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(43 Nummern), deren Hauptmasse
im 18. Jahrhundert gesammelt worden
ist. Danach kommt wohl, was
Gewähltheit der Stücke betrifft,
die Kasseler Sammlung. Auch der
Louvre in Paris (20 Nummern) ist
bedeutend. Holland hat sich wenigstens
die umfangreichsten Stücke,
die Gruppenbilder (Anatomie,
Nachtwache, Wardeine der Tuchmacherzunft
) bewahrt und ersetzt
also in gewaltiger Synthese, was
dem Wunsch der Analyse an Stoff
mangelt. Nicht ganz können mit
diesem Reichtum die Sammlungen
wetteifern, die spät, erst im neunzehnten
Jahrhundert, geschaffen
worden sind. Unverhältnismässig
vieles und kostbares steckt noch
immer in Privatsammlungen in
England, in Frankreich, in Deutschland
.
In Kunsthändlerkreisen ist es
ein beliebter Ausdruck, zu sagen,
ein Werk sei aus der besten Zeit
eines Künstlers. Bei durchschnittlichen
künstlerischen Begabungen
hat dieser Sprachgebrauch seine
Berechtigung; bei Künstlern von
ganz grossem Wuchs ist er sinnlos.
Es wird in allen Stadien ihrer Laufbahn
schwächere Werke neben den
starken geben; die Technik wechselt
nach Bedürfnis, und die Gesichtspunkte verschieben
sich, aber das Feuer des Genius wird sich
von der Jugend bis zum Alter nie verleugnen. In
Rembrandts Jugend sind drei seiner Haupteigenschaften
von Anfang an als fertig vorhanden zu spüren.
Erstens seine Verliebtheit in die Wirklichkeit,
die es ihm unmöglich macht, ein angeblich „Schönes"
auszuwählen und anderes als unwürdig zu verwerfen.
In der Anerkennung alles dessen, was ist, liegt ein
Nichtanderskönnen seiner Natur. Zweitens das
Bedürfnis der Akzentuierung, d. h. die Einsicht, dass
wer etwas sagen und deutlich machen will, anderes
ungesagt lassen und opfern muss. Diesen Akzent
gibt Rembrandt mit dem Licht; er unterstreicht, was
ihn interessiert und lässt das übrige im Dunkel.
Drittens ein sehr besonderer Farbengeschmack.
Wenn man die Vergleichung der Musik entlehnen
darf, so wäre zu sagen, in der Dynamik der farbigen
Ausdrucksmittel ist viel Wechsel bei ihm, aber die
Klangphantasie ist von Anfang an dieselbe, und
gewisse Harmonien sind seiner Empfindungsweise
angeboren.
Rembrandt. Selbstbildnis (1648). Radierung (Bartsch 22).
Angesichts der Steigerungen, der Schminke, der
Unwahrheit, des hohlen Scheins, welche die italienische
Renaissance als schliessliches Erbteil der Weltkunst
beigebracht hat, empfindet man es als eine erlösende
Wohltat, diese Ehrlichkeit, mit der Rembrandt
dieDinge auffasst und widergibt. Am überraschendsten
und für den mit Rembrandt noch Unbekannten
wahrhaft befremdend wirkt dieser Zug an Gegenständen
, für die ein gewisser Typus feststand, an
den sich unsere Augen gewöhnt haben. Wir meinen
biblische Darstellungen und sodann die Stoffe aus
einem Buch, das man die Profanbibel jener Zeit
nennen kann, die hundertmal gemalten Geschichten
aus den Metamorphosen des Ovid. Den Inhalt dieser
Fabeln und Erzählungen pflegt man uns in gewählter
Form, als hätten sie mit unserem Alltag nichts gemein
, in einer gewissen epischen Vornehmheit und
Entferntheit vorzutragen. Rembrandt ergreift einen
solchen Stoff wie etwas von gestern und heute. Ein
Liebhaber, der gern nackte Figuren sah, mag ihm
ein Bild von Diana und Aktäon und Kallisto bestellt
haben. Dächte man nun, Rembrandt würde
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