen
sie für Selbstbekenntnisse
gehalten und
nach ihnen eine Lebensbeschreibung
verfassten,
so wild, so phantastisch,
so ungestüm, wie das Naturell
dieses merkwürdigen
Mannes es zu verlangen
schien.
Der völligen Unabhängigkeit
seiner malerischen
Technik entspricht auch
die des Radierers; wie für
seine Oelbilder, schuf er sich auch für den Stich eine
eigene Technik, eine Technik, die er niemand ablernen
konnte. Sie ist so stürmisch, so bizarr, wie
die Gedanken, die sie auszudrücken hatte. Die Nadel
erscheint nervös und ungeduldig, die Formen sind
absichtlich vernachlässigt, die vielen Verzeichnungen
im Aetzwasser der Aquatinta ersäuft, gleich als wolle
der Stecher jede rein künstlerische Wirkung vermeiden
, um nur seine Idee um so stärker zu pointieren
. Auch als Radierer sieht Goya rein malerisch,
Lichter und Schatten platzen förmlich aufeinander;
wie auf dem Theater blitzt grelles Licht auf alles
Wichtige, während die Nebendinge sich im Halbdunkel
verlieren. Der Vortrag ist brutal und rück-
der Radierung und der Aquatinta wird ein demagogischer
Missbrauch getrieben, laut und grob spricht
hier eine Persönlichkeit, die zwar immer höchst
unliebenswürdig ist, die aber doch fasziniert, man
denkt unwillkürlich an Beethoven im Alter. Und
dabei sind alle diese Radierungen, die das täuschende
Gepräge der Improvisation tragen, nach sorgfältig
angefertigten Zeichnungen ausgeführt, ein Rätsel mehr
zu den vielen, welche die Natur dieses merkwürdigen
genialen Mannes zu lösen aufgiebt.
Seine ersten Blätter widmete Goya verschiedenen
Reproduktionen von Bildern seines grösseren Landsmannes
Velazquez. Er versuchte sich an ihnen in
_ _ der Technik, das ist das
einzige Gute, was man von
ihnen sagen kann. Wer je
die Originale, die Porträts
dieser Könige und Narren
sah, wird die völlige Unzulänglichkeit
der Goya-
schen Radierungen mit Bedauern
erkennen. Nicht
nur ist der Ausdruck der
Köpfe durchaus verfehlt,
sondern auch die in schwarz-
weiss umgewertete farbige
Erscheinung der Bilder
ist in der Wiedergabe ganz
misslungen.
Die Folge der Caprichos
ist diejenige, welche
am meisten zum Ruhm des
Meisters beigetragen hat;
lange galt sie für ein politisches
Glaubensbekenntnis
, dessen Hieroglyphen
man mit umso grösserem
Interesse zu entziffern suchte, als die Geschichte der
Zeit, in der sie entstanden, in der Tat nur als Satyre
geschrieben zu werden verdiente. Wer je einen
Blick in die Geschichte derzwanzigjährigen Regierung
Karl IV getan, wer je von der Königin Marie Louise,
dem Friedensfürsten und ihrem Tun und Treiben
gehört, der sucht in seiner Entrüstung nach dem
Juvenal jener Tage, den verlangt es ordentlich einen
gleichzeitigen Schrei der Empörung zu hören und
da er in der Literatur nicht zu vernehmen, so sucht
man einen Niederschlag in der Kunst. Es hat jenen
Tagen nicht an Libellen und Spottbildern gefehlt,
künstlerisch wertvolles aber ist nicht darunter, so
ist es denn kein Wunder, dass die Caprichos, deren
sichtslos, mit den vornehmen und feinen Effekten rätselvolle Darstellungen nach Deutung ordentlich
Goya. Selbstporträt (Caprichos Nr. i)
Radierung, h. 0.135, kr- 0.11.
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